Interview: THE MAN-EATING TREE - Tuomas Tuominen & Vesa Ranta

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...nur Blödmänner hören sich ENTOMBED leise an!

Manche Interviews werden einfach runtergebetet oder vom Schummelzetterl abgelesen. Umso erfreulicher ist es, wenn sich mit THE MAN EATING TREE aus Finnland vor ihrem Gig mit TAROT im Wiener Chelsea im winzigen Backstage-Raum aus dem Stegreif ein lockerer Dialog entfaltet, den ich euch natürlich nicht vorenthalten möchte. Ich sitze mit Ausnahme-Sänger Tuomas Tuominen (ex-FALL OF THE LEAFE) und dem einstigen SENTENCED-Trommler Vesa Ranta beisammen und wir süffeln einheimischen Gerstensaft.

Veröffentlicht am 06.11.2010

Vesa, ihr habt euch im Frühling 2009 zusammengefunden. Kurz davor ist dein langjähriger SENTENCED-Bandkollege und Freund Miika Tenkula gestorben, mit dem du THE MAN-EATING TREE in ihrer Urform quasi geründet hast. Du und Tuomas habt euch eine Woche danach getroffen – du warst verzweifelt auf der Suche nach einem Sänger. Schicksal oder Zufall ?

T: Hm...vielleicht hat es was mit Schicksal zu tun...
V: Ich bin recht glücklich, dass ich Tuomas damals gefunden habe. Vielleicht war es Schicksal...

Euer erstes Album „Vine“ geht eher in die Rock-Ecke, weniger in Richtung Metal....

T: Also das war keine Absicht, wir wollten das Material nicht in irgendein Schema reinboxen. Ich fühle mich besser, wenn ich ohne selbstauferlegte Grenzen arbeiten kann. Das würde dann ja auch alles beeinflussen, was wir in Zukunft machen. Aber mit einem Rock-Album kann ich eigentlich gut leben.

Ich frage das deswegen, weil ihr ja beide eigentlich aus der Death-Metal Ecke kommt, und euch gemeinsam nun in Richtung erdigem, melancholischem Rock bewegt...

V: Wir hören sehr viel unterschiedliche Musik, auch PINK FLOYD und so Zeug. Aber meine Lieblingsband ist immer noch SLAYER!

Ihr habt ja auch noch Janne Markus von POISONBLACK mit an Bord...

V: Er ist ein guter Freund von mir, ich kenne ihn mittlerweile seit acht Jahren.

Und POISONBLACK existieren ja nebenher weiter. Während deine alte Band FALL OF THE LEAFE, glaub ich nicht mehr existiert, Tuomas...

T: Wir haben die Band bereits 2007, nach immrhin 6 Alben, aufgelöst. In der Zwischenzeit habe ich mit Freunden gejammt, und mit meinem Kumpel Jussi (Hänninen, FOTL-Gitarrist; Anm.) ein paar Dinge auf musikalischer Ebene weiterentwickelt.

Hat der Name THE MAN-EATING TREE irgendwelchen Backgroud in der finnischen Sagenwelt? In Madagaskar gibt es so ein Ding angeblich wirklich...

(Vesa und Tuomas kichern unverständliches Zeug in Finnisch, grosses Gelächter. Diese Frage kommt wahrscheinlich in jedem Interview vor und hängt den beiden schon beim Hals raus. Aber ich bin halt nun mal ein neugieriger Kerl...)

Wenn ihr da in Finnisch plaudert, denke ich da geht’s um ein Geheimnis, hm?

(Gelächter) T: Der Name stammt noch von unserem ehemaligen Gitarristen Aaron Rantonen, als die Band noch in den Kinderschuhen steckte. Da wurden halt Ideen ausgetauscht. Die Kernaussage war denke ich: am Ende des Tages sind wir alle nichts weiter als Futter für Mutter Natur. Am Ende des Lebens werden wir alle wieder eins mit den Bäumen und der Erde.

Man merkt in eurem ganzen Bandkonzept, dass ihr sehr naturverbundene Menschen seid. Wenn man aus Finnland kommt, dann hat man das wahrscheinlich im Blut.

Tuomas, du schreibst ja auf eurer HP auch so ne Art Blog, ein Tagebuch. Und da steht viel übers Fischen, übers Wandern, über nächtliche Schneestürme und so weiter. Ist etwas von diesem Gespür für die Natur mit in die Platte eingeflossen ?

T: Die Melancholie. Ich würde das Album aber nicht naturbezogen oder so nennen, vielleicht trifft es „down to earth“ besser.

Um was drehen sich dann die Lyrics? Eher persönliches Zeug oder Alltägliches ?

