Interview: Wolves in the Throne Room - Aaron Weaver

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Für uns ist die Erde heilig, denn da gibt es diese Verbindung von Schönheit und Magie in der Natur. Diese Dinge scheinen für mich viel wichtiger als andern zu sagen Strom zu sparen oder zu recyceln.

Aaron Weaver, Schlagzeuger der amerikanischen Black Metal- Ambiente Band WOLVES IN THE THRONE ROOM, stand mir bei ihrem Auftritt in der Szene Rede und Antwort. Der Begeistere Naturbursche interessiert sich für österreichische Philosophen und erzählte mir über die Differenzen im musikalischen, sozialen und geschichtlichen Bereich zwischen Europa und Amerika.

Veröffentlicht am 13.05.2010

Hallo Aaron. Zu allererst würde mich interessieren welche Musik du privat hörst. Gibt es irgendwelche Bands oder Genres die du bevorzugst oder die möglichweise eure Musik beeinflussen?

Naja, ich weiß nicht. Ich interessiere mich einfach für ein großes Spektrum an Musik. Aber was ich meistens zuhause höre ist Ambiente oder einfach dunkle Musik. Alle Arten von psychedelischem Rock, natürlich auch Black Metal und sehr viel von dem alten Black Metal höre ich ebenfalls gerne. Ich mag auch die primitiven Arten der Musik von überall aus der Welt. Was die Musikarten, die ich schätze, verbindet, ist eine Art Trance- Qualität.

Eure Band ist ja bekannt dafür, dass sie viele Musikrichtungen, wie zum Beispiel den Crust- Punk, aufgreift. Gibt es noch weitere Genres welches eure Musik sehr beeinflusst?

Alle drei von uns haben eine Art Punk Vergangenheit. Speziell als wird jünger waren gab es einige Band die uns musikalisch und philosophisch beeinflusst haben im Bezug darauf, Dinge auf einem DIY Level zu erledigen.

Wo wir schon von Philosophie sprechen. Würdest du dich als Naturalist bezeichnen, als Nihilist oder gibt es überhaupt irgendeine Philosophie mit der du dich identifizieren kannst?

Das ist schwer zu beantworten. Die Sache ist ja, dass WITTR nicht mit irgendeiner konventionellen Ideologie verbunden ist. Die Idee hinter der Musik ist eben etwas zu berühren, das spirituell und transzendent ist. Wir sind nicht interessiert daran, irgendetwas anzubeten wir sind daran interessiert, was der Welt, der Philosophie, zugrunde liegt. Diese Kräfte sind so groß und mächtig und wir als Menschen, als Individuen in einer Band, wollen das nicht mit einer speziellen Religion oder Philosophie zu verbinden.

Ihr schreibt viel von eurer Musik draußen, in der freien Natur. Aber was ist es, was euch zu eurer Musik inspiriert?

Ja, das ist kompliziert. Die Gründe, warum jemand Musik oder Kunst kreiert können vielfältig sein. Auf der einen Seite sind wir sehr traurig und abgeschieden von der Natur, die moderne Welt hat eine Art Mauer erschaffen. Wir distanzieren und von der Natürlichkeit und das ist eine Quelle von tiefer Trauer und Dysfunktionen in der Gesellschaft. Und ich glaube darum geht es im Black Metal, um die Wiedervereinigung mit der Wildnis, mit der Natur und mit uns selbst.

Auf der einen Seite wirkt euer Lebensstil wirklich spirituell und zurückgezogen. Auf der anderen Seite müsst ihr CDs aufnehmen, touren usw. Hast du das Gefühl von diesen beiden Welten zu profitieren oder schließen diese sich in irgendeiner Art und Weise aus?

