Interview: Malpractice - Joonas Koto

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Im Musikbusiness sind Kontakte das Wichtigste, wenn Du keine wichtigen Personen kennst, bist Du selbst auch nicht wichtig. Klingt ein bisschen zynisch, aber hey! ich bin Finne, so sind wir nun mal.

Trotz erheblicher Schwierigkeiten haben MALPRACTICE mit "Turning Tides" eines der stärksten Prog-Metal-Alben in letzter Zeit herausgebracht. Mastermind Joonas Koto erklärt die Hintergründe dazu

Text: Luka
Veröffentlicht am 25.09.2014

Hallo Joonas, euer neues Album “Turning Tides” ist ein sehr starkes geworden, eines der besten Prog-Metal-Scheiben in letzter Zeit. Ich nehme an ihr seid sehr zufrieden damit?

Danke für die netten Worte! Ja, ich bin sehr glücklich und erleichtert, dass „Turning Tides“ endlich erscheinen konnte, damit ist ein vier Jahre lang dauerndes Projekt zu Ende gegangen, und die Reaktionen auf „Turning Tides“ sind mehr als zufrieden stellend ausgefallen. Scheinbar hat es noch kein schlechtes oder mittelmäßiges Review vom Album gegeben, alle Leute scheinen es zu mögen – das ist immer ein gutes Zeichen!

Ihr habt bei den Aufnahmen ja wieder mit Anssi Kippo vom Astia Studio gearbeitet. Wie ist die Zusammenarbeit gelaufen?

Anssi ist der professionellste Tontechniker und Produzent, mit dem ich je gearbeitet habe – und nebenbei einer der nettesten. Es ist immer locker und produktiv, mit Anssi zu arbeiten. Er verwendet MALPRACTICE manchmal als Testobjekt, wenn er etwas Neues ausprobieren will, und wir machen da gerne mit, weil es normalerweise gut funktioniert.

Die Frage zur Aufnahme mit Anssi stelle ich deshalb, weil der Sound von „Turning Tides“ eine hervorragende Mischung aus moderner Klarheit und analoger Wärme ist.

Ja, wir hatten im Vorfeld schon geplant, das Album möglichst natürlich klingen zu lassen, ohne Drumtrigger und möglichst nahe am Live-Sound. Als ich aufgewachsen bin, konnte man die verschiedenen Alben schon vom Sound her unterscheiden, heutzutage klingt alles sehr ähnlich und standardisiert. Wir wollten da einfach weg davon und uns sowohl musikalisch als auch vom Sound her von den anderen unterscheiden.

Hast Du eigentlich einen Lieblingssong auf dem Album?

Eigene Songs zu bewerten ist so wie die eigenen Kinder bewerten, das ist unmöglich. Jeder Song ist für mich gleich wichtig.

Auf der ausführlichen Studiodokumentation sieht man hauptsächlich Dich und Drummer Toni Paananen. Wie viel tragen denn die einzelnen Mitglieder von MALPRACTICE zu den Songs bei?

Im Grunde schreibe ich die Songs und dir Texte dazu alle selbst, normalerweise sind die Songs zu mehr als 80% fertig bevor ich sie den anderen Jungs vorspiele. Jeder arrangiert dann seine Parts selber oder bringt dann noch das eine oder andere Riff dazu ein. Nachdem ich auch das ganze Album aufgenommen habe, könnte man mich durchaus als Kontrollfreak bezeichnen. Aber ich fühle mich einfach wohler wenn ich weiß dass alle Fäden bei mir zusammenlaufen.

Textlich ist „Turning Tides“ ein Konzeptalbum, in dem es um einen Mann geht, dessen Fähigkeiten nicht erkannt bzw. der ignoriert wird. Ist das als ein allgemeines Thema aufzufassen, oder spielst Du damit eher auf die Situation von MALPRACTICE an, die längere Zeit trotz unbestreitbarer musikalischer Qualitäten ohne Label dastanden?

Es gibt definitive Parallelen zwischen dem Konzept von „Turning Tides“ und der Band. Uns gibt es seit mittlerweile 20 Jahren, wir haben vier vollwertige Alben herausgebracht, und trotzdem werden wir wie eine Newcomer-Band behandelt. Aber das Konzept vom missverstandenen Menschen ist ein universales, die meisten Menschen werden sich ab und zu so fühlen. Manche der auf dem Album angesprochenen Probleme habe ich selbst erlebt. Ich denke, dass der ich, Du, und jeder andere auf der Welt der Mann von „Turning Tides“ sein kann.



Wo wir schon von der Label-Situation vom MALPRACTICE sprachen: ihr wart ja nach eurer Zeit bei Spinefarm/Universal, wo ihr dann aber einige Probleme hattet, eine Zeitland ohne Label, bevor ihr im April 2014 bei Sensory Records unterschrieben habt. Was ist denn da gelaufen?

