Interview: ANGRA - Fabio Leone & Band

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Ich denke, heutzutage kannst du uns nicht mehr einfach als klassische Power-Metal-Band bezeichnen. Ich glaube, das neue Album zeigt, was die Band heute zu sagen hat und ihren Fans bieten kann.

Vier lange Jahre mussten sich die Fans von ANGRA gedulden, bis es endlich zum Release des neuen Studioalbums "Secret Garden" gekommen ist. Vier Jahre, in denen allerhand passiert ist. Neuer Drummer, neuer Sänger. Auch musikalisch ist einiges passiert. Was uns die Band zum Album, zur Vergangenheit und zur Zukunft sagen kann, das könnt ihr hier nachlesen.

Veröffentlicht am 21.01.2015

ST: Hallo Jungs! Erstmal Gratulation zum genialen neuen Album “Secret Garden”. Zurück mit einem Knall könnte man sagen. Wie ist denn die Reaktion auf die Scheibe bislang?

Angra: Sehr gut!! Wir haben schon viele gute Reviews und Berichte über das Album gesehen. Generell spricht jeder sehr positiv darüber und das macht uns sehr glücklich.

ST: Bevor wir uns näher mit der Scheibe befassen, lasst uns kurz zusammenfassen, was seit dem Release der letzten Scheibe “Aqua” alles passiert ist. Edu Falashi hat die Band verlassen und um euch war es eine lange Zeit still. Bis sich dann irgendwann herumgesprochen hat, dass Fabio Leone zur Band gestoßen ist und letztendlich das Live-Album “Angel's Cry” veröffentlicht wurde. Wie kamt ihr danach mit Fabio Leone in Kontakt und ab wann war es für euch klar, mit ihm als permanentem Mitglied weiterzumachen?

Angra: Ja... Edu hatte ein paar Probleme und generell wollte er mit der Band nicht weitermachen. Er war müde. Und nach “Aqua” ging es uns als Band nicht gut. Wir haben ehrlich gesagt nicht viel dazwischen gemacht. Wir sind mit Edu immer noch befreundet und wünschen ihm das Beste. Ich denke, nach den ganzen Shows und Jahren zusammen war es für uns und ihn einfach an der Zeit, etwas zu verändern. Zu Fabio, nun ja, wir wurden auf die 70.000 Tons Of Metal Cruise im Jahr 2013 eingeladen und hatten keinen Sänger. Also haben uns diverse Freunde Fabio vorgeschlagen. Er ist seit langer Zeit mit der Band befreundet, also war es ganz natürlich für uns, über diese Show mit ihm am Mikro nachzudenken. Nach der Show liefen die Dinge einfach spitze, die Reaktionen der Fans und einfach alles! Also haben wir uns entschlossen, so weiterzumachen, mehr Shows zu spielen, die DVD zum 20-jährigen Jubiläum unseres Debüts zu machen und letztendlich die neue Scheibe. Die Cruise und die Shows danach (Hellfest, Japan, Europa), das war so der Zeitpunkt, in dem das mit Fabio fest wurde.

ST: Fabios Arbeitspensum ist mit RHAPSODY OF FIRE, VISION DIVINE und natürlich ANGRA nicht grade gering. Auch die Entfernung zwischen Italien und Brasilien ist sicher nicht grade praktisch. Wie habt ihr das Hand?

Angra: Das kann manchmal wirklich schwierig werden... generell bereitet uns das aber weniger Kopfschmerzen. Kiko lebt ja auch nicht in Brasilien, sondern in den USA. Also regelmäßige Proben sind natürlich unmöglich. Wir treffen uns ein paar Tage vor einer Tour und spielen alles zusammen durch.

ST: Ein weiterer neuer Mann ist Bruno Valverde an den Drums. Was könnt ihr uns über ihn sagen?

Angra: Er ist ein herausragender Drummer, ein klasse Kerl und spielte auch in Kikos Soloprojekt. Also kannten wir ihn. Ich muss sagen, er ist jung, wirklich talentiert – und motiviert! Wir glauben, dass er auf dem neuen Album großartige Arbeit abgeliefert hat und auf der nächsten Tour wird er der Killer sein!!

ST: Dann lasst uns jetzt mal über das Album sprechen. Das Ausgangskonzept von “Secret Garden” behandelt einen Mann, der seine Familie bei einem Unfall verliert, mit dem Verlust klar kommen und langsam zurück ins Leben finden muss. Von wem stammt die Idee? Welche Schritte muss der Protagonist durchleben und was erwartet ihn letztendlich?

