Interview: MPIRE OF EVIL - Mantas

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Ich habe immer ,Manhunt' gespielt und trotzdem keine Menschen mit Plastiksäcken erstickt - Mantas sieht keinen Konnex zwischen Computerspielen und realer Gewalt.

Was eigentlich nur als kurze aktuelle Bestandsaufnahme gedacht war, entwickelte sich zu einem mehr als einstündigen Talk - wenn VENOM-Legende und MPIRE OF EVIL-Chef Mantas aus dem Nähkästchen plaudert, gibt's eben keine Grenzen mehr. Der sympathische Mittfünfziger hat eben nicht nur den Black Metal ins Leben gerufen, sondern auch sonst viel mitgemacht. Deshalb drehte sich der umfangreiche Talk auch um grunddiverse Themen wie brennende Kirchen, streunende Hunde, deutsche Techno-Päpste, mediale Schmutzwäsche und Probleme mit Filmen und Computerspielen.

Veröffentlicht am 24.02.2015

Mantas, deine Band MPIRE OF EVIL ist untrüglich mit dem Vermächtnis von VENOM verbunden. Wenn man auf eure Website geht, erscheint der Satz „Offizielle Website der VENOM-Legenden Mantas und Demolition Man“, euer Bandname war ursprünglich PRIME EVIL, benannt nach einem VENOM-Album und auf eurem letzten Album „Crucified“ sind neun von elf Songs Cover-Versionen. Ist es wirklich notwendig, sich so an die Vergangenheit anzubiedern?

Ich bin ein Gründungsmitglied von VENOM und komme ja sowieso nie davon los. Wir befinden uns total auf Augenhöhe mit unseren Fans und das Feedback, das ich höre, ist sensationell, es ist einfach unglaublich. Die Leute sagen, ohne mich gäbe es keinen extremen Metal und ich wäre eine Art Pate des Metal. Das ist schon wahnsinnig. All das ist so lange her, aber VENOM hat so starke Auswirkungen auf das Leben der Leute und Metal im Allgemeinen. Die Legende geht somit auch durch MPIRE OF EVIL. Wenn wir die Bühne betreten, schreien die Menschen nach VENOM-Songs. Wir haben uns selber lange überlegt, ob wir das tun sollen, aber ich habe diese verdammten Songs geschrieben, warum sollte ich sie also nicht spielen? Es macht Spaß, wir haben es noch drauf und die Leute sind begeistert. Wir haben natürlich unsere Legende, aber wir legen nicht unser ganzes Gewicht darauf. Und abseits von all dem arbeiten wir immer noch sehr hart. Dass wir für „Crucified“ die VENOM-Songs von Tonys Ära (Dolan aka Demolition Man – Anm. d. Verf.) covern, hängt mit der US-Tour 2012 zusammen, wo die Leute ganz euphorisch darauf reagierten.

Außerdem sind diese Alben derzeit nicht erhältlich, es gibt keine Neuauflagen. Die Leute hauen auf ebay dafür Unsummen raus, also warum hätten wir die Songs nicht nochmal aufnehmen sollen? Wir haben Listen angelegt und die neun Songs mischen sich aus unseren Favoriten und denen der Fans. Als wir uns durch das Material gearbeitet haben merkten wir, dass die Songs ohnehin nach MPIRE OF EVIL klingen. Auf das Album „Prime Evil“ bin ich immer noch stolz. Ich werde oft gefragt, was mein liebstes VENOM-Album ist. Also – aufgeschlüsselt: „Welcome To Hell“, „Black Metal“, „Prime Evil“ und „Resurrection“. Das sind meine vier absoluten Faves. Die anderen sind teilweise auch gut, aber nicht großartig.

Kann es nicht manchmal auch ein Fluch sein, dass du mehr als 30 Jahre später noch immer so stark mit legendären Alben wie „Black Metal“ oder „Welcome To Hell“ verbunden wirst?

Als Fluch würde ich das nicht bezeichnen. ACE FREHLEY kommt ja auch nie von KISS weg.

Dessen letztes Soloalbum war aber besser als die letzten paar von KISS.

Jap, das sehe ich genauso. Rob Halford hat auch FIGHT gemacht, war aber immer der Sänger von JUDAS PRIEST. Wenn du einmal in einer so „ikonischen“ und einflussreichen Band warst, dann kommst du da ohnehin nie mehr raus. Ich werde auch immer gefragt, was ich von den aktuellen VENOM halte. Diese VENOM existieren einzig und allein nur deshalb, weil ich Cronos die Erlaubnis gegeben habe, den Namen zu benutzen. Das war 2005. Meine Meinung dazu ist – es ist nur mehr der Name übrig. Nichts mehr. Ich bin Mantas, hatte eine Band namens DRYLL und jetzt MPIRE OF EVIL. Ich trage den Namen VENOM auch nicht vor mehr her spazieren. Das ist aber meine Meinung.

