Interview: NIVLHEL - Fjalar, Isar

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Jeder hat die Wahl und auch die Kraft, sich selbst zu befreien von diesem grundverkehrten Lebensstil.

NIVLHELs selbstbetiteltes Debüt ist zwar schon im letzten Sommer erschienen, aber dennoch würdig, dass man es auch ein Dreivierteljahr später noch erwähnt – die Scheibe ist ein wunderschönes Beispiel für folkigen, typisch schwedischen Black Metal, wie man ihn selten genug hört. Anlässlich des bevorstehenden Livedebüts der Band auf dem Dark Troll-Festival im Mai konnte Stormbringer eine warm angezogene Brieftaube ins lappländische Skellefteå zu den beiden Eisdämonen Fjalar und Isar schicken. Unter anderem konnten wir klären, was man unter der Dusche singen sollte und welche schwedischen Bands zu wenige Leute kennen.

Veröffentlicht am 01.04.2015

Zunächst: Auch über ein halbes Jahr nach seiner Veröffentlichung ist „Nivlhel“ ein tolles Album, Gratulation! Wahrscheinlich ist es das am schwedischsten klingende Album, das ich seit ewiger Zeit gehört habe. Was macht eine Band bzw. ihren Sound eigentlich schwedisch? Sind NIVLHEL so eine typisch schwedische Band?

Danke! Wir sind sehr stolz auf das Resultat. Wir zielen nicht darauf ab, schwedisch zu klingen, sondern darauf, unseren eigenen Sound zu formen und der musikalische und lyrische Ausdruck auf dem NIVLHEL-Album ist ein Spiegel unserer Seelen und unseres Geistes. Vielleicht gibt es so etwas wie einen typisch schwedischen Sound, aber das kümmert uns nicht groß. Bands aus Skandinavien leben in ähnlichen Umgebungen und Landschaften und haben zudem oft mit denselben Problemen zu kämpfen, was Religion und moderne Werte sowie deren Einfluss auf die Einwohner Skandinaviens angeht. Möglicherweise hat deshalb die Seele des Black Metal ihren ureigenen Sound, wie er eben aus den nördlichen Domänen geliefert wird.

„Nivlhel“ scheint ein Kompositum aus zwei Begriffen aus der nordischen Mythologie zu sein – einmal Nivl bzw. Nifel und Hel, was zusammen etwas wie „Nebelhölle“ bedeuten müsste.

Nivlhel, der Nebel zwischen Nifelheim und Hel, ist ein Ort des Leids zwischen dem Königreich des Todes und dem majestätischen Eisland – der perfekte Platz und der perfekte Name, um unsere Musik und unsere lyrischen Themen zu beschreiben.

Aus irgendeinem Grund sind die elf Songs eures Albums mit „Vrede“ bezeichnet und mit lateinischen Zahlen durchnummeriert. Hätte das Album „Vrede“ heißen sollen? Und warum zur Nebelhölle sind die Songs dann nicht wenigstens in der Nummern-Reihenfolge auf dem Album?

Nein, „Vrede“ war nicht der Arbeitstitel, sondern „Nivlhel“. „Vrede“ ist ein Wort, das unsere Musik und unsere Texte gut zusammenfasst. („Vrede“ heißt Streit - Anm. d. Red.) Die Songs haben Nummern in chronologischer Reihenfolge bekommen, aber es gab keinen vernünftigen Grund, sie auch in dieser Reihenfolge auf das Album zu stellen. Die Platzierung ist der effektivste Weg die Hörer zu packen und mitzunehmen auf unsere Reise der Erleuchtung.

Leider sind in der Digipak-Version des Albums keine Texte abgedruckt. Sofern ich das heraushören kann, sind sie ausschließlich auf Schwedisch.

Ja, alle Texte sind auf Schwedisch verfasst und so wird das auch bleiben. Sie enthalten starke Kritik an der modernen Gesellschaft und wir verstärken diese Kritik, indem wir unsere alte Kultur erhöhen. Es ist Zeit aufzuwachen und der grauen Masse und ihren Anführern entgegenzustehen. Jeder hat die Wahl und auch die Kraft, sich selbst zu befreien von diesem grundverkehrten Lebensstil.

Einheit Produktionen waren so nett, mir mit dem Album ein T-Shirt von euch zu schicken. Was hat das Frontmotiv zu bedeuten? Eine Midgard-Schlange?

Ja, das ist Jörmundgandr, neben anderen Symbolen unserer alten Kultur. Wer Interesse an unserer Arbeit zeigt, kann das Shirt sicherlich relativ leicht interpretieren.

Seid ihr Musiker, die jede technische Möglichkeit zur Verbesserung einer Albumproduktion nutzen, oder folgt ihr einer Art Old-School-Kodex (zum Beispiel keine digitalen Produktionsmöglichkeiten zu nutzen, nur First Takes auf 8-Spur-Rekordern usw.)?

Wir haben eine sehr genaue Vorstellung davon, wie wir unsere Musik produzieren wollen. Das Wichtigste ist, dass der Sound wiedererkennbar, eigenständig und lebendig ist. Es gibt Black Metal, der rohe Aufnahmen braucht, um sein ganzes Potential zu entfalten und anderer Black Metal wiederum kann in eine sehr teure und technische Produktion gepackt werden und immer noch großartig klingen. Was zählt ist das Songwriting und es gibt eine Menge sehr seelenloser Musik, die dann von dicken Produktionen und viel Make-Up verschleiert wird. Wir haben eine gute Balance gefunden mit der Art und Weise wie wir produzieren und werden das auch beibehalten.

Das Album (ähnlich wie das Demo, das ja übrigens als MLP im Mai wiederveröffentlicht wird) klingt für mich sehr organisch, auch wenn die Drums einen – allerdings perfekt – programmierten Eindruck machen, und die Gitarren wohl nicht mit echten Amps entstanden sind. Welches Equipment nutzt ihr, um den typischen Melodic-Black-Metal-Sound zu erreichen?

Zunächst mal sind die Drums nicht programmiert! Sie sind sogar sehr real und wir würden nicht einmal im Traum daran denken, ein programmiertes Schlagzeug zu nutzen! Wenn man sich das Album näher anhört, kann man den sehr wiedererkennbaren Drumstil von Fjalar auch hören. Welches Equipment wir genutzt haben, ist etwas, das wir nicht mit der Öffentlichkeit teilen.

Auf der Suche nach Neuigkeiten über euch bin ich um den Albumrelease meist enttäuscht worden, denn eure Internetpräsenzen sind relativ basal gehalten. Seid ihr keine Freunde davon, Social-Media-Kanäle zur Bewerbung einer neuen Band zu nutzen?

Wir hatten das Album damals gerade erst veröffentlicht und beantworteten eine Menge Interviews und wir planen mit der Band ein Jahr im Voraus. Unsere Internetpräsenz wird zukünftig sicherlich noch zunehmen.

Ihr habt einige eher untypische Einflüsse auf eurem Album verarbeitet, wie wirklich bewegende Klargesänge, ein kurzes Drumsolo und einige eher thrashige und fast rockige Parts. Wer hat euch da beeinflusst?

Es ist immer schwer, bei so etwas Namen zu nennen, weil Einflüsse für gewöhnlich nichts sind, an das man denkt wenn man Musik schreibt. Das liegt in einer Mixtur irgendwo im Kopf herum wenn man komponiert. Die kompositorische Vielfalt ist sehr breitgefächert und wir sind beim Schreiben unserer Songs in keinster Weise eingeschränkt.

Die große Pagan-Metal-Welle scheint vorbei zu sein. Hat euch dieses Genre in irgendeiner Art interessiert? Sehr ihr große Unterschiede zwischen Black-, Pagan- und Viking Metal (in Reviews werdet ihr mit allen drei Genres bezeichnet)?

Wir würden sagen, dass wir in alle drei dieser Genres einsortiert werden, zeigt, dass unser Sound ziemlich eigen sind. Jede Musik hat ihre Zeit, aber das kümmert uns eigentlich nicht. Wir folgen ja nicht irgendwelchen Trends oder verbringen unsere Zeit damit, uns oder andere Bands in irgendwelche Genreschubladen einzusortieren. Das sollen die Rezensenten machen. Unsere Musik wird diejenigen erreichen, die eigenständige Musik mit bedeutsamem Inhalt schätzen und das zählt.

Schweden ist dieser Tage vor allem für orthodox-satanische Bands bekannt, wenn es um Black Metal geht. Die meisten großen schwedischen Bands des Genres sind entweder tot (wie DISSECTION), haben nicht mehr dieselbe Reichweite wie in den 90er-Jahren (wie NAGLFAR oder LORD BELIAL), möchten ohnehin nur in exklusiven Zirkeln bekannt sein (wie STILLA oder DRÅPSNATT aus eurer Nachbarschaft), oder versuchen, für eine größere Masse attraktiv zu sein (wie WATAIN). Gibt es noch Juwelen, die Zentraleuropa übersehen hat?

Schweden hat eine Menge toller Künstler zu bieten, die noch nicht von besonders vielen Hörern entdeckt worden sind. ARCKANUM zum Beispiel. Das letzte Album „Fenris Kindir“ ist ein Meisterwerk und sollte von viel mehr Leuten beachtet werden. Andere epische Alben, die man mal antesten sollte, sind zum Beispiel SORHINs „Apokalypsens Ängel“ und SVARTSYNs „Destruction Of Man“.

Ihr werdet Mitte Mai zuerst im Berliner Blackland und dann auf dem Dark-Troll-Festival das erste Mal in Deutschland und generell live spielen.

Ja, das Live-Line-Up ist bereits fix (Isar – Vocals, Fjalar – Drums, Narstrand – Guitar, S.I – Guitar, Gangleri – Bass; Anm. d. Red.) und wir haben auch schon vor langer Zeit mit den Proben begonnen. Wir werden unserem zukünftigen Publikum eine denkwürdige Show bieten, das können wir schon versprechen.

Fjalar, du hast mit ISTAPP eine zweite Band, die NIVLHEL musikalisch nicht unähnlich ist. Warum dann noch NIVLHEL? Was unterscheidet beide Bands so signifikant voneinander?

Isar ist übrigens nun auch Teil von ISTAPP, als Sänger. Es gibt große Unterschiede zwischen beiden Bands, musikalisch und auch lyrisch. Isar schreibt beispielsweise das NIVLHEL-Material und ich alles für ISTAPP. Was sicherlich ähnlich sein mag, sind unsere Instrumente und wir als Musiker, die den Songs natürlich ihren Stempel aufdrücken.

ISTAPPSs „Blekinge“-Album ist für mich ein unbekannter Black-Metal-Klassiker, ein unfassbar gutes Album mit sensationellen Ohrwürmen, die ich immer wieder gerne unter der Dusche zum Besten gebe (für „I Väntan På Den Absoluta Nollpunkten“ sollte man euch strafen..). Mit ISTAPP geht es auch weiter?

Bevor wir das NIVLHEL-Album aufgenommen haben, hatten wir bereits ein neues ISTAPP-Album fertig produziert. Wir haben einen Deal mit Trollzorn Records aus Deutschland unterschrieben, wo das Album erscheinen wird. Du siehst also, beide Bands funktionieren unabhängig voneinander.

Vielen Dank für eure Zeit und die Mühe. Zum Ende, empfehlt mir doch bitte a) eine typisch schwedische Spezialität, die ich mal probieren sollte, b) ein leckeres schwedisches Bier, c) einen Ort, den ich zwingend besuchen sollte, wenn ich in Schweden bin, und d) ein Album, das 2014 erschienen ist und das ich mir auf keinen Fall anhören sollte.

a) Kroppkaka (ein schwedischer Knödel)
b) Pripps blå
c) Alle antiken Stätten von Blekinge
d) Jedes außer unserem


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