Interview: Eisbrecher - Noel Pix

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„I Love You – schon hundertmal gehört, mach das auf Deutsch und jeder kotzt.

Noel Pix von EISBRECHER hat sich mit uns über das neue Album, dem Videodreh zur aktuellen Single "Verrückt" und über die anstehende Tour unterhalten.

Text: Nephtys
Veröffentlicht am 14.02.2012

Wie lange geht euer Promotag schon?

Mein Tag geht seit 6 Uhr morgens, aber es war nicht so schlimm und nach dem Interview ist es schon geschafft.

Das Album habe ich vorab schon bekommen und auch angehört, deshalb gleich die Frage, wie schafft man es sich von Album zu Album immer wieder zu steigern?

Als allererstes darf ich mich einmal herzlich bedanken, weil man es erhofft, aber man weiß es nie, ob man es wirklich schafft. Der Wille ist stark, aber vorher sagen kann man es nie. Genauso wie du dich hinsetzten kannst und sagst, jetzt bin ich fröhlich heute Nachmittag, genauso wenig kann man sagen, heute schreibe ich einen scheißgeilen Song. Kann passieren muss aber nicht. Vorteil war aber, der Wechsel zur neuen Plattenfirma, dadurch hatten wir mehr Zeit für das Projekt als sonst. Wir waren früher bei einem Indielabel und durch geringere Budgets gibt es nicht den riesigen Geldsegen, dass man sagt, ich mache jetzt ein Jahr nur EISBRECHER. Der Major hat uns insofern zum Positiven verändert, dass er mir die Möglichkeit gibt, sich über lange Zeit nur mit EISBRECHER zu befassen und nicht nebenbei. Ich mach noch so viel andere Musik, auf anderes konzentrieren zu müssen.
Als Musiker, um in der heutigen Zeit davon leben zu können, musst du bereit sein, viel Verschiedenes zu machen. In diesem Fall hatte ich die Möglichkeit konzentriert zehn Stunden am Stück, fünf Tage die Woche nur für EISBREECHER zu arbeiten und danach nicht noch einen Trailer für hier und da oder Musik für dieses und jenes schreiben zu müssen. Das führt dazu, dass man es hoffentlich geschafft hat, etwas besser zu werden.
Man selber kann zum Schluss der Produktion auch nicht mehr sagen, wie gut das Album geworden ist. Wenn man sich die Songs zum hundersten Mal anhört, weiß man auch nicht mehr ob es das Richtige ist.

Woher nimmst du deine Inspiration?

Die Inspiration ist eigentlich, es klingt etwas abgedroschen, das Leben an sich und was passiert, schalte z.B. den Fernseher an und höre dir „Verrückt“ an. „Verrückt“ hat durch das Video noch eine ganz andere Thematik bekommen, als wenn man sich nur den Song anhört.
Wenn man den Song nur hört, geht er über einen Typen der durchdreht, im Kontext mit dem Video ist es etwas, dass mit der Finanzaffäre, in jedem Land wahrscheinlich, zu tun hat und, wie gesagt dazu braucht man nur den Radio oder Fernseher anzuschalten. Rund um einen herum passieren Sachen, die man aufnimmt, einiges kann man ausströmen lassen und wiedergeben, wie zB bei „Verrückt“, oder bei den meisten Sachen, wo man sagt die Welt ist gerade am durchdrehen - ist sie immer - aber im Moment vielleicht besonders und dann kann man so etwas verpacken und ein Song kommt dabei raus. Glückt oder glückt nicht, das weiß man vorher nicht, aber manchmal funktioniert es und die „Hölle muss warten“ ist auch so ein Beispiel. Wir sind ja keine 20 mehr, abtreten müssen wir noch nicht, aber ich würde sagen die gute Hälfte ist rum. Wir lassen uns noch nicht unterkriegen, also muss sie noch ein bisschen warten – schauen wir mal wie lange.

War das ein bisschen ausschlaggebend für den Titel?

Ein bisschen auch… Ansonsten ist es immer schwierig als Künstler, selber anderen Menschen die Texte zu erklären. Wir haben es schon immer so gehalten, jeder hört es sich für sich an und nimmt dann raus, was er gerne hören will und bekommt nicht von uns diktiert, was er zu hören hat. Es gibt auch Menschen, die sagen, ich möchte das unbedingt mit meinen Texten verstanden haben. Wenn du dir etwas anderes bei dem Text rausziehst, ist es völlig in Ordnung. Es ist auch Sinn der Sache, jeder Song soll Emotionen beim Menschen entfachen und wenn dieser welche bei dir erzeugt, die von uns komplett anderes gedacht sind, dann ist das auch in Ordnung.