Fabio: Das war hauptsächlich Rafaels Idee. Wir haben alle zusammen zwei Wochen auf Ilhabela verbracht (einer brasilianischen Insel), Ideen ausgetauscht, diskutiert, Sachen angehört. 70 Prozent des Materials wurden dort komponiert. Und ich erinnere mich, dass Rafael mit der Idee zu mir kam und ich war direkt begeistert. Wir hatten einen Doktor oder Wissenschaftler im Kopf, der seine Frau bei einem Autounfall verliert und er selbst war der Fahrer. Das hörst du auch in dem kleinen Intro am Anfang. Und danach lebt der Mann in Depression, grübelt, versucht irgendwie mit seiner toten Frau zu sprechen. Am Ende wählt und schätzt er einen religiösen Pfad. Wir können sagen, er findet seinen “Secret Garden”, einen inneren Frieden, innere Balance. Grob zusammengefasst. Ich mag dieses Konzept sehr und auch die Art, wie Rafael es geschrieben hat.

ST: Basiert das Konzept auf einem tatsächlichen Vorfall?

Fabio: Nein!

ST: Aus musikalischer Sicht deckt “Secret Garden” alle ANGRA-typischen Stilistika ab. Dennoch probiert ihr viel Neues, was ich so von ANGRA bis jetzt nicht gehört habe. Nehmen wir mal “Final Light” oder “Violet Sky”. Diese Songs kreieren eine sehr dunkle, verstörende Atmosphäre, ihr nutzt tiefgestimmte Gitarren und moderne Riffs, die mich ein bisschen an KORN, SLIPKNOT oder SOULFLY erinnern. War das beabsichtigt? Wie seht ihr die Songs, was könnt ihr uns über deren Entstehung erzählen?

Fabio: Da bin ich deiner Meinung. Wir haben versucht, etwas Frisches und Modernes zu Schreiben, aber gleichzeitig unsere typischen Aspekte und unseren Stil nicht zu vernachlässigen. Klar war das also beabsichtigt. Wir wollten ein abwechslungsreiches Album schreiben, verschiedene Ansätze wählen, unterschiedliche Stimmungen kreieren. Und diese zwei Songs sind moderner als alles, was wir in der Vergangenheit gemacht haben. Dunkel und heavy. Das war ein natürlicher Prozess. Wir haben alles zusammen als Band komponiert, durchgehört und diskutiert. Und wir haben genau das erreicht, was wir wollten. Auch glaube ich, dass es dem Hörer nicht langweilig wird, da wir so eine Vielfalt in den Songs und den Vocals haben. Du kannst über das Album vier Sänger hören, zwei männliche und zwei weibliche. Zusammengerechnet kann man wirklich sagen, dass das Album frisch und unverbraucht klingt.

ST: Natürlich gibt es auch klassischen Power Metal mit “Perfect Symmetry” und “Black Hearted Soul”. Letzterer Song erinnert mich sehr an “Nova Era”. Hattet ihr das Gefühl, das Album braucht so einen Hit oder kam das auch natürlich?

Fabio: Ehrlich gesagt, ich glaube das ist ein Teil von uns. Die Band wurde im klassischen Power Metal geboren. Wir mögen es immer, solche Songs zu spielen und zu schreiben. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Ich denke heutzutage kannst du uns nicht mehr einfach als klassische Power-Metal-Band bezeichnen. Wir haben so viele Einflüsse dabei, die die einzelnen Musikgeschmäcker der Mitglieder wiederspiegeln. Ich glaube, das neue Album zeigt, was die Band heute zu sagen hat und ihren Fans anbieten kann. Und wir wissen natürlich, dass einige unserer Fans aus der klassischen Power-Metal-Ecke kommen.

ST: Ihr habt zwei bedeutende Gast-Sängerinnen dabei, Simone Simons (EPICA) und DORO PESCH. Wie kam der Kontakt zustande? Übernehmen die beiden eine spezifische Rolle im Konzept? Wenn ja, welche?

Fabio: DORO ist gut mit uns befreundet, sie ist eine sehr nette Person. Simone ebenso, und eine begnadete Sängerin. Ich habe mit ihr viele Shows während der KAMELOT-Tour 2011 gespielt, ich glaube es waren 49. Ich war richtig happy, dass die beiden Teil des neuen Albums sein wollten. Sie haben das großartig gemacht und werten das Album auf. Bezüglich Simone und ihren Song “Secret Garden” übernimmt sie darin die Rolle der Ehefrau des Wissenschaftlers. Sie spricht auf eine gewisse Art und Weise zu ihm. DORO singt mit Rafael im Duett bei “Crushing Room” und ich finde, dass die beiden Stimmen perfekt zusammenpassen.

ST: Ja stimmt, gerade Rafael überrascht mit seiner Leistung. Wie kam es denn dazu? Und gab es mal den Plan, die Band nur mit ihm, also ohne einen neuen Fronter, weiterzuführen (z.B. wie es Kai Hansen nach Ralf Scheepers Ausstieg bei GAMMA RAY gemacht hat?)

