Interview: Killswitch Engage - Mike D'Antonio

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Auch wenn es sich noch so spießig anhören mag, muss ich jedem angehenden Musiker dringendst empfehlen, sich einen zweiten Job bzw. eine Ausbildung zuzulegen!

Nach rund zehn Jahren haben KILLSWITCH ENGAGE ihren Ur-Fronter Jesse Leach zurück ins Boot geholt, mit dem sie damals die Kult-Scheibe „Alive Or Just Breathing“ rausgehauen haben. Das steigert die Erwartungen der Fans für die kommende Platte „Disarm The Descent“ natürlich in schwindelerregende Höhen. Ein paar Wochen vor dem Album-Release klingelt Bassist Mike D’Antonio bei mir durch. Dieser scheint angesichts des Wiedereinstiegs von Jesse derzeit ohrenscheinlich den zweiten Band-Frühling zu erleben…

Text: symX
Veröffentlicht am 25.03.2013

„Es fühlt sich für mich wie eine neue Band an - und wir wollen es noch einmal so richtig wissen!“ – klingt es euphorisch aus dem Telefonhörer. „Klar spüren wir die Erwartungshaltung der Fans. Wir wissen ja nicht, ob sie Jesse wieder akzeptieren. Denn schließlich haben wir mit Howard (Jones) viele tolle Scheiben rausgebracht und er ist mitverantwortlich für einen großen Teil unserer Fanbase. Aber wir lassen uns nicht verrückt machen. Denn aufgrund der Erfahrungen mit Jesse (KILLSWITCH haben letztes Jahr mit ihm bereits eine Festival-Tournee gespielt – Anm. d. Verf.) bin ich mehr als zuversichtlich! Zugegeben, vor den ersten paar Gigs mit ihm hatten wir echt die Hosen voll, haha. Man weiß ja nie, was passiert, wenn man einen neuen Mann auf der Bühne hat. Wir wussten zwar, dass es Jesse drauf hat. Aber dann tatsächlich da raufzugehen, ist noch einmal eine ganze andere Geschichte. Die Angst war glücklicherweise völlig unbegründet. Die Fans sind völlig durchgedreht. Wir konnten echt kaum glauben was da abging! Es ist wirklich ein Geschenk für uns, dass wir mit solch offenen Armen empfangen worden sind. Und mit jeder Show wurden wir eingespielter und konnten das Ganze noch mehr genießen. Es ist für uns eine absolut außergewöhnliche Zeit – wir können der Welt wie von Neuem zeigen, was wir drauf haben! Der Album-Titel („Disarm The Descent“) spielt in diesem Zusammenhang übrigens eine nicht unbedeutende Rolle“, ergänzt Mike. „Mir fällt da die Parallele zu einer Bombenentschärfung ein. Zudem hat der Titel auch viel mit dem Namen KILLSWITCH ENGAGE zu tun – die ganzen Maschinen und das ganze System auszuschalten und von Grund auf neu zu beginnen. Das neue Album ist für uns irgendwie auch so - es fühlt sich so an, als ob wir von vorne beginnen!“

„So logisch wie es vielleicht von außen scheinen mag, es wieder mit Jesse zu versuchen, war es aber nicht“, erzählt Mike weiter. „Doch Jesse hat uns gezeigt, dass er wirklich wieder zu KILLSWITCH zurück wollte und hat uns mit seiner Performance absolut weggeblasen. Wir haben echt viele Sänger ausprobiert vorher. Aber er hat’s allen gezeigt! Und er hat es halt einfach immer noch drauf – er hat die Songs emotional gefühlt und konnte sie so rüberbringen, dass es diesen typischen KILLSWITCH-Vibe versprühte. Das Gefühl, mit dem er die alten Nummern rübergebracht hat, hat uns schlussendlich überzeugt. Die gesamte Musik war aber bereits geschrieben, als Jesse zurück ins Boot kam. Man kann also nicht sagen, dass die Songs speziell auf ihn ausgerichtet worden wären oder wir versucht hätten, den damaligen Spirit wiederzubeleben.“

„Im Vergleich zur letzten Veröffentlichung haben wir aber wohl wieder eine ganze Schippe Aggression dazu gelegt“, sinniert Mike weiter. „Ich denke, das hängt auch damit zusammen, weil wir viele der Songs auf Tour geschrieben haben. Indem man täglich vor einer großen Meute Vollgas gibt, wirkt sich diese Dynamik natürlich auch auf das Songwriting aus. Live spielen ist für mich ohnehin die außergewöhnlichste und beste Droge die es gibt. Ich liebe es wie am ersten Tag. Zwei Jahre ohne diese Droge auszukommen, hat mich fast wahnsinnig gemacht! Deshalb war es für mich wie eine Erlösung, als wir endlich mit Jesse zurück auf die Bühne konnten. Das ist wohl ein weiterer Grund dafür, dass es unter dem neusten Material Songs hat, die brutaler und aggressiver sind als alles, was ich je zuvor gemacht habe.“