Wie lange habt ihr am neuen Album gearbeitet?

Also ich arbeite immer etwas länger an einem Album als Alex. Er hat es da etwas einfacher. Alex/Pix ist immer die Zweier Konstellation, die es schon immer war und auch sein wird. Hier kann man sagen, wir sind der Kern und so wird’s auch immer sein. Das hat auch mit der Komposition und den Texten zu tun. Im Vorfeld biete ich an, da sind teilweise schon Zeilen dabei oder Emotionen oder fertige Gesangsmelodiemuster, die man probieren kann. Man kennt sich in der Zwischenzeit so lange, dass ich weiß was gefallen könnte oder uns beiden gefällt. Da gibt es auch keine Streitpunkte. Wenn man etwas gefunden hat, dann gilt es das auszuarbeiten und das dauert immer ein bisschen. Dieser Vorgang ist das, das eigentlich die Zeit frisst. Hier geht es darum, dass man sagt, das Wort dort hin und jenes dort hin.
Deutsch ist eine schwere Sprache. Es ist viel, viel schwieriger als in Englisch zu schreiben. Als Beispiel „I Love You“ – schon hundertmal gehört, mach das auf Deutsch und jeder kotzt. Versuche ein Liebeslied ohne die drei Worte zu schreiben und du hast es schon etwas schwerer. Da muss man auch sagen, in der deutschen Sprache ist in letzter Zeit schon alles behandelt worden, siehe RAMMSTEIN, UNHEILIG und was es nicht alles gibt. Versuche etwas neu auszudrücken, was es schon hundertmal gegeben hat und nicht in denselben Worten und dann sitzt man da und braucht man schon eine Weile bis man etwas Sinnvolles zusammen hat. Ich hoffe, dass es geglückt ist.

Also was ich bis jetzt gehört habe, ja. Warum ist gerade „Verrückt“ die erste Single geworden?

Ein ganz großer Hauptgrund ist, dass für viele durch den Wechsel zu Sony die Befürchtung aufkam, dass wir jetzt auch nur noch Schleimscheißermusik machen wollen, um Millionäre zu werden und aus diesem Grund ist diese erste Single bewusst ausgewählt worden. Wir haben auch unsere ruhigen Lieder auf der Scheibe, mit denen wir hätten rausgehen können, aber wir sind nach wie vor eine rockende deutsche Band und das wollen wir auch beweisen - auch wenn wir bei einem Majorlabel sind. Deswegen haben wir einen Song gewählt, der nicht zwei Jahre in den Charts sein wird, der nicht bei Radio Arabella in Wien laufen wird und das ist ganz bewusst so gewählt. Trotzdem sind wir dieselben die wir sind und werden es auch bleiben. Wir werden harte Musik machen, aber auch weiche. Deshalb werden wir mit einem relativ harten Statement an die Öffentlichkeit gehen. Es ist lustig, wie ein Aufatmen z.B. durch Facebook gegangen ist – zum Glück haben sie jetzt kein „Geboren um zu leben“ oder „Geboren um zu sterben“ Teil 2, 3, 4 gemacht. Das heißt, sich selber darzustellen, wie man sich sieht – zwei alte Rocker, aber mit Herz und das erste Zeichen war das Rockende.

Wie war der Videodreh?

Anstrengend…. Fast, für uns war es nicht so anstrengend. Wir hatten ein richtiges Schauspielerteam dabei. Es sind wirklich gute Leute gewesen, die haben das Geld wirklich gefressen und nicht nur einmal, sondern drei bis vier Stunden lang. Ansonsten haben wir an diesem Wochenende auch noch ein zweites Video für „Die Hölle muss warten“ gedreht, das kommt dann demnächst. Das heißt, es waren drei heftige Tage und ich glaube, ich werde „Verrückt“ nie wieder so oft hintereinander spielen, wie für diese Sequenzen wo wir live spielen. Nach 40 mal „Verrückt“ bist du dann auch selber verrückt. Es war eine tolle Erfahrung mit einem super Team und ich finde das Ergebnis spricht für sich. Manch einer kann damit wahrscheinlich nichts anfangen, aber ich finde es schön gelöst



Mich hat die Mimik von der einen Darstellerin fasziniert.

