Interview: Motörhead - Mikkey Dee

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Natürlich werde ich noch Zeit brauchen um das Album einordnen zu können, aber eines weiß ich jetzt schon: Es ist ein verdammt gutes Album geworden.

Mit „Bad Magic“ steht das 22. Studioalbum von MOTÖRHEAD an und man darf gut und gerne behaupten, dass es eines der schnellsten und auch aggressivsten Alben der langen Bandgeschichte geworden ist. Drummer Mikkey Dee stellte sich Anfang Juli im ungarischen Sopron nach einem wirklich bemerkenswerten MOTÖRHEAD-Auftritt beim Volt-Festival unseren Fragen.

Text: Reini
Veröffentlicht am 19.08.2015

Mikkey, glaubt man den Presseinformationen, dann ist euer neues Album „Bad Magic“ ein komplett spontanes geworden, das erste Album der Kilmister/Campbell/Dee-Ära, welches komplett im Aufnahmestudio geschrieben und aufgenommen wurde. Da muss die Frage schon erlaubt sein, warum gerade jetzt, warum nicht bei „The Wörld Is Yours“ oder „Aftershock“?

An sich war es dasselbe Procedere wie immer, was wir dieses Mal allerdings taten, anstatt zuerst im Proberaum die Songs zu schreiben und dann in einem Recording-Studio aufzunehmen, haben wir das komplette Material gleich im Aufnahmestudio geschrieben. Dadurch wurde es sicherlich ein wenig spontaner, aber im Endeffekt sind alle unsere Alben spontan entstanden. Wie gesagt, der Unterschied ist nicht so riesengroß, dieses Mal haben wir vielleicht mehr zusammengespielt im Studio als in der Vergangenheit.

Du hast also nicht wie in der Vergangenheit deine Drums aufgenommen und bist dann gleich wieder abgehauen?

No, wir haben alles gemeinsam aufgenommen, aber es funktionieren beide Wege. Wir haben verdammt starke Alben auf die „herkömmliche“ Art und Weise aufgenommen, dieses Mal haben wir halt einen etwas anderen Ansatz versucht.

Natürlich wirst du persönlich noch nicht die notwendige Distanz zum neuen Album haben, aber ich finde schon, dass man diese Spontanität spürt, obwohl sich auf „Bad Magic“ die typischen MOTÖRHEAD-Headbanger wie „Victory Or Die“ oder „The Devil“ finden, dann sind da noch die schnellen Songs wie „Thunder & Lightning“ oder „Teach Them How To Bleed“, auf „Firestorm Hotel“ ist mir sogar ein kurzes Bass-Solo von Lemmy aufgefallen, mit „Choking On Your Screams“ gibt es einen Song ganz im Vermächtnis von „Orgasmatron“ oder „Brotherhood Of Man“ von der „The Wörld Is Yours“, nicht die Ballade „Till The End“ zu vergessen, es ist wieder ein abwechslungsreiches und in meinen Augen verdammt cooles Album geworden.

Ich finde ja, es ist sicher eines der schnellsten Alben, welches wir je gemacht haben. Ich hab es erst gestern in meinem Auto von vorne bis hinten durchgehört und ich war selbst überrascht wie viele schnelle Stücke wir aufgenommen haben. Natürlich werde ich noch Zeit brauchen um das Album einordnen zu können, aber eines weiß ich jetzt schon: Es ist ein verdammt gutes Album geworden und wir Drei mögen es wirklich, aber ich kann es noch nicht zuordnen.

Für MOTÖRHEAD-Insider ist es natürlich interessant zu sehen, dass ein ROLLING STONES-Cover auf dem Album gelandet ist, jeder der Lemmys Geschichte kennt weiß, dass er immer die BEATLES bevorzugte und die STONES jetzt gar nicht so prickelnd fand.

Yes!

Stimmt es eigentlich, dass ihr das Cover für Tripple H von der WWE aufgenommen habt?

Ja das stimmt, aber frag mich nicht was er damit tun wird. Ich habe gehört, es soll womöglich auf eine DVD-Veröffentlichung raufkommen, die seine ganze Karriere abbilden wird. Als wir den Track fertig aufgenommen hatten, fanden wir unsere Version derart cool, dass wir beschlossen „Sympathy For The Devil“ doch auf „Bad Magic“ draufzupacken, auch weil er für uns so anders ist…

Er vollendet auch irgendwie das ganze Album

Ja, man hört den Spaß den wir dabei hatten, ich finde auch wir haben es ziemlich gut rübergebracht, der ganze Song klingt in unserer Version verdammt interessant und es ist noch dazu eine irrsinnig harte Version wenn du mich fragst.

Auf der Festival-Tour diesen Sommer in Europa habt ihr „Killed By Death“ ausgelassen – was nach 21, jetzt schon bald 22 Studio-Alben auch verständlich ist, jedem könnt ihr es mit eurem Repertoire sowieso nie recht machen.

Nein, da hast du recht, das ist unmöglich!

Was mich aber interessieren würde, gibt es da so MOTÖRHÄEAD-Klassiker, die du überhaupt nicht mehr spielen magst, „Iron Fist“ oder „Bomber“ zum Beispiel?

Wir haben die alle natürlich schon gespielt, jetzt sind sie wieder draußen, das ist immer so ein Kommen und Gehen in unserer Setliste, wir haben jetzt wieder „Orgasmatron“ im Set, den wir schon lange, lange Zeit nicht mehr gespielt haben…

Das stimmt aber nicht ganz, in München 2011 oder 2012 habt ihr „Orgasmatron“ gespielt, weil da war ich vor Ort!