Du hast erst 2014 betont, dass es keinen Grund für dich gibt, mit Cronos zusammenzuarbeiten.

Nein, auf keinen Fall. Mich hatte das alte Management kontaktiert, weil es immer wieder Anfragen für eine Reunion gab. Meine Antwort war von vornherein: „Erstens glaube ich nicht, dass das passieren wird. Wir würden nicht mehr harmonieren. Wenn gewisse Leute aber bereit wären, ernsthaft darüber zu sprechen, dann lasst uns das machen“. Die Zeit verging also und die Gerüchte verstreuten sich selbstständig. Sogar bei MPIRE OF EVIL-Shows haben lokale Promoter nach VENOM-Reunions gefragt. Da war aber nie was spruchreif – auch die Fans drehten auf den Social-Media-Kanälen durch. Mit Abaddon habe ich seit 1988 nicht mehr gesprochen. Die einzigen, die das wirklich mache könnten wären ohnehin Cronos und ich. Eines Nachts habe ich ihm einfach eine freundliche E-Mail geschrieben – unterstrichen, was mir wichtig wäre und auch meine persönlichen Bedenken geäußert.

Die Antwort war auch sehr freundlich. Er wäre nicht mehr am Original-Line-Up interessiert, wir hätten viel Spaß gehabt, wären aber heute total unterschiedliche Persönlichkeiten und er beendete das Mail mit den besten Grüßen. Ich habe dann das Statement dazu veröffentlicht, dass die Reunion eben nicht passieren wird aus eben genannten Gründen. Ich habe ihm die Namensrechte ohnehin übergeben und mir stellt sich immer die Frage – interessiert die Menschen überhaupt diese Art von VENOM? Ich mache jedenfalls mit MPIRE OF EVIL weiter, der Rest ist mir egal.

Hast du es jemals bereut, dass du ihm die Namensrechte gebilligt hast?

Mittlerweile schon, ja. Und zwar deshalb, weil es viele Lügen und persönliche Attacken von Cronos über die Medien mir gegenüber gab. Alles absoluter Bullshit. Nach meinem Statement gab er ein paar Interviews und verstand nicht, warum er in dem Statement war. Was für eine dreiste Lüge. Aber die Leute lesen das und was sollen sie glauben? Die E-Mails habe ich, aber die Leute sehen das ja nicht. Er sagte Sachen wie ich wäre innerhalb von sechs Monaten aus 20 Bands geworfen worden. Was labert er da? Ich habe keine Ahnung, was sein verdammtes Problem ist. Er soll mit seiner scheiß Band weitermachen und mich mein Zeug machen lassen. Mich interessiert weder Cronos noch VENOM. Es ärgert mich einfach ungemein und zwar deshalb, weil ich VENOM 1986 aufgrund „musikalischer Differenzen“ erstmals verließ. Wenn die Leute wissen würden, warum ich wirklich ging, würden sie die Dinge aus einer ganz anderen Sichtweise sehen. Das kann ich garantieren. Meiner Meinung nach soll er einfach sein Zeug machen und ich mache meins. Aber er ist eine Pussy. Warum bin ich der, der hier sitzt und fast nie etwas dazu sagt?

Weil ich immer der ruhige von uns beiden war. Mir war das immer egal. Aber als ich dieses kindische Benehmen von einem Erwachsenen gesehen habe, hat es mir auch mal gereicht. Er will einfach die Geschichte VENOMs umschreiben. Er möchte mich und Abaddon aus der Band schreiben. Dabei war er der allerletzte, der in die Band kam. Aber das kann er nicht machen. Damit kommt er bei den echten Fans nicht auf. Auf der VENOM-Website hat er mittlerweile alle Spuren in die Vergangenheit verwischt – von mir oder Abbadon ist nichts zu sehen oder lesen. Mir ist das aber scheißegal. Es wäre aber an der Zeit, dass er einfach die Schnauze hält und jeder von uns sein Zeug macht. Wenn die Leute VENOM sehen wollen, gehen sie ohnehin dorthin. Das gleiche gilt für uns – und alle sind glücklich. Die Leute vergessen oft, dass ich Cronos schon seit mehr als 30 Jahren kenne. Ich weiß wer er ist und wie er tickt. Dass ich die Band insgesamt drei Mal verlassen habe, hatte nichts anderes als mit persönlichen Problemen zu tun.