Ganz großartige Dame, die Frau geht auf die 70 zu. Sie hat eine Wahnsinnsfigur – sie war früher Tänzerin, das sieht man heute noch. Großartig mit nichts und ohne Wort so etwas auszudrücken, in so einem kurzen Zeitraum, finde ich sehr cool. Wir selber hatten nur kleine Rollen, da kommt man sich dann etwas blöd vor, aber man kann es sich anschauen. Einen Oscar werde ich nicht bekommen, aber Alex ist bei so etwas sehr begabt. Er ist auch der Frontman, da muss er das auch sein.

Ihr habt es trotzdem gut rübergebracht …

Ich finde auch, wobei man selber kommt sich da immer etwas blöd vor, wenn man vor der Kamera steht. Live spielen ist etwas anderes. Ansonsten Anzug tragen ist gar nicht so unangenehm, bis auf den obersten Knopf, wenn der ganz zu ist… da habe ich schon den richtigen Beruf gewählt.

Zum Thema Live, wir sehen euch ja in knapp einem Monat. Auf was dürfen wir uns freuen?

Ich kann da jetzt nicht viel dazu sagen.

Vielleicht einen kleinen Ausblick?

Also ich möchte jetzt nicht die Erwartung dämpfen, aber es ist so… wir haben kein Feuer mit, das ist schon besetzt. Wir haben auch keinen EISBRECHER mit, vor dem wir stehen. Wir haben auch keine Eiswürfelmaschinen dabei. Wir haben uns dabei und viele neue Songs im Gepäck und alles andere wird man sehen. Es wird wie immer eine energetische Rockshow werden, mit einem unglaublichen Entertainer, den ich an meiner Seite habe. Ich selber stehe oft an der Seite und muss lachen und bin amüsiert, jeden Abend etwas anderes zu sehen, aber auch das gehört zur Show. Wir brauchen kein Szenario, wir haben die Einmannmaschine am Mikro und das haben nicht viele.

Wie bereitet ihr euch auf eine Tour vor?

Normalerweise sollten wir, anstatt hier zu sitzen und Schnitzel zu essen und die Mannerschnitten auf dem Bett liegen zu haben, ins Fitnessstudio gehen. Es wird dann doch immer die Zeit knapp. Da bist du mit der Platte fertig und dann sollst du nach Wien, in die Schweiz und dann hoffe ich, dass ich noch ein bisschen Ruhe und Zeit für mich habe und nicht komplett zerstört zurückkomme. Es ist nicht unanstrengend ab dem 4er aufwärts.

Das heißt, nach der Tour ist erst einmal Urlaub angesagt?

Ich hatte vor der Tour und nach der Scheibe Urlaub in Tirol und war etwas Schifahren. Gerne wäre ich noch zwei Wochen geblieben. Vielleicht geht sich nach der Tour noch eine Woche aus. Österreich ist sehr cool.

Gibt es spezielle Kriterien, wie ihr eine Setlist zusammenstellt?

Ja, die gibt es. Ähnlich wie bei der Scheibe kann man nur versuchen sie zu treffen. Nach ein paar gespielten Shows sieht man, wie es funktioniert. Das Optimum ist erreicht, wenn der rote Faden läuft. Es fängt an und du hast deine Tiefen- und Höhepunkte an den richtigen Stellen. Das ist gar nicht so einfach bei zwei Stunden Spielzeit. Die Hörer sollen nicht unterfordert, aber auch nicht überfordert werden, was sehr schnell passieren kann.

Wie ist der Remix von COMBICHRIST entstanden?

Das war ganz lustig. Mit COMBICHRIST haben wir jetzt auch schon ein paar Konzerte bzw. auf Festivals gespielt und COMBICHRIST hatten auch angefragt, für EISBRECHER den Support zu machen. Das ist leider nie zustande gekommen. COMBICHRIST machen ganz gute Remixe und so war es klar, dass man da mal anfragt. Ich finde, dass sie schon bessere Remixe gemacht haben. Die Erwartungshaltung war eine andere. Man kann ihn zwar gut anhören, aber es ist doch etwas anderes.

Ich hatte mit etwas anderem gerechnet.

Ich auch. Manche schreiben auch das Gegenteil. Die sagen, dass es besser ist als das Original, aber es werden nie alle zufrieden sein. COMBICHRIST sind COMBICHRIST, stehen für die schwarze Szene und sind ein Markenzeichen

Danke für das Interview!


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