Das kann sein, aber nur für ein paar Shows, auf der kompletten Tour-Setliste war er nicht oben, wir hatten von „Orgasmatron“ für einige Zeit richtig die Schnauze voll!

Ihr habt ja auch auf dieser Tour den Set geändert. Zu Anfang habt ihr noch mit „Shoot You in The Back“ angefangen, jetzt mit „We Are Motörhead“…

Das stimmt, aber hast du bemerkt, heute hatten wir eine sehr interessante Version von „Overkill“ im Set, Lemmy begann in der Mitte des „fucking Song“ zu singen, aber was will man tun…

Das macht die Sache aber wieder irgendwie hypersympathisch finde ich…

Es war zumindest eine einzigartige Version von „Overkill“…so wirst du diesen Song wahrscheinlich nie wieder hören.

Wie siehst du das: Wenn du dir die alten Studioversionen von „Ace Of Speads“ oder „Overkill“ anhörst und diese jetzt live zu hören bekommst, wie sehr sich diese Songs in eurer jetzigen Konstellation verändert haben…

Ja, die haben sich wirklich verdammt verändert. Einige zum Guten, manche vielleicht auch zum Schlechten…

Wenn wir uns die MOTÖRHEAD von heute so ansehen, Lemmys Bassspiel war schon immer irgendwie einzigartig, er spielt ja mehr Rhythmus-Gitarre denn Bass, du wirst sowieso jeden Tag von ihm als „the best drummer in the world“ vorgestellt, aber über die Jahre hinweg hat sich meiner Meinung nach Phil zum heimlichen Star in der Band emporgearbeitet. Wahrscheinlich ist Phil derzeit der am meisten unterbewertete Gitarrist auf diesem Erdball.

Ja das könnte hinkommen.

Ich bin ja auch der Meinung, dass ihm das völlig egal ist.

Das ist einfach Phil, er war schon immer eher ein Anonymus. Seitdem ich in der Band bin, hab ich sicher mit Abstand die meiste Pressearbeit gemacht, das liegt mir aber auch, ich kümmere mich auch gerne um den ganzen Businesskram, Lemmy und Phil ist das alles völlig egal, mehr noch, die hassen es geradezu.

Das wollte ich dich sowieso fragen, ob du sowas wie der Wirtschaftsminister von MOTÖRHEAD bist?

Mir macht das alles nichts aus, die beiden anderen, die mögen das wirklich nicht, darum bleibt alles in diese Richtung bei mir hängen, aber ich mache das wirklich gerne und ich stelle mich auch den Herausforderungen, egal ob es jetzt gute oder schlechte sind. Lemmy und Phil tun so etwas ab und zu und dann merkt man auch deutlich wie sehr sie es hassen. Ich kann mit dem Ganzen gut umgehen und daher habe ich vielleicht auch so etwas wie einen „front row seat“ in der Band. Phil mag zum Beispiel keine Interviews geben…

Ich hab einmal eines mit ihm gemacht…

Das war sicher das komplette Chaos oder?

Naja zumindest war er nicht sehr gesprächig!

Fun-Chaos!

Du bist ja 1992 bei MOTÖRHEAD eingestiegen…

Eigentlich war es schon Ende 1991…

OK. Aber es war während der Aufnahmen zu „March Ör Die“, wo du „Hellraiser“ eingetrommelt hast. Lemmy hat sowieso noch nie ein schwaches Album veröffentlicht, aber wenn du jetzt so an die 13 Alben an denen du beteiligt warst zurückdenkst, von der Presse wird ja z.B. oft die „Bartlose“-Zeit mit „Overnight Sensation“ oder „Snake Bite Love“ als schwächere Phase hingestellt…

Die waren einfach softer, möglich, dass sie daher diesen Ruf bekommen haben.

Wobei beide Alben für mich auch ihre Momente haben…

Ich bin da übrigens ganz bei dir, ich bin auch der Meinung, dass wir noch kein wirklich schlechtes Album veröffentlicht haben. Natürlich ist es bei so einer wirklich langen Zeitspanne so, dass man immer wieder durch diverseste Gefühle geleitet wird. Wir haben ja „Bastards“ (1993) und „Sacrifice“ (1995) gemacht, beides verdammt harte Alben…

Vor allem „Sacrifice“, das Thrash-Album von MOTÖRHEAD!

Ja und ein verdammt gutes Album noch dazu, es hatte auch diese leichten Punk-Einflüsse. Und dann kam halt „Overnight Sensation“ (1996) und das war viel, viel melodischer, was es natürlich auch softer machte, es war nicht schlecht, aber halt anders. Für „Snake Bite Love“ (1998) hatten wir schlicht und einfach nicht genug Zeit um es vernünftig fertig zu stellen. Wir hätten wahrscheinlich noch einen guten Monat gebraucht um da deutlich mehr rauszuholen. Von all den Alben, die ich mit MOTÖRHEAD aufgenommen habe, ist es gerade „Snake Bite Love“ wo ich mir heute noch wünsche wir hätten uns mehr Zeit genommen. Mein persönlicher Favorit ist ja „Hammered“ (2002). Das repräsentiert für mich die Zeit als 9/11 passierte, Phil und Ich sind am 10. September 2001 nach L.A. geflogen. Als wir das komplette Album schrieben, waren da überall diese „bad vibes“. Selbst wenn wir in den Supermarkt gingen um uns Essen zu kaufen waren die Leute – verständlicherweise – komplett mies gelaunt und zeitweise flippten sie sogar aus. Das machte aus „Hammered“ auch so ein leicht dunkles Album…


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