T: Klar, da wir ja alle nicht im Vakuum leben, enden gewisse Themen aus meinem Privatleben sicherlich im einen oder anderen Text. Ich verstecke diese Dinge aber hinter Surrealem. Du musst schon zwischen den Zeilen lesen, um es zu entdecken. Aber es sind Dinge, die jeder in seinem Leben früher oder später durchmacht. Ok, vielleicht ist auch ein klein wenig Kritik am System mit drinnen...

Aber alles irgendwo real, nix Fantasy-Zeug oder so?

T: Keine Märchen, nein. Aber ein wenig verschleiertes, surreales Zeug. Ich glaube „Melancholie“ trifft es recht gut.
V: Ja, ich finde das Material auch sehr melancholisch.

Vesa, nachdem du mit SENTENCED aufgehört hast, bist du in ein ziemlich grosses kreatives Loch gefallen...

V: Ja, ich hatte zudem noch Probleme mit meinen Ohren, hatte mir einen feinen Tinnitus eingefangen.

Tja, wenn man sechzehn Jahre lang Lärm macht...(Gelächter)

Ist es nun so, dass du dich mit THE MAN-EATING TREE auf musikalischer Ebene neu definiert hast?

V: Ich bin nach der Zeit mit SENTENCED auf ne Menge interessanter Bands gestossen, PORCUPINE TREE oder OPETH etwa. Das hat mein Denken diesbezüglich sicherlich neu definiert.

Also hättest du diese Bands nicht entdeckt, wenn du bei SENTENCED geblieben wärst?

V: Ja, wahrscheinlich. Ich nahm mir nach SENTENCED etwa ein Jahr Auszeit, dann hab ich mit Mikka (Tenkula, Anm.) gesprochen, ob er nicht Lust hätte wieder etwas in Richtung Band zu machen. Aber wir fanden einfach keinen Sänger, der gut genug war für uns. Andererseits wollten wir aber auch nicht in Stress geraten, lieber wollten wir herumtüfteln, um den optimalen Sound für uns zu finden. Wir hatten plötzlich genügend Zeit für so was. Und ich arbeite ja nebenbei auch Fotograf.

Machst du auch das Artwork für die Band?

V: Naja, das hat ja nicht direkt mit meiner Profession zu tun, ich bin ja Fotograf. Ich mache Bilder für andere. Irgendwann läuft es dann vielleicht auf Artwork hinaus.

Du bist ja jetzt in Wien, eine dankbare Stadt was Fotomotive betrifft...

V: Ja, ich hab auch schon ein paar Sachen geknipst. Aber eher auf Touristen-Basis. Hier ist es wirklich wunderschön!

Tuomas, du bist ja überhaupt das erste mal auf grösserer Tour mit einer Band. Habt ihr mit FALL OF THE LEAVE nie ausserhalb Finnlands gespielt ?

T: Oh doch, im Baltikum oder in Russland. Aber wir hatte nie eine Tour oder sowas. Es ist also hier alles neu für mich. (Er strahlt übers ganze Gesicht).

Ich finde ja, dass sich Finnland und Österreich in punkto Mentalität sehr ähnlich sind. Das merkt man, wenn man mit Finnen plaudert, da gibt’s sehr viele Parallelen.

T: Ich hab das auch schon bemerkt. In meinem Beruf arbeite ich auch mit Österreichern zusammen, mit denen verstehe ich mich auch immer auf Anhieb. (Anm. Tuomas arbeitet als Dispatcher für eine grosse finnische Spedition).

Die Finnen sind halt wie die Österreicher immer ein wenig schrullig finde ich. Die Deutschen finden uns Österreicher zum Beispiel immer ein wenig schräg. So geht es den Leuten in Europa glaub ich auch mit den Finnen, oder?

Beide: Yeah! (grosses Gelächter, Tuomas kriegt sich kaum noch ein).

Ok, lasst uns über die Zukunft der Band reden. Ich hoffe es gibt eine...

Beide, unisono: Ja, natürlich. Hoffentlich...
T: Wir haben ja auch schon sieben neue Songs geschrieben. Es wird alles noch ein wenig melodiöser, und es wird noch stimmungsvoller, die Atmosphäre wird intensiver sein als auf „Vine“. Die Extreme werden einfach noch besser in Szene gesetzt...
V: ...und es wird hoffendlich auch heavier!
T: Ja, und alles sollte noch viel dynamischer werden.

Janne Markus bringt ja durch seinen POISONBLACK-Background auch einiges an Gothic Rock mit in die Musik. Ist es für euch persönlich ok, dass das Material von „Vine“ dadurch irgendwo auch in diese Ecke geht ?