Ja, das ist wirklich eine gute Frage. Es war schon immer ein großer Konflikt für mich denn ja, ich denke diese beiden Welten sind sehr unterschiedlich. Ich bevorzuge es, jeden Tag draußen zu sein, den ganzen Tag zu arbeiten, abends schlafen zu gehen und wirklich ein Teil der Natur zu sein. Und, wie du sagst, das Tourleben ist etwas ganz anders. Man schläft tagsüber, man befindet sich auf verschiedenen Orten- für uns geht es darum eine Balance zu finden. Und ich glaube das haben wir auch geschafft. Im Juni schließen wir die Europa Tournee ab und wenn wir zu Hause sind, haben wir vorerst keine Pläne CDs aufzunehmen oder zu touren. Dadurch lässt sich auch die Balance wieder finden. Wir müssen uns einfach wieder mit unserer Heimat in Verbindung setzen. Wir schätzen sie auch sehr- die Tiere und Wälder dort. Wir sind keine Black Metal Band die so tut als wäre sie aus Norwegen…

Wir sprachen zuerst schon von Trauer. Eure Musik zu hören stimmt mich immer ziemlich melancholisch. Aber versteh mich nicht falsch, ich finde es ist sehr gesund, manchmal traurig zu sein. Man versucht in der heutigen Zeit immer von der Trauer abzulenken. Die Gesellschaft scheint sie nicht zu tolerieren. Würdest du eure Musik auch als melancholisch und gedankenschwer bezeichnen? Ist das etwas, das ihr dem Hörer vermitteln wollt?

Ja, ich glaube das ist, warum wir Musik machen. Es ist offensichtlich, dass wird an der dunklen Seite interessiert sind, an der Wildheit und Grausamkeit und natürlich auch an Trauer und Melancholie. Denn es ist wie du sagst: in dem täglichen Leben werden diese Gefühle nicht akzeptiert. Ich glaube auch, dass deswegen der Black Metal ein weltweites Phänomen ist, denn solche Gefühle haben anderswo keinen Platz.

Wollt ihr mit eurer Musik eine bestimmte Botschaft vermitteln? Wollt ihr damit beim Hörer etwas erreichen?

Oh nein, ganz bestimmt nicht. Wir haben überhaupt keine Botschaft. Wir wuchsen in einer Welt auf, in der Musik immer eine Botschaft hatte wie: Rettet die Wale, fang an zu Recyceln und solche Sachen. Diese Musik war auch sehr politisch. Wir wollen so etwas einfach nicht mit unserer Musik machen. Ich mag es ja auch nicht wenn mir eine Band sagt was ich denken oder tun soll.

Aber du hast doch früher auch Punk gehört, und der hat doch bekanntlich eine ganz bestimmte Botschaft. Kannst du dich damit also nicht mehr identifizieren?

Naja, da gibt es große Unterschiede zwischen Europa und Amerika. In Europa ist Punk etwas sehr politisches. Als ich aufgewachsen bin war das nicht so. Die Politik hatte mit Punk nicht viel zu tun, es ging eher um Freiheit und das zu tun was man will. Es gab natürlich auch politische Bands aber die haben mich nie interessiert. Mein Interesse galt dem Underground und der Idee der Freiheit. Ab einem gewissenalter empfindet man nämlich dieses Punkrock Gehabe als ziemlich einfache und kindische Weise, die Welt zu sehen.

Umweltbewusstsein scheint für euch ein wichtiges Thema. Was tut ihr eigentlich dafür, unsere Umwelt zu schonen?

Das ist eine interessante Sache. Ich würde nicht sagen wir sind eine Band die dafür einsteht zu recyceln, oder Strom zu sparen, das hat nichts mit unserer Musik zu tun. Ich denke das sind Entscheidungen, die jeder machen sollte in seinem Leben.

Aber eine Gesellschaft, die nicht nachhaltig lebt, zerstört doch diese wunderbare Natur, die euch so inspiriert. Sollte man nicht alles tun um diese zu erhalten?

