Interview: Sixx: A.M. - James Michael

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„Ich weiß, es klingt wie ein Klischee, aber ich bin wirklich der glückliste Mensch im Musikbusiness!“

SIXX:A.M. ist wohl den meisten als Nebenprojekt des Bassisten von MÖTLEY CRÜE und des Gitarristen von GUNS N‘ ROSES bekannt. Aber neben den gestandenen Recken Dj Ashba und Nikki Sixx steht mit James Michael ein Mann hinter dem Mikrofon, der für Kenner der Szene als Produzent und Komponist schon seit Jahren ein nicht mindergroßer Name im Musikbusiness ist. Während sich sein Bandkumpel Nikki vor allem mit Heroin- und Skandalgeschichten einen Namen gemacht hat, beschränkt sich der sympathische SIXX:A.M.-Frontmann im gänzlich allürenfreien und tiefgründigen Interview aber auf seine einzige Sucht und Leidenschaft: Die Musik!

Text: symX
Veröffentlicht am 30.09.2014

Nachdem die Jungs um MÖTLEY CRÜE-Legende Nikki Sixx bereits zweimal das Vergnügen hatten, mit ihrem Projekt SIXX:A.M. den Soundtrack zu zeitgleich erscheinenden Büchern ihres Bosses zu liefern, sind sie mit „Modern Vintage“ nun zum ersten Mal frei von jeglichen Vorgaben und Konventionen. Die Experimentierfreudigkeit und musikalische Freiheit merkt man der Scheibe denn auch vom ersten Ton weg an.

„Ja, wir hatten wirklich unglaublich viel Spaß dabei“, bestätigt James Michael, seines Zeichens Sänger der Truppe sowie – in seinem anderen Leben – erfolgreicher Produzent und Songwriter für Acts wie PAPA ROACH oder HALESTORM. „Wir sind mehr als zufrieden mit dem Endprodukt! Bei diesem Album waren wir zum ersten Mal völlig frei und hatten keine Richtlinien, woran wir uns zu halten hatten. Wir haben uns mit voller Begeisterung reingestürzt und haben versucht, den Spirit der 60’s und der 70’s darin aufzugreifen und zu zelebrieren. Auch bei der Produktion haben wir uns an unseren Lieblingsscheiben aus den 70ern orientiert. Denn für uns ist die Platte eine Verneigung vor den Bands und der Musik, die wir über die Jahre lieben gelernt haben und die uns schlussendlich dazu inspiriert haben, selbst Musiker zu werden.“

Dieser sprichwörtliche Befreiungsschlag ist bereits mit der Wahl der Vorabsingle „Gotta Get It Right“ erfolgt, die wohl manchen Fan der älteren Scheibe etwas erstaunt haben dürfte. So erinnert der Song mit seinem stampfenden Feelgood-Vibe und den Chören gar etwas an QUEEN. James sieht den Song ebenfalls als eine Art Statement:

„Es stimmt, das Stück hat einige Leute überrascht aber auch viele positive Reaktionen ausgelöst! „Gotta Get It Right“ ist ein perfektes Beispiel dafür, wie wir unsere musikalischen Einflüsse in das Songwriting mit einbezogen und versucht haben, diese auf dem vorliegenden Album im modernen Licht glänzen zu lassen. Ich war ein riesiger E.L.O.-Fan als ich ein Junge war und natürlich liebte ich DAVID BOWIE und QUEEN. Und wir hoffen wirklich, dass der Zuhörer beim Anhören der Scheibe diese Einflüsse auch tatsächlich heraushören kann. Bei den Background-Chören beispielsweise, haben wir sehr viel Zeit investiert, damit diese fast wie ein eigenes Instrument wirken, ähnlich wie das auch E.L.O. perfektioniert hatten. Natürlich hatten unsere bisherigen Werke diese Einflüsse auch mit drin, aber bei „Modern Vintage“ wollten wir diese ganz bewusst hervorheben.“

James ist sich des Risikos, mit der „neuen Stilfreiheit“ gewisse Fans vor den Kopf zu stoßen, aber durchaus bewusst: „Wenn man etwas wagt, wie wir es auf „Modern Vintage“ getan haben, dann erwartet man zwangsläufig, dass das nicht von allen mit Begeisterung aufgenommen werden wird. Aber wenn man die großen Combos der 60er, 70er und 80er anschaut, gab es viele darunter, die nicht immer wieder die gleiche Platte von neuem gemacht haben. Das haben wir uns auch hier zu Herzen genommen. Wir hatten keine Lust und selbst zu wiederholen. Schau dir mal eine Band wie Queen an. Jedes Mal wenn die eine neue Platte rausgebracht haben, war die Hälfte ihrer Fans absolut unzufrieden damit. Aber mit der Zeit haben diese Fans auch verstanden, was die Band mit den neuen Einflüssen beabsichtigt, und sie haben es geliebt.“