KILLSWITCH ENGAGE werden als Mitverursacher der Metalcore-Welle bezeichnet, dennoch schert sich Mike kaum darum, was in dieser Szene so abgeht:

„Ich höre mir eigentlich überhaupt keine jungen Metalore-Combos an. Bevor es damals mit KILLSWITCH so richtig losging, war ich ein großer Fan des New-York-Hardcore. Ich ging jedes Wochenende an diese Shows und habe den ganzen Vibe in mich aufgesogen. Das hat den KILLSWITCH-Sound bestimmt maßgeblich beeinflusst, wobei man nicht sagen kann, dass wir direkt aus dieser Szene herausgewachsen wären. Und heutzutage stehe ich eher auf Stoner Rock wie zum Beispiel WITCHCRAFT, die sind echt fantastisch. Auch die neue Scheibe von den DEFTONES finde ich grandios gut! Dagegen konnte ich mit dieser Nu-Metal-Sache nie was anfangen. Die ganze Szene hat sich für mich einfach nicht echt angefühlt. Natürlich kann man nicht jemanden verurteilen, weil er einen bestimmten Musikstil mag oder spielt. Wenn er das fühlt, dann soll er das machen. Aber mir hat’s einfach nie zugesagt.“

Seit nun mehr als zehn Jahren ist Mike mit seiner Truppe äußerst erfolgreich im Business. Auf seine bisherige und zukünftige musikalische Karriere angesprochen, offenbart Mike aber dennoch erstaunlich bodenständige Ansichten:

„Joel, Justin und Adam sind alles ausgebildete Musiker! Sie gingen auf ein Musik-College. Ich dagegen bin einfach in das Ganze reingerutscht, ohne jemals eine Stunde Musikunterricht besucht zu haben. Ich habe mir alles selbst beigebracht. Eigentlich habe ich eine Ausbildung zum Graphic-Designer. Zum Glück haben sie die Song-Ideen gemocht, die ich damals reingebracht habe, sonst hätten sie mich wohl nicht genommen, haha. Mein Spiel wurde mit der Zeit besser, weil diese Jungs so gut sind. Ich hätte mir echt nie erträumt, in einer solch geilen Band spielen zu können! Ich habe vielmehr damit gerechnet, dass ich mein ganzes Leben damit verbringen werde, als Graphic-Designer vor einem Computer-Monitor zu sitzen. Natürlich werde ich dorthin zurückkehren, wenn das mit der Band mal vorüber ist. Aber es ist einfach absolut außergewöhnlich, einen Weg gehen zu können, den man sich vorher nie erträumt hätte. Und das umso mehr, weil dieser Weg so extrem aufregend ist! Aber trotzdem, auch wenn es sich noch so spießig anhören mag, muss ich jedem angehenden Musiker dringendst empfehlen, sich einen zweiten Job bzw. eine Ausbildung zuzulegen. Darüber lacht wohl jetzt jeder zukünftige Rockstar, haha. Aber hey, das ist die Realität. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Band zehn Jahre erfolgreich besteht - was ist danach?“

„Aber im Moment mache ich mir noch keine Gedanken darüber und genieße die Musik und das Tour-Leben noch in vollen Zügen! Obwohl wir schon eine gefühlte Dekade ununterbrochen auf Tour sind, wird das bei uns irgendwie nie langweilig. Wir lieben es nach wie vor, tagtäglich zusammenzusitzen und uns zu betrinken, haha. Und mit Adam haben wir unseren privaten Alleinunterhalter dabei. Wir können einfach zurücklehnen und darauf warten, was er als nächstes Verrücktes anstellt. Das ist immer höchst amüsant (lacht). Und bei der kommenden Tour haben wir mit Jesse ja einen „neuen“ Typen mit in der Band. Das kann die ganze Sache und das Bandgefüge natürlich ziemlich ändern. Es ist sehr erfrischend, jemanden Neuen dabeizuhaben. Das gibt dem Ganzen eine neue Dynamik und ich denke, Jesse verpasst uns auf Tour noch einmal einen zusätzlichen Kick. Wir freuen uns darauf!“

Abschließend richtet Mike noch ein paar Worte direkt an die Stormbringer-Leserschaft:
„Zuerst mal vielen Dank, dass ihr das Interview überhaupt lest, haha! Wir haben unser ganzes Herz und unsere Seele in unser neues Werk gelegt. Es ist aggressiver als das Meiste, was wir je gemacht haben. Ich denke, dass es unsere Fans wirklich mögen werden. Wenn ihr euch nicht sicher seid, hört es euch erst über einen Streaming-Service im Internet an. Und ich denke, wenn ihr KILLSWITCH ENGAGE mögt, dann werdet ihr dieses Album lieben!“


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