Ja, natürlich. In meinen alltäglichen Leben ist das für mich sehr, sehr wichtig. Ich mache das natürlich alles: ich lebe auf einer Farm, meine Frau und ich züchten unsere Pflanzen selbst. Die moderne Menschheit hat irgendwie entschieden, dass die Erde, die Natur einfach etwas ist, das man gebrauchen kann. Es ist nichts Heiliges mehr, es wird einfach dazu benutzt um Städte zu bauen, es gibt keine Magie dahinter mehr wie in früheren Zeiten. Ich denke es ist das Christentum, das uns gesagt hat, dass wir die Welt benutzen sollen. Man kann jemand anderen dafür verantwortlich machen, wenn die auf der Erde etwas schief läuft. Das heilige ist im Christentum nur der Himmel, alles andere, wie die Erde, ist nur etwas das man benützt. Genau diesen Ansatz stellt unsere Musik in Frage. Für uns ist die Erde heilig, denn da gibt es diese Verbindung von Schönheit und Magie in der Natur. Diese Dinge scheinen für mich viel wichtiger als andern zu sagen Strom zu sparen oder zu recyceln. Das sind nur die Symptome des zugrundeliegenden großen philosophischen Themas.

Es gibt ja einige Klischees im Bezug auf Musikrichtungen und sozialem Engagement. Zum Beispiel ist die Hardcore Szene dafür bekannt, für Tierrechte einzustehen, Pagan und Folk Metal vermittel Tradition und eine „zurück zur Natur“ Attitüde. Eure Musik vereint sehr viele Ideologien und Musikelemente. Glaubst du also ihr steht über solchen Klischees? Oder werden ihr manchmal darauf reduziert lediglich eine weitere Black Metal Band zu sein oder Hippies zu sein?

Ja, vor allem anderen werden wir als Hippies bezeichnet- Black Metal Hippies. Das ist aber nicht unübliches, dort wo wir herkommen. „Cascadian Black Metal“ ist an sich schon zu einem Klischee geworden. Das hat mir gestern jemand erzählt. Es gibt verschiedene Message Boards darüber und verschiedene Bands bezeichnen sich schon als „cascadian metal band“. Es gibt bei uns im Nordwesten ja einige Black Metal Bands, das hat vor sieben oder acht Jahren begonnen. Und jetzt wird es anscheinend eine ganze Szene ein eigenes Subgenre. Für uns würde das jetzt eigentlich heißen damit aufzuhören.

Eine Show in Deutschland wurde gecancelt wegen einer deiner Aussagen. Die Aussage wurde aus dem Kontext gerissen und lautete: „The right wing has (co opted) some good ideas“. Neben der Tatsache, dass dieses Statement aus dem Zusammenhang gerissen wurde, findest du es ist gerechtfertigt eine Show zu canceln wegen dieser Aussage?

Nein, überhaupt nicht. So etwas wäre in Amerika bestimmt nicht passiert, aber in Deutschland schon. Das hat natürlich mit dem historischen Kontext von Deutschland zu tun und wie man damit umgeht. Aber zur selben Zeit habe ich den Respekt vor diesem Land verloren das Wolves in throne room anklagt, eine Nazi Band zu sein. Es ist doch offensichtlich, dass wir keine Nazis sind. Menschen, die diese extreme anti-faschistische Einstellung haben, diese Antifa Menschen haben keinen Platz in ihrem Leben für irgendwas, außer ihrem Schwarz- Weiß Denken. Das halte ich für eine kindische Ideologie. Aber ja, ich stehe zu diesem Statement. Ich hasse zwar Rassismus, Faschismus und Totalitarismus aber der „right wing“ hat eben einige Ideen, die für mich wichtig sind, für sich beansprucht.

Ich habe noch etwas Interessantes über dich herausgefunden. Du interessierst dich ja für Rudolf Steiner, der sogar ein Österreicher war, und als Gründer der Anthroposophie gilt. Nach Steiner besteht das „Böse“ dieser Welt aus den beiden Extremen Luzifer und Ahriman. Luzifer steh für das „zu viel“ und Ahriman für das „zu wenig“; das „Gute“ ist hierbei sozusagen der Mittelweg zwischen diesen Extremen. Wenn man diesen Ansatz nun auf eure Musik auslegt, findest du ihr habt diesen Mittelweg erreich oder befindet ihr euch auf der „zu viel“ oder „zu wenig“ Seite?