„In den letzten Jahren hat sich die Rockmusik wiederum vermehrt in sehr eingeschränkten Bereichen bewegt. Wir wollten uns davon bewusst loslösen und haben deswegen einen Blick in die Vergangenheit gewagt, wo Rock-Ausprägungen in den unterschiedlichsten Formen vorhanden waren. Hör Dir beispielsweise eine alte BOWIE-Scheibe an. Dort gab es so viele verschieden Songtypen auf einem einzigen Album und trotzdem gilt das noch als Rock-Scheibe! Ohne, dass das jetzt zu moralisierend klingen soll, aber wir haben mit „Modern Vintage“ tatsächlich versucht zu definieren, was früher Mal als Rockplatte gegolten hat: eine musikalische Reise!“

„Dementsprechend sagt der Titel „Modern Vintage“ genau das aus, was wir auch mit dem Album rüberbringen wollen: Wir wollten Momente, die klingen, als ob sie in den 60ern und 70ern aufgenommen wurden und wir wollten Momente, die modern klingen. Wir haben das auch bei der Produktion genutzt und neben moderner Digitaltechnik auch auf Aufnahmetechnologie vergangener Tage gesetzt. Es hat Stücke drauf, die klingen als ob sie heute geschrieben aber in den 60ern aufgenommen wurden, oder genau andersherum. Wir haben versucht Songs zu schreiben, die ein zeitloses Feeling haben ohne uns hier stilistisch einzuschränken. Denn, was macht ein Rock-Song eigentlich aus? Es mag Leute geben, die „Gotta Get It Right“ als poppig bezeichnen, für mich ist es ein Rock-Song! Die Komposition an sich mag eingängig wirken, aber der Track ist aggressiv gesungen, hat riesige Gitarrenriffs und auch die Lyrics sind sehr dunkel. Ich denke, SIXX:A.M. waren bereits bisher bekannt dafür, Schönheit mit Dunkelheit zu kontrastieren. So hat es auch auf dem neuen Werk immer noch genügend Momente, die eine Verbindung zu unseren älteren Sachen herstellen. So zum Beispiel „Stars“, eine regelrechte übergroße Stadionhymne!“

„Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die unterschiedlichsten Rock-Stile zu einem stimmigen Ganzen zu formen“, gibt James präzisierend zu Protokoll. „„Before It’s Over“ geht zum Beispiel fast schon in Richtung Ragtime. Oder hört euch das erwähnte „Gotta Get It Right“ an, welches sehr cineastisch und theatralisch daherkommt. Ich denke, SIXX:A.M. hatten schon immer eine Faible für das Theatralische. Auch QUEEN waren eine sehr theatralisch auftretende Band. Es ist etwas, dass bei uns völlig natürlich entsteht, auch wenn es in gewissen Moment etwas gar extravagant erscheinen mag. Aber auf diese Weise können wir erreichen, dass unsere Musik sehr visuell wird und große Bilder hervorruft. Wir haben zudem gewisse Songs mehrfach in einem komplett anderen Stil aufgenommen - aber nicht einfach eine Akustikversion zu einem Rock-Song oder so. Vielmehr haben wir probiert, komplett verschiedene Herangehensweisen zu wählen. So gibt es beispielsweise eine Piano-Balladen-Version von „Before It’s Over“, in welcher die textliche Message perfekt rübergebracht wird. Diese Versionen werden teilweise auf der Deluxe-Edition von „Modern Vintage“ veröffentlicht werden. Ich denke, das wird die Erfahrung mit dieser Scheiben noch verstärken und spannender machen.“

„Ein weiterer toller Moment während der Albumproduktion war die Arbeit am Cover-Song „Drive“. Für mich als Sänger waren das Momente, an die ich mich für immer erinnern werde. Hierbei war es mir sehr wichtig, die Einfachheit der Originalversion beizubehalten. Dieser Song wurde in einer Zeit zum Hit, als die ersten Musikvideos aufkamen. Das Stück und das zugehörige Video hatten einen sehr großen Einfluss auf das Musikbusiness in dieser Zeit. Denn viele Leute werden auch heute noch das Video und die Story direkt mit dem Song assoziieren. Ich habe als Sänger versucht, diesen intimen und schmerzlichen Moment, der in den Lyrics verarbeitet wird, rüberzubringen. Und ich habe mich wirklich sehr über die Reaktionen der Leute gefreut. Da hat mir einer gesagt, er habe den Song immer geliebt, aber eigentlich nie darauf geachtet, um was er sich textlich drehe. Erst mit unserer Version sei er sich dessen bewusst geworden. Das hat mir gezeigt, dass wir mit unserer Version etwas erreicht haben. Und ironischerweise ist eigentlich genau unser Cover von „Drive“ der Song, der die Message des Albumtitels „Modern Vintage“ am perfektesten rüberbringt! Wenn du ein Rockliebhaber bist, dann ist es wichtig, die Herkunft der Rockmusik zu kennen. Und das haben wir versucht mit diesem Album zu erreichen und verschiedenste Rockstile miteinander zu verbinden. „Modern Vintage“ wird dir zeigen, wo Rockmusik herkommt und wo sie in der Zukunft hinsteuert! Und ich denke, es werden mit diesem Album viele neue Fans dazukommen, weil wir Risiken eingegangen sind und probiert haben, unseren musikalischen Horizont zu erweitern.“