T: Also für mich verbindet sich „Gothic“ immer mit Bands wie FIELDS OF THE NEPHILIM, die ich übrigens sehr mag. Und dann hast du etwa Bands wie die 69EYES, sie kommen irgendwo aus der selben Ecke, heben das Ganze aber eine Stufe höher.

Von daher kann ich mir auch gut vorstellen, dass ihr mal auf dem WGT in Leipzig auftretet, da würdet ihr mittlerweile gut hinpassen.

T: Ja, ich habe von diesem Festival gehört, aber ich war noch nie da...

Die haben da eine recht grosse Rock- und Metal-Klientel mittlerweile. OPETH haben da auch schon gespielt...

T: Ach, wirklich? Vielleicht sollten wir da mal anfragen...

Ihr habt beide mit euren vergangenen Bands schon längere Zeit musiziert. Gab es irgendwelche Fehler, die ihr damals begangen habt, die ihr heute nicht mehr machen würdet?

V: (überlegt ewig, meint dann grinsend) ...also meiner Meinung nach sollte man nicht länger auf Tour sein als drei Wochen. Dann sollte man sich ne Pause gönnen und heim zur Familie fahren. Mit SENTENCED war uns das relativ egal, da waren wir oft ewig on the road, und haben danach dementsprechend ausgesehen...haha.

Ja, ihr werdet halt auch nicht jünger...mit zwanzig kann man sich halt noch jeden Abend die Kante geben...

Beide: Jaaaa, hehehehe!
V: Ich bin ja auch schon 37...
T: ...und ich bin „erst“ 31...!

Also wenn ich mir mal einen Geschmeidigen gönne am Wochenende, kann ich mich meisten bis Dienstag nicht wirklich bewegen. (Tuomas lacht, allwissend...)
Da fällt mir übrigens die Anekdote ein, als du Vesa das erste Mal „getroffen“ hast, ich glaube es war 1997. (wieder riesiges Gelächter; Anm: Tuomas war auf einem Gig, wo unter anderem ENSLAVED spielten, und Vesa war dermassen abgefüllt, dass er von Securities nach draussen getragen wurde – direkt an Tuomas vorbei, der damals ein grosser SENTENCED-Fan war.)

V: ...also ich kann mich nicht erinnern....
T: Vesa wurde direkt an mir vorbeigetragen, hehehehe!
V: ...wir haben da glaub ich mit ENTOMBED abgehangen...genau weiss ich es nicht mehr, hahaha!

Apropos ENTOMBED. Tuomas, du sagtest irgendwann mal – ich darf zitieren – „nur Blödmänner hören sich ENTOMBED leise an“ ... (Gelächter)

T: (kann vor lauter Lachen kaum noch reden) Also ich muss das glaub ich neu formulieren...meiner Meinung nach sollte man ENTOMBED wenn möglich sehr laut hören, hahaha. Irgendwann machte ich halt mal den Fehler, und hab sie mir leise angehört, bei einem abendlichen Bier. Und da habe ich festgestellt, dass das nicht so toll ist.

(Janne Markus und Keyboarderin Heidi Mätää basteln derweil neben uns irgend ein Gestell aus leeren Bierkisten zusammen. Ich schaue verwundert, Janne sagt irgendwas auf Finnisch.)

T: Ok, also wir haben Heidi’s Hocker im Tourbus vergessen, und der steht jetzt zu weit weg. Und jetzt bastelt Janne ihr schnell einen Hocker.

Vielleicht solltet ihr noch nen Polster drauftun, sonst wird’s ein wenig hart...?

T: ...ja, vielleicht. Aber Heidis Arsch ist....nun egal. (Gelächter. Tuomas schmeisst sich vor Lachen fast weg; Nur Heidi schaut ein wenig unrund...)

Habt ihr abschliessend noch was, das ihr unbedingt loswerden möchtet?

T: Also, eine kleine Überraschung hätten wir noch parat. Am Ende der „Vine“-Sessions kam Janne mit einem neuen Song an, und dieser wird in Kürze als Free Download auf unserer Website (www.themaneatingtree.com) zur Verfügung stehen. Ich habe erst vor drei Wochen meine Vocals dazu eingesungen, und irgendwie ist dieser Song der Brückenschlag zwische „Vine“ und unserem neuen Material.

(Tuomas spielt mir auf seinem IPhone den Song vor. Er ist sehr heavy, hat alle typischen Trademarks von „Vine“ drinnen und ist noch dazu ein bisschen progressiv angehaucht!)

V: ...und wenn alles gut geht, dann kommen wir im Frühjahr 2011 wieder nach Österreich! Und wir hoffen natürlich, dann auch ein paar STORMBRINGER-Leser auf unseren Gigs zu treffen!


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