Im Grunde war es so, dass alle Mitarbeiter bei Spinefarm/Universal, mit denen wir gearbeitet hatten, entlassen wurden oder selbst gegangen sind. Die neuen Mitarbeiter wussten dann nicht so recht, was sie mit uns machen sollten, sie wollten nicht einmal die Demos zu den neuen Songs hören, und wir wurden rausgeworfen. Ich habe dann persönlich ungezählte Demo-CDs an verschiedene Labels geschickt, aber keines war interessiert. Wir haben uns schon überlegt, das Album in Eigenregie herauszubringen, aber dann hat uns glücklicherweise Sensory Records unter die Fittiche genommen, da funktioniert die Zusammenarbeit bis jetzt auch hervorragend und alles läuft gut.

Habt ihr in dieser schwierigen Zeit auch mal überlegt, MALPRACTICE zu Grabe zu tragen (auch nachdem mehrere Bandmitglieder erfolgreich in anderen Projekten mitspielen)?

Ich würde lügen wenn ich sagen würde dass ich mir das nicht überlegt hätte, vor allem während einer kurzen Phase wo es nicht lief und alles sich so kompliziert anfühlte. Aber ich habe mich dann entschieden weiterzumachen, weil ich in dieser Band die Möglichkeit habe, genau die Musik zu machen die ich liebe. Wenn ich nicht bei MALPRACTICE spielen würde wäre ich ihr größter Fan.

Sowohl Du als auch der zweite Gitarrist Markus Vanhala sind in anderen, vielbeschäftigten Bands dabei (ihr beide bei OMNIUM GATHERUM, Markus zusätzlich noch bei INSOMNIUM). Wie viel Zeit bleibt da noch für MALPRACTICE, wie koordiniert ihr eure Termine?

Natürlich ist es nicht einfach, die Band zu koordinieren, aber bis jetzt haben wir es immer noch geschafft. Was es noch schwerer macht, ist dass unser Sänger Aleksi Parviainen in Hamburg lebt, während der Rest von MALPRACTICE in Finnland beheimatet ist. Wir proben auch eigentlich immer nur vor einer Tour oder vor Aufnahmen. Das funktioniert, weil jedes Mitglied professionell arbeitet und sich selbstständig vorbereitet, dann reichen ein bis zwei Proben vor einer Tour, um startklar zu sein.

Wie stark sind die Überschneidungen zwischen MALPRACTICE und OMNIUM GATHERUM, da bei beiden Bands die gleichen Gitarristen am Werk sind?

MALPRACTICE sind mein Baby, OMNIUM GATHERUM ist das Baby von Markus Vanhala. Wir schaffen es beide, Musik für beide Bands zu machen, ohne dass Probleme auftauchen. Ich mache seit mittlerweile über zehn Jahren mit Markus zusammen Musik, und wir kennen uns schon so gut dass wir oft wissen, was der andere gerade denkt, ohne etwas sagen zu müssen. Manchmal kommt es mir vor, als ob ich mehr Zeit mit Markus verbringe als mit meiner Familie. Manchmal streiten wir uns auch wie ein altes Ehepaar…

Jetzt sind progressive Bands vor allem in den USA sehr populär. Bands wie DREAM THEATER oder SYMPHONY X verkaufen Tausende CDs und spielen in großen Hallen. Warum haben diese Bands deiner Meinung nach so großen Erfolg, während Bands wie MALPRACTICE trotz gleichwertiger Qualität Probleme haben, ein Label zu finden?

Diese Frage kann man mit einer Zitat von unserem Album „Deviation From The Flow“ beantworten: „It’s not about who you are, it’s all about who you know“. Im Musikbusiness sind Kontakte das Wichtigste, wenn Du keine wichtigen Personen kennst, bist Du selbst auch nicht wichtig. Ich denke, wir haben einfach nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die wir gebraucht hätten, um groß rauszukommen. Klingt ein bisschen zynisch, aber hey! Ich bin Finne, so sind wir nun mal.

Nachdem ihr für „Turning Tides“ sechs Jahre gebraucht habt, erwarten wir uns mal in nächster Zeit kein neues Album. Aber was habt ihr sonst so in nächster Zeit geplant?

Erstmal kann ich Dir versprechen, dass es bis zum nächsten Album sicher nicht so lange dauern wird. „Turning Tides“ wäre ohne die Labelprobleme auch schon 2012 erschienen. Wir haben noch keine konkreten Tourpläne, stehen aber dazu schon in Verhandlungen. Ich persönlich würde sehr gern mit MALPRACTICE auf Tour gehen, um jedem zu zeigen, wie gut wir live sind.

Joonas, danke für das Interview, und alles Gute für die Zukunft, hoffentlich hat sich bei MALPRACTICE die Labelsituation stabilisiert. Hast Du noch eine Botschaft an unsere Leser?

Ich war schon mindestens sechs Mal in Österreich und habe es geliebt – nette Leute, nette Landschaft! Ich hoffe wir können euch MALPRACTICE live vorstellen, bis dahin checkt unser Album „Turning Tides“ aus!


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