Das ist eine wirklich interessante Frage. Ich glaube es verschiebt sich immer wieder. Man kann nicht immer im Leben genau auf diesem Mittelweg gehen, man ist immer entweder von der einen oder andern Seite beeinflusst. Ich konnte sogar den Zwang spüren der mir sagte: ‚komm sei ein Teil der Maschine, Vergiss dein Zuhause, deine Farm, tour doch die ganze Zeit und mach Geld.‘ Zur gleichen Zeit denke ich dann aber wieder, ich möchte tun was ich wirklich will, nämlich Zeit in den Bergen verbringen und einfach meine eigene Musik machen. Jeder sollte sich bemühen diesen Mittelweg zu finden. Viele Black Metal Bands befinden sich in solchen Extremen, zum Beispiel mit extremem Nihilismus und selbstzerstörendem Lebensstil. Im Großem und Ganzen bemühen wir uns, von keinem Extrem zu sehr beeinflusst zu sein.

Wie empfindest du die europäische Resonanz auf eure Musik?

Das ist, glaube ich, unsere dritte Tour in Europa und es ist etwas ganz anderes als in Amerika zu touren. Es ist ein wahres Vergnügen hier zu touren denn in Amerika ist das eine wirklich harsche Sache. Die Band bekommt weder Essen noch eine Unterkunft und man sitzt über zehn Stunden einfach im Bus. Außerdem sind die Veranstaltungsorte oft ziemlich heruntergekommen. In Europa werden Musiker einfach viel besser behandelt, aber ich habe keine Ahnung warum das so ist. Ich schätze auch das europäische Publikum sehr. Es gibt hier Leute die ähnliche Ansichten wie wir haben, aber trotzdem eine andere Perspektive auf bestimmte Dinge. Dabei fühlt man sich nicht so isoliert und ich habe in der europäischen Metalszene schon viele Freunde gefunden.

Zum Abschluss habe ich noch ein kleines Zitat eines wichtigen Philosophen vorbereitet. Ich werde dir aber erst im Nachhinein sagen, wer es ist.
"Wir sind so gerne in der freien Natur, weil diese keine Meinung über uns hat.“
Was denkst du darüber? In wie fern stimmst du damit überein?

Ich denke das klingt schwer nach der Idee die hinter Black Metal steht. Ich weiß zwar nicht von wem dieses Zitat stammt aber ich glaube die Natur urteilt nicht über einen, sie sagt einem nicht was man tun soll. Jeder ist frei seinen eigenen Pfad zu gehen. Wir sind frei wenn es darum geht, wenn wir sterben wollen, wir können uns ja auch zu Tode hungern, wir können freiwillig ein Tier umbringen um es zu essen, oder auch nicht. Natürlich muss man auch die Konsequenzen seiner Taten tragen. Und ich denke, dass es im Black Metal eben darum geht. Aber jetzt ehrlich, von wem ist dieses Zitat?

Es ist von Friedrich Nietzsche.

Ah, das hab ich mir schon gedacht. Ich wollte schon Nietzsche sagen. Nietzsche hat meiner Meinung nach sowieso sehr viel Einfluss auf den Black Metal und auf uns.

Das letzte Wort gehen an dich. Gibt es noch etwas, das du unseren Lesern gerne mitteilen würdest?

Ich bringe allen Menschen, die uns auf der Europatournee so unterstützt haben große Dankbarkeit entgegen. Manchmal denken die Leute, wir wollen nicht mit dem Publikum kommunizieren. Wir spielen da auf der Bühne und verschwinden dann wieder in der Dunkelheit. Aber ich schätze es sehr wenn Leute zu unserer Show kommen und danach mit uns reden, das finden wir wunderbar. Ich freue mich schon darauf, nach dieser Tour wieder einmal nach Europa zu kommen weil ich die Metalfans und ihre Hingabe zur Musik sehr schätze. Das ist etwas, was uns in Amerika etwas fehlt.


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