James lebt aber keineswegs nur in der goldenen Vergangenheit der Rockgeschichte, wie er versichert: „Als Produzent ist es natürlich extrem wichtig, dass ich auch die jungen und modernen Combos kenne und mir anhöre, was da Neues nach oben kommt! Und ich bin immer wieder von neuem fasziniert von diesen jungen Bands, die es schaffen, etwas zu erschaffen, was in dieser Form noch nie da war. Die Sängerin LORDE beispielsweise, hat mich echt weggeblasen! Auch wenn man bei ihr ebenso Einflüsse aus der Vergangenheit heraushört, wirkt das Ganze so frisch und neu. Ich finde es nach wie vor sehr faszinierend, wenn junge Künstler die gleiche Musik, die schon mich inspiriert hat, neu interpretieren.“

„Ich bin endlos dankbar, für die Möglichkeiten die ich habe, im Musikbusiness das Beste von beiden Seiten – als Produzent und als Musiker – zu genießen. Als kleiner Junge hatte ich mir ja vorgenommen, ein Rockstar zu werden. Aber mit der Zeit hat es sich halt ergeben, dass ich immer wie mehr für andere Bands und hinter den Kulissen als Produzent und Songwriter arbeitete. Ich denke, ich hatte diesen Rockstartraum schon ganz aufgegeben, denn ich hatte als Produzent fast alles erreicht, was ich mir gewünscht habe. Aber als dann das mit SIXX:A.M. auf mich zukam, kamen plötzlich all diese Träume und die aufregenden Gefühle zurück, wegen derer ich eigentlich ursprünglich Musiker werden wollte. Und hier bin ich nun, habe die Möglichkeit vor tausenden von Leuten zu singen, stehe mit diesen tollen Musikern und Freunden auf der Bühne, und die Zuschauer singen die Songs mit, die ich geschrieben habe. Da ist wirklich ein Traum von mir wahrgeworden! Ich weiß, es klingt wie ein Klischee, aber ich bin wirklich der glückliste Mensch im Musikbusiness!“

Aber auch als glücklichster Mensch im Musikbusiness hat James nach wie vor Träume und Ziele, die sich noch nicht verwirklicht haben: „Ich möchte neue und unbekannte Künstler entdecken, die Musik genau aus den gleichen Gründen und mit der gleichen Leidenschaft machen wie ich. Es ist etwas ganz Spezielles wenn du im Musikbusiness bist und für etwas geschätzt und bewundert wirst, dass die ganze Leidenschaft von dir selbst beinhaltet. Aber mir spielt es keine Rolle, ob die Künstler bereits bekannt sind oder nicht, solange für mich die Zusammenarbeit inspirierend ist. Und das ist es auch, was mich am Produzentenjob am meisten fasziniert. Es ist eine der inspirierenden Arbeiten, die es gibt, denn man kommt dabei mit so viel Talent in Berührung. Ich glaube, ich kann es erst in meinem Alter richtig schätzen, wenn jemand Junges bereits mit so viel gottgegebenem Talent daherkommt. Das sind echt magische Momente, wenn ich mit so jemandem zusammenarbeiten kann!“

MÖTLEY CRÜE befinden sich auf der Abschiedstournee und Nikki Sixx ließ verlauten, danach all seine Energie in SIXX:A.M. investieren zu wollen. Verständlich, dass James ob diesen goldigen Aussichten mehr als begeistert ist: „Ja, diese Entwicklung ist wirklich sehr aufregend! Denn eigentlich haben wir uns erst während den Aufnahmen von „Modern Vintage“ eingestanden, dass wir eine wirklich Band sind. Es hat also drei Alben gebraucht, haha. Da jeder von uns noch mit anderen Bands und Projekten beschäftigt ist, ist es natürlich entsprechend schwierig, gemeinsame Studiozeit zu finden. Umso mehr genießen wir diese gemeinsamen Momente dann auch! Für uns ist es auch sehr wichtig, dass wir uns diese Zeit auch wirklich nehmen. Denn wir sind drei Freunde geworden, die durch die Musik zusammengekommen sind. Mittlerweile ist es die Freundschaft, die uns bindet und die Musik ist so etwas wie das Nebenprodukt dieser Freundschaft. Nun können wir in die Zukunft schauen und haben die Möglichkeit, SIXX:A.M. entsprechend zu pushen! Übrigens, am 7. Oktober 2014, wenn in den USA unser Album rauskommt, werden wir eine spezielle Live-Performance in Los Angeles machen. Und bei dieser Performance werden wir eine wirklich große Ankündigung machen, welche unsere Fans ziemlich umhauen wird. Da freue ich mich schon darauf!”


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