Interview: Doomed - Pierre Laube

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Mich inspiriert einerseits das Gefühl, das wir hatten, als wir Ende der 80er, Anfang der 90er noch Metal-Kids waren.

Doom-Highlight des Jahres, lehnte sich der Rezensent aus dem Fenster und steht nach wie vor dazu. Ganz starkes neues Album vom Ein-Mann-Projekt. Und da bedarf es natürlich einiger Fragen und dazugehöriger Antworten, um DOOMED einer breiteren Basis näher zu führen...

Veröffentlicht am 19.03.2013

Als Gesprächspartner stellte sich mir der Mann für alles bei DOOMED, Pierre Laube, zur Verfügung. Er hat das Album "In My Own Abyss" im Alleingang komponiert und eingespielt und Letzteres hört man wirklich nicht. Musikalisch souverän, mit einem sehr stimmigen Sound versehen und mit einigen Überraschungen im Gesamtbild, zauberte uns Pierre ein Doom-Highlight auf den Gabentisch.

Los geht's mit der netten, virtuellen, Plauderei:

Geht doch bitte anfangs auf die Entstehung von DOOMED ein und stell die Band kurz vor.

DOOMED ist Death-Doom, eigentlich Old-School, aber doch auch irgendwie modern. Markant für den Sound der Band ist das immer wiederkehrende, stampfende, rhythmische Element, ohne das ich einfach nicht auskommen will. Genau so verhält es sich mit den Melodien. DOOMED hat größtenteils tiefe Growls am Start, aber auch „cleanen“ Gesang. Der jedoch ist, so er solo kommt, nicht von der oft für Doom Metal typischen „weinerlichen“ Art, sondern eher als, nun sagen wir mal „dreckig“ zu bezeichnen. Dem Grundsound entsprechend.
DOOMED habe ich im November 2011 zum Leben erweckt. Ich hatte schon seit einiger Zeit Lust darauf mein eigenes Doom-Metal-Ding zu machen. Bereits im März 2012 war das erste Album „The Ancient Path“ fertig. Die Resonanzen waren super. Die Arbeiten zum zweiten Album schlossen sich unmittelbar an – mein Pulver war einfach noch nicht verschossen. Im Juli 2012 war dann also auch das zweite Album „In My Own Abyss“ fertig. Ich begab mich auf die Suche nach einem passenden Label und die russischen Solitude Productions erwiesen sich als dieses. Im August unterschrieb ich mit DOOMED bei ihnen. Die Release des zweiten Albums wurde auf Dezember festgelegt. Die Idee, DOOMED auch live umzusetzen, war natürlich auch präsent. So fragte ich einige meiner Kollegen und Freunde, ob sie das mit mir auf die Beine stellen würden. Die sagten: „Ok, lass uns das machen“. Wir lassen uns damit Zeit. Jeder von uns hat auch andere Projekte und Bands. Es wird aber definitiv DOOMED live geben. Im Januar 2013 gab es eine Re-Release von „The Ancient Path“ über den deutschen Undergrounder Deathcult Productions, dessen einziges Mitglied, Micha Kahlers, leider in diesem Februar verstarb. Andy von HATESPAWN und CHARON hatte mit ihm zusammen diese Re-Release supportet. Das war ein ganz schön krasses Ding!


Wo liegen deine Einflüsse?

Die größten Einflüsse liegen ganz klar im Old-School-Death-Metal und einigen Doom/Gothic-Bands der frühen Neunziger.


Welches waren die bisherigen Höhepunkte deiner Karriere?

Zunächst einmal die Fertigstellung der ersten Platte und der fast durchweg positiven Resonanzen darauf. Ich habe (und tue es noch) mich sehr gefreut, dass ich irgendwie auf dem richtigen Weg war/bin. Dann natürlich die Unterstützung eines astreinen Doom-Metal-Labels - und eben keines regionalen - zu bekommen. Die Zusage war eine wirklich geile Sache! Dann: Dass meine Kollegen das wirklich mit mir live durchziehen wollen! Es wird laut...yeah! Ja, ansonsten