Anfang der 80er-Jahre wart ihr bei VENOM die absoluten Elternschrecks. Ihr wart das gruseligste, das es damals gab und manche Eltern hätten ihre Kinder wohl gerne von euch weggesperrt. Wie siehst du das heute mit einem Abstand von fast 35 Jahren?

Wenn du heute zurückblickst, ist das natürlich arg. Die Zeiten haben sich gewaltig verändert und heute könnte man mit uns von damals keinen Hund mehr vor den Ofen locken. Wie willst du heute noch Leute schockieren? Schalte die Nachrichten ein und du siehst Bilder, die real und weitaus schockierender sind als alles, was eine Metalband je machen könnte. Natürlich wollten wir damals Leute schockieren, um Aufmerksamkeit zu lukrieren. Ich kann mich noch erinnern als Abaddon damals das VENOM-Logo mit dem Pentagramm zeichnete und vor den Drumriser gehängt hat. Ich habe immer nur Musik geschrieben und bin mit neuen Songs gekommen – die anderen waren für die Schockeffekte zuständig. Wir wollten jedenfalls alle Klischees erfüllen. Schneller, lauter, härter als alles, was es bis dahin gab. Wir wollten eine größere Bühnenshow als KISS haben, satanischer sein als BLACK SABBATH und mehr Leder tragen als JUDAS PRIEST. Wir wollten alles auf ein neues Level bringen. Aber es war nie groß geplant, wir haben es einfach immer gemacht. Genauso wie die Musik.

„Welcome To Hell“ und „Black Metal“ haben es in die „Hall Of Fame“ des „Decibel“-Magazins geschafft. Das waren wirklich bahnbrechende Alben. Oft haben mich Leute gefragt, wie wir den Sound hingekriegt haben. Keine Ahnung. (lacht) Wir haben einfach gerockt und das war’s. Sollten Cronos und Abaddon behaupten, wir hätten einen Plan gehabt, ist das jedenfalls absoluter Bullshit. Wir haben alles so laut aufgedreht wie möglich und haben gespielt – das war’s. Ich hatte eine gefälschte Flying-V, einen großen Marshall-Verstärker, noch einen, auf dem nichts oben stand und ein großes blaues Fuzz-Pedal. Mehr war nicht nötig. Alle Songs waren auf wuchtige Powerchords von mir aufgebaut und dann habe ich irgendwann die Pentatonik-Tonleiter erlernt. So schrieben VENOM ihre Songs. Der erste VENOM-Song war „Red Light Fever“. Die Leute wollen die Songs immer analysieren. Scheiß drauf. Es war einfach basischer Rock’n’Roll mit ein paar Blues-Riffs und –Licks.

War das Image für euch damals wichtiger als die Musik selbst?

Das Image war schon wichtig, es hat sicher viele Leute dazu gebracht, sich VENOM überhaupt anzuhören. Das erinnert mich immer an meine Kindheit als ich mit meiner Mom einkaufen war und wir im Plattenladen landeten. Ich stöberte durch die Platten und plötzlich sah ich dieses „Ding“, das mich völlig irritierte. Es war die „Alive“ von KISS. So etwas hatte ich noch nie gesehen und als ich das Cover sah wollte ich unbedingt wissen, wie die Band dahinter klingt. Mir war das damals zu teuer, so hatte ich mir „Hotter Than Hell“ gekauft – da waren die gleichen Kreaturen oben. Und jetzt stell dir vor, du bist ein Kid, gehst in den Laden und siehst vorne das Pentagramm auf „Welcome To Hell“ und hinten oben drei abstruse und einschüchternde Charaktere. Wir haben nur gepost auf dem Album und das hat Leute dazu gebracht, uns zu hören. Die Musik war mir natürlich immer am wichtigsten. Mir ging es immer um gute Riffs und Refrains – ich komme ja aus der PRIEST-Ecke und die hatten auch immer fette Riffs. So definierte sich auch VENOM. Wir haben die Tür für viele Bands geöffnet, aber Bands wie KISS, JUDAS PRIEST, BLACK SABBATH oder MOTÖRHEAD haben uns die Tür geöffnet.

Wir haben dann auch versucht, dreckiger, schneller und lauter als unsere Faves zu sein. Und das hat sich natürlich auch nach uns so gezogen. Das ist doch großartig. Ohne Evolution würde alles aussterben. Viele dachten auch, wir wären so eine Art „Overnight-Sensation“, aber mittlerweile haben wir jeden „Test of Time“ souverän bestanden. Das ist das Besonderen an den VENOM-Alben. Wenn du die Produktion mal beiseiteschiebst, sind die Songs immer noch großartig. Noch heute. Wir haben zuletzt einige Gigs mit „Countess Bathory“ beendet und die Leute sind ausgeflippt. Der Song ist ca. 32 Jahre alt – das ist wirklich ein Vermächtnis, das wir überlassen haben. So wie das Intro von PRIESTs „Victims Of Changes“. Unsterblich. Ich liebe zum Beispiel die ganz frühen KISS oder ganz alte PRIEST. Das ist unerreichbar. Ich kann also verstehen, welchen Effekt solche Songs auf jemanden haben. Und VENOM haben es geschafft, diesen Effekt auf andere Leute zu projizieren.