Fabio: Rafael wollte schon immer singen, und ein guter Sänger ist er allemal. Natürlich muss der Lead-Sänger aber auch wirklich alles übernehmen, im Studio und live. Und er muss ja noch Gitarre spielen. Das ist nicht so einfach. Ich glaube, wir haben mit dem Album eine super Arbeit abgelegt, auch mit den ganzen verschiedenen Sängern. Rafael, genauso wie Simone und Doro. Ich war während den Aufnahmen einige Zeit mit ihm zusammen in Schweden. Wir hatten eine tolle Zeit im Studio. Wir haben gemeinsam gesungen und erarbeitet, wie wir an die einzelnen Passagen herangehen wollten. Ich bin mehr als glücklich mit dem Ergebnis und auch mit Rafaels Leistung. Er kann den Leuten zeigen, was für ein guter Sänger er ist, und eben nicht nur Gitarrist und Komponist.

ST: Mit der ganzen stimmlichen Vielfalt und den orchestralen, theatralischen Elementen - habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, so eine Art Metal-Oper wie AVANTASIA zu machen?

Fabio: Nicht wirklich. Das Album hier ist eigentlich genau das, was wir machen wollten. Ein modernes, powervolles, theatralisches Album. Es kombiniert so viele Elemente. Power, Progressivität, orchestrale Elemente, Jazz, brasilianische Percussions und die ganzen Stimmen eben.

ST: Stichwort Orchester: Habt ihr mit einem zusammengearbeitet?

Fabio: Nein, wir haben mit ein paar guten Freunden zusammengearbeitet und trotzdem das bestmögliche Ergebnis erzielt. In ein paar Songs haben wir beispielsweise Kikos Ehefrau, die sich um die Keyboards und Orchesterparts gekümmert hat. Dann hatten wir noch Alessio Lucatti von VISION DIVINE und viele mehr.

ST: Wie weit haben sich die Neulinge am Songwriting beteiligt? Also Bruno und du, Fabio?

Fabio: Einer der besten Sachen am Album ist, dass sich jeder von uns daran beteiligt hat. Was die Leute hören werden ist das Resultat von fünf Musikern, die gemeinsam komponiert und zusammengearbeitet haben. Sogar Bruno als neuestes Mitglied hat zu einem Song viele Ideen beigesteuert. Ich selbst habe mich hauptsächlich um die Gesangsmelodien gekümmert (ziemlich genau für sechs der Songs). Rafael hat alle Lyrics geschrieben, außer bei “Storm Of Emotions”, das hat er mit Felipe und mir zusammen gemacht. Manche Stücke hat er alleine angepackt, er ist praktisch das Fundament des Albums. Kiko und Felipes Ideen hört man auch in so gut wie jedem Song.

ST: Meiner Meinung nach ist “Rebirth” eines der besten Melodic-Metal-Alben aller Zeiten. Obwohl “Secret Garden” musikalisch anders und viel moderner klingt, erinnert es mich von der Struktur her sehr an “Rebirth”. Es fängt schnell und melodisch an, hat die frühe Powerballade, einen progressiven und düsteren Mittelteil, zum Schluss dann nochmal ein Speed-Song und letztendlich eine akustische Ballade zum Ausklang. War das beabsichtigt oder höre nur ich das heraus?

Rafael: Möglich... wir haben eigentlich auf jedem Album die Elemente so oder so ähnlich verteilt... aber wenn ich genau darüber nachdenke, muss ich dir Recht geben mit der strukturellen Ähnlichkeit. Man könnte also von einem “Rebirth Teil 2” sprechen, hahaha... Letztendlich glaub ich aber, dass das zufällig so passiert ist, da sich ja wirklich alle am Songwriting beteiligt haben, also alte und neue Mitglieder zugleich.

ST: Was macht ihr nach der ganzen Album-Promotion? Habt ihr außerhalb der Festivals wie Wacken Tourpläne? Ist denn etwas in Europa geplant?

Angra: Momentan buchen wir gerade Shows. Im April und Mai ist Lateinamerika dran, danach Taiwan und Japan. Bezüglich Europa sind wir glaube ich Mitte Juli bis Mitte August am Start. Wacken ist ja schon bestätigt, dann arbeiten wir gerade an ein paar Shows in Italien. Danach kommt das ProgPower-Fest in den USA und danach wieder Südamerika. Wir werden das Beste geben, um das Album so gut wie möglich mit super Shows zu promoten!

ST: Dann bedanke ich mich für eure Zeit und wünsche euch viel Erfolg mit dem Album. Hoffe, man sieht sich, wenn ihr bei uns spielt. Habt ihr ein paar letzte Worte für unsere Leser?

Angra: Vielen Dank! Hoffe auch, dass man sich sieht. Lass uns die Shows in Europa mal abwarten. Was hab ich noch zu sagen? Hört gute Musik, und habt ein großartiges neues Jahr liebe Leute!!!! Ciaooo....


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