Hattet ihr damals auch mit verängstigten oder schockierten Eltern, Lehrern oder Priestern zu tun?

Wir hatten damals Stress mit so einer Elternorganisation, aber mir war das immer egal. Ich habe aber viele Geschichten von Fans gehört. Viele Mütter haben „Welcome To Hell“ gefunden und in den Müll geworfen. Aber das hat doch jede Generation. Erinnere dich an ELVIS PRESLEY. Seine erste TV-Aufzeichnung musste storniert werden, weil sie sexuell zu anzüglich war. Der Typ tanzte ja eigentlich nur. So hat sich das immer weitergedreht – das gab es jedes Jahrzehnt. THE BEATLES, BLACK SABBATH, alle. Alle schockierten sie ihre Generation. Das war doch ganz normal. Ende der 70er-Jahre war das Punk. Ich weiß noch, wie Johnny Rotten bei so einer Mainstream-TV-Ausstrahlung fluchte und schimpfte. Die Menschheit wurde im Laufe der Zeit nur immer stärker entsensibilisiert.

Mit dem Album „Black Metal“ habt ihr ein ganzes Genre begründet. Hast du das in Zeiten der Kirchenverbrennungen in Norwegen einmal bereut? Hättest du gedacht, dass Black Metal je so weit gehen könnte?

Das hat mich persönlich nicht betroffen, weil es auch absolut nichts mit Musik zu tun hatte. VENOM hatten immer eine kranke Art von Humor und viele Leute haben das nicht verstanden. Wir waren ja gar nicht immer satanisch. Auf „Welcome To Hell“ gab es Songs wie „Schizo“ oder „Poison“ – die hatten nichts mit Satanismus zu tun. Selbst auf „Black Metal“ war ein Song wie „Teacher’s Pet“ – ein reiner Blues-Song. Wir hatten aber nicht zu einer Sekunde in keinem Song eine klare Botschaft. Das oblag immer dem Hörer – jeder kann das anders interpretieren. Auf meinem „Zero Tolerance“-Album war ein Song namens „Kill It“, der sich nur offensichtlich um Mord drehte, aber eigentlich nur ein Anti-Jagd-Song war.

Ich bin mir sicher, du hast die Bilder in den Medien gesehen, die TED NUGENT und KID ROCK mit einem geschossenen Puma zeigen.

Klar, wenn ich dieses Arschloch einmal treffe, dann schlag ich ihm direkt in seine verdammte Fresse. Was ist das für ein verfickter Held? Der Song „Kill It“ bringt es ohnehin gut auf den Punkt. Wenn du einen hungrigen Mann und einen hungrigen Tiger in einen Raum sperrst, was willst du dann mit deiner ganzen Kohle auf der Bank? Leg deine scheiß Waffe nieder und kämpfe mit deinen Waffen. Mit den Fäusten. Du siehst das ja in den YouTube-Videos, wie die Tiger diese beschissenen Jäger oft zerfleischen. Mit jemanden, der so ein Tier aus einer halben Meile Entfernung kaltblütig erschießt, kann ich kein Mitleid haben. Fick diese Idioten.

Noch mal zu den Kirchenbränden. Wurdet ihr als VENOM da nie missinterpretiert? Kamen die Medien nicht auf euch zu als Black-Metal-Urheber?

Oh doch, klar bekamen wir viele Fragen dazu. Aber was sollten wir sagen? Vor langer Zeit in einer kleinen englischen Stadt, an einem Sonntagmorgen hat dort jeder die typischen Sonntagsarbeiten gemacht, wie Autowaschen oder im Garten arbeiten oder so etwas. Plötzlich betrat ein uniformierter Typ die Siedlung und hat einfach angefangen, auf die Leute zu schießen. Das allererste, dem sie damals die Schuld geben, war ein Rambo-Film. Wie viele Millionen Menschen haben Rambo gesehen und nichts gemacht? Ich habe die allerärgsten Horrorfilme gesehen und keinen geschlachtet. Oder Computerspiele. Ich hatte mal eine Phase, in der ich das ziemlich brutale „Manhunt“ gespielt habe. Den zweiten Teil haben sie damals für einige Zeit sogar verboten. Ich war damals extrem süchtig nach dem Spiel, bin aber trotzdem nicht nach draußen gegangen und habe Menschen mit Plastiksäcken erstickt. Man braucht immer einen Verantwortlichen. Mein Verständnis dieser Vorfälle über Norwegen war immer der, dass die Jungs einfach ihrer paganen Lebensstil durchsetzen wollten. Das war natürlich falsch, aber mich interessiert Religion auch nicht wirklich.

Ich denke aber auch, dass es da eher um Teenies ging, die nicht in erster Linie auf die Religion schauten, sondern sich einfach gegenseitig beweisen wollten. Wer ist böser?

Das kann gut sein, so sind Kids nun einmal, nur das es dort natürlich eskaliert ist. Ich habe auch „Lords Of Chaos“ gelesen und all das hat überhaupt nichts mit der Musik zu tun. Für mich geht es aber nur um Musik und das Kreativsein – alles andere ist mir egal und hat nichts mit mir zu tun.

Kommen wir jetzt zu MPIRE OF EVIL. Du hast die Truppe 2010 gegründet und auf der EP „Creatures Of The Black“ waren eine Menge Cover-Songs zu hören. Wolltest du anfänglich eine Art Cover-Band machen?

Nein, das auf keinen Fall. Es ging uns eher darum zu sagen: „Schaut her, von dort kommen wir“. Es gab auch wie selbstgeschriebene Songs und du sie sollten sagen: „Und dort gehen wir hin“. So war das Konzept zu dieser EP gedacht. Jeder von uns drei konnte sich eine Band aussuchen und so blieben JUDAS PRIEST, AC/DC und MOTÖRHEAD für die Cover-Versionen übrig. Und auf KISS konnten wir uns alle einigen. „God Of Thunder“ hatten wir schon ganz früh mit VENOM gecovert. Für uns war das quasi das Zeigen unseres Vermächtnisses.

Du hast zuvor schon betont, dass VENOM ohne all die Gründungsmitglieder nicht mehr VENOM ist. Sind KISS für dich KISS ohne Ace Frehley und Peter Criss?

Nein. Ich habe mir bislang eine KISS-Show mit dem gegenwärtigen Line-Up angesehen. Sie waren technisch ganz gut, aber es ist nicht KISS. Direkt vergleichen kann man das aber nicht, denn mit Paul Stanley und Gene Simmons sind die treibenden Kräfte schon noch an Bord. Ob du sie magst oder nicht, diese zwei sind das Rückgrat, der Motor von KISS. Das ist wie bei QUEEN. Ich habe mir das Konzert mit Brian May, Roger Taylor und Adam Lambert am Neujahrstag mit meiner Freundin, die ein Fan ist, angesehen. Sie fand es großartig. Die Songs klangen super, alles super produziert, aber Freddie fehlte nun einmal. Ich kann aber nicht verstehen, wenn sich die Leute dort aufregen. Warum geht ihr dann zu der QUEEN-Show? Dann bleibt zuhause. Ich respektiere John Deacon, dass er ohne Freddie nicht weitermachen will, aber andererseits obliegt es ihnen, ob sie weitermachen oder nicht. Sie wollen raus, ihre Songs spielen und sie haben Spaß auf der Bühne.

Um Geld geht es dort nicht mehr – sie haben ja genug Kohle. Das ist bei den STONES dasselbe. Das passiert aus Liebe zur Musik. Das ist natürlich eine luxuriöse Situation. Man muss sowas als Fan auch mal akzeptieren. FREHLEY hat sich dazu entschlossen, seine eigene Karriere zu pushen und er macht das momentan verdammt erfolgreich und gut. KISS sind auch noch da und es ist Platz für alle. Damit sollte ja jeder glücklich sein. Warum dann die Maulerei? Da gibt es schon Parallelen zu VENOM und KISS. Ganz eindeutig. Das letzte ACE FREHLEY-Album klang mehr nach KISS als KISS selbst. Vielleicht fragen Paul und Gene doch irgendwann Ace, ob sie zu seiner Band dürfen. (lacht)

Was denkst du darüber, dass Simmons einmal gesagt hat, KISS würde auch ohne die derzeitigen Mitglieder weiterleben, weil sich die Mitglieder sowieso unter der Maske verstecken können?

Da geht es rein um die Kohle. Ich verstehe was er damit meint, er stellt die Band über die Mitglieder und will sie zu etwas Überlebensgroßen machen. Das könnte durchaus funktionieren, aber werden es die KISS-Fans akzeptieren? Es gibt doch schon so viele hervorragende KISS-Tribute-Bands da draußen. Diese Band wäre ja dann auch nichts mehr anderes. In England gibt es zum Beispiel eine hervorragende Tribute-Band namens DRESSED TO KILL. Sie haben die Erlaubnis von Stanley und Simmons als KISS-Band bekommen. Was machen die dann? Wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Aus. Man muss nicht immer alles künstlich am Leben erhalten. Kohle haben sie ohnehin genug. Allein durch das Merchandise und die Tantiemen sind sie unsterblich.

Komm schon Gene, du hast so viel Kohle. Lass es gut sein. Ich respektiere ihn als Geschäftsmann, aber er ist schon extrem gierig. Andererseits hat er wirklich hart dafür gearbeitet und ist auch mehrmals auf die Nase gefallen. Ich verstehe die Menschen nicht, die ihn dauernd kritisieren. Welchen Lifestyle wollt ihr? Euren, der sich aus 9 Stunden am Fließband stehen ergibt, oder den von Gene? Ich wüsste jedenfalls, was ich wählen würde. (lacht) Ein Musiker muss nicht immer arm und hungrig sein. Wir machen einen Job wie alle anderen auch und wollen dementsprechend bezahlt werden.

Bei MPIRE OF EVIL hattet ihr schon unzählige Drummer-Wechsel. Was ist da los?

Derzeit haben wir Francesco La Rosa am Sessel. Er ist auch Drummer bei EXTREMA und vielen anderen. Er hilft immer dann aus, wenn wir ihn brauchen, momentan nimmt er mit uns aber auch das neue Album auf. Tony und ich sind seit 30 Jahren in verschiedenen Bands zusammen und jetzt haben wir erstmals wirklich alles zusammen in der Hand. Genau so wollen wir das und das ist auch am besten für uns. Ich bin noch immer in Kontakt mit ex-Drummer Marc Jackson, er ist nach wie vor ein guter Freund und ein fantastischer Drummer. Wer weiß? Vielleicht kommt auch er wieder mal zurück. Tony und ich wussten aber, dass wir nach vorne müssen.

Im Internet habt ihr selber schon das nächste Studioalbum „Unleashed“ angekündigt. Wann kommt es denn jetzt?

Die Gitarrenspuren und Soli sind alle eingespielt – sogar in verschiedenen Arten. Wir schreiben derzeit noch an den Lyrics und wenn die Tour vorbei ist, wird Francesco die Drumspuren in Italien einspielen. Dann werden Tony und ich zusammenkommen, um seine Gesangs- und Bassspuren einzuspielen. Wir werden uns aber die nötige Zeit nehmen, denn bislang haben wir 14 Songs geschrieben. Ich bin wirklich glücklich mit ihnen. Es scheint so, als ob es eines dieser Alben wäre, wo alles perfekt passt und wie von selbst geht. Schon der Titeltrack, den ich erst unlängst finalisiert habe, hat mich selber wirklich beeindruckt. „Preacher Man“, „Holy Water“, „Cold“ oder „Dein Fleisch – es wird viele großartige Songs geben. Auf meinem Laptop hab ich alle Titel.

„Dein Fleisch“? Warum der deutsche Titel?

Ein wirklich dunkler Song. (lacht) Mehr sag ich dazu noch nicht. Wir wollten keinesfalls einen Schnellschuss fabrizieren und unsere Freunde mit halbfertigen Songideen zumüllen. Die finale Produktion will ich mit einem Freund von mir in Deutschland machen. Das Material ist einfach zu gut, um jetzt unnötig Stress zu machen. Klar, ich bekomme viele Nachrichten von Fans, die es kaum mehr erwarten können, dass das Teil rauskommt. Aber Leute wartet – ihr werdet es keinesfalls bereuen. Es gibt schon Teile, die sich direkt auf unser Debüt „Hell To Holy“ festhalten, aber das Material hat sich stark entwickelt. Bei MPIRE OF EVIL haben wir keine Grenzen, das ist schön. Es ist verdammter Heavy Metal und da kann durchaus Thrash, Black oder Death drin sein. Keine Limitierungen. Außerdem haben manche Songs die größten, dreckigsten Blues-Grooves im Drop-D-Soundgewand.

Es gibt ja auch Gerüchte, dass du nebenbei noch ein Blues-Album veröffentlichen möchtest.

Ja, das stimmt auf jeden Fall. Ich habe da ein Projekt mit einem Freund von mir aus England. Er heißt Gordon Atkinson und ist eigentlich Abaddons Drum-Roadie. Wir haben den Kontakt niemals verloren und zusammen Martial Arts gemacht. Irgendwann 2006/2007 besuchte er mich und zeigte mir seine großartige Blues-Stimme. Da war für mich klar, dass wir was machen sollten. Zudem kann er wirklich großartige Texte schreiben, ist ein begnadeter Geschichtenerzähler. Wir haben also zehn Songs geschrieben, die ziemlich nahe am Classic Rock sind, aber auch Blues-Elemente beinhalten. Ich werde auf jeden Fall auch Akustik-Blues in das Album integrieren, aber gesamt wird es schon heavy klingen. Ich liebe diese schwermütigen Southern-Rock-Blues.

Wann wirst du das Teil veröffentlichen?

Gute Frage, heuer sind wir schon stark mit MPIRE OF EVIL beschäftigt. Es wird wohl eher 2016 sein. Außerdem werde ich DRYLL mit einem anderen Line-Up aktivieren. Es werden lauter Freunde aus Deutschland von mir dort mitmachen, auch das braucht natürlich Zeit. Außerdem bin ich selber mit meiner Freundin nach Portugal gezogen. Wir helfen dort streunenden Hunden und das ganze Projekt ist komplett von portugiesischen Freunden finanziert. Meine Freundin schaut derzeit auf 120 Hunde und sorgt sich um sie. Sie liebt Tiere, insofern ist das logisch. Langweilig wird es mir derzeit also nirgends. Wenn ihr euch dafür interessiert – es gibt einen Link auf meiner Website, ihr könnt dieses Projekt dort gerne unterstützen. Ich kenne mich ja nur bei Musik aus und bin froh, dass ich hier auch in anderer Richtung was Sinnvolles machen kann.

Wenn ich zwei Wünsche frei hätte, wäre es folgende. 1. Ich werde der beste Gitarrist, den die Welt jemals gesehen hat. 2. Ich werde der beste Songwriter, den die Welt je gesehen hat. Müsste ich mich entscheiden, würde ich den Songwriter-Wunsch nehmen. Nur der Songwriter dringt in die Herzen der Menschen vor, weil er einfach das wichtigste Talent im Musikgeschäft hat. Denk nur mal an „Jump“ von VAN HALEN. Ich war 1984 gerade auf einer Rückbank eines Auto auf dem Weg zu einem Konzert als ich ihn das erste Mal hörte. Was für ein Hit – da passt einfach alles. Die Gitarre ist darin auch perfekt. KISS sind sicher auch nicht die besten Musiker der Welt, aber die Songs sind unsterblich. Oder auch AC/DC – unglaublich, jeder liebt es, jeder kennt es. 250.000 Menschen stehen vor Angus Young und er haut einfach ein biederes, einfaches Riff raus und alle flippen aus. E, G und D – drei verdammte Akkorde und alle drehen durch. Das ist ein Song – es geht nicht um drei Millionen runtergewixte Soli. Es geht um das Feeling.

Tony und du sind ja auch privat die besten Kumpels. Kann das nicht schwierig sein, wenn es um geschäftliche Prozesse und Entscheidungen geht?

Wir waren uns niemals wirklich arg uneinig. Die einzigen Dinge, die Tony und ich mich zwischendurch mal auseinandergebracht haben, waren die Entscheidungen anderer Menschen. Tony war in VENON und dann kurz in meiner MANTAS-Band. Da krachte es nur, weil Dritte einen Keil zwischen uns trieben. Als wir 1992 beide bei VENOM ausgestiegen sind, sahen wir uns bei einem Konzert in die Augen, wussten was zu tun ist und kamen nicht mehr zurück. Leute im Bandumkreis sagten, wir können das nicht tun, aber es war notwendig. Die Lage bei VENOM war damals einfach scheiße. Jetzt sind wir bei MPIRE OF EVIL wieder zusammen und alles passt bestens. Wir sind beide vielleicht kleine Kontrollfreaks, aber schauen auf uns beide und wollen nur das Beste für uns und die Band. Tony wurde unlängst 51 – wir sind in einem Alter, wo wir auch mal „nein“ sagen, wenn wir nicht wollen. Diese Freiheit nehmen wir uns jetzt. Wir lieben auch meist auf gleicher Wellenlänge, auch wenn es um das Songwriting geht. Auf Tour hängen wir 24 Stunden am Tag zusammen, aber wir geben uns genug Freiheiten und wissen, wann es wem auch mal reicht. Das ist auf Tour unbezahlbar.

2006 hast du mit den deutschen Techno-Pionieren Scooter eine Tour gespielt. Wie ist es denn bitte dazu gekommen?

(lacht) Viele Leute haben sich damals enttäuscht abgewendet. Aber ich sag dir eines dazu: Es ist mein Leben und meine Entscheidung und ich mache was ich will. Das war damals so lustig, so viel Spaß hatte ich auf Tour in meinem ganzen Leben nur sehr selten. Meine damalige Band DRYLL war gerade ziemlich aktiv, ich war viel unterwegs und wir hatten ein deutsches Management. Einmal riefen sie mich an, wir quatschten über DRYLL und plötzlich kamen sie am Ende mit der SCOOTER-Anfrage. Die wollten einen Heavy-Metal-Gitarristen für die Tour. Ich kannte die Jungs ja gar nicht. H.P. Baxxter, der ein riesengroßer Rock-Fan ist, wollte mich unbedingt haben. Ich habe ihn damals schon gefragt, was denn in der musikalischen Entwicklung daneben ging, dass er zum Techno-Papst wurde. (lacht) Er ist ein großartiger Kerl und sehr passioniert wenn es um Musik geht. Sein Kollege Rick war großer IRON MAIDEN und Jay, der damals auch in der Band war erzählte mir, dass er als Schüler in einer METALLICA-Coverband war. Wer rechnet denn bitte damit? H.P. tourt jedes Jahr anders und damals wollte er eben die Live-Gitarre. Es waren dann ja nur ein paar Songs wie „Fire“, „Faster Harder Scooter“ und noch ein paar. Anfangs hab ich mir die Songs angehört und war mir nicht sicher, ob das mit mir gut kombinieren würde. (lacht) Lustige Nebenanekdote – mein Gitarrentechniker hatte den Song vor meinen Shows oft gehört und ich hab ihm immer gesagt, er soll die Scheiße ausmachen. Ein paar Jahre später spiel ich den verdammten Song selbst. (lacht)

Für mich war nur wichtig, dass die Gitarre nach Metal klingt – sonst hätte ich es nicht gemacht. Die SCOOTER-Jungs waren begeistert und das hat mich noch mehr überrascht. Metal-Freunde von mir haben mich sogar unterstützt, weil ich lange gezweifelt habe. Irgendwann war klar, dass ich den Job annehme. Wir haben dann anfangs in Hamburg geprobt und hatten eine TV-Aufzeichnung. Es war so witzig – meine Gitarre sprühte Feuer und alles war so ungezwungen und frisch. Die Crew war fantastisch, die Band nett und zuvorkommend. Ich kann mich an die Show im Wiener Gasometer erinnern -die Lichtshow war so unglaublich und wir hatten so viel Spaß. Nach der Tour hatten die Jungs eine Party, ich wollte gar nicht in den Hamburger Club, ließ mich dann aber überreden. H.P. war so warmherzig, er bedankte sich für die großartige Tour und Rick sagte zu mir, dass die Festivals 2007 ohne mich nicht mehr dieselben sein würden. Also habe ich die Festivals mitgespielt – am Ende waren wir in einem Fußballstadion in der Mongolei. Das Jahr war wirklich verrückt. SCOOTER machen nicht meine Art von Musik, aber sie sind genauso passioniert am Werk wie wir. Auch ihre Fans haben eine Leidenschaft, die seinesgleichen sucht.

Gerade das Publikum muss für dich eine ganz neue Welt gewesen sein.

Ich habe einfach meine Eier eingeklemmt, bin auf die Bühne gegangen und habe geschaut was passiert. Ich habe H.P. schon am Anfang gesagt – wenn das erste Konzert in die Binsen geht und die Leute mich hassen, schnappe ich mir ein Flugticket und gehe nach Hause. Er hat das verstanden. Ganz simpel, aber notwendig. Dass es dann aber so gut funktioniert hat, war ein Wahnsinn. Auch wenn die Konstellation so niemals mehr passieren wird.

Die Geschichte lehrt uns – sag niemals nie!

Ich habe die Jungs schon noch ein paar Mal getroffen, öfters auch in meiner Heimatstadt Newcastle, wenn sie dort gespielt haben. Das Line-Up hat sich öfters bei SCOOTER genossen, aber diese große vereinte Crew-Familie ist fast noch immer die gleiche. Was hat H.P. jetzt immer getrieben? Der war doch bei „X-Factor“ oder so etwas ähnlichem. Oder diese Werbung im Supermarkt – der Typ ist einfach irre. (lacht) Weißt du was irre war – mit jeder Nacht, in der ich mit ihnen spielte, wurden mir mehr und mehr Teufelshörner entgegengestreckt. Ich habe die Leute wohl erzogen. (lacht) Ich war schon damals überrascht, wie viele Metalheads auf diese Band standen. Gerade in den deutschsprachigen Ländern – die sind ein Phänomen. Ich war auch überrascht, wie gut mich die Menschen akzeptierten. Es war einfach eine großartige Zeit. Jetzt will ich nur mehr einen Job bei RAMMSTEIN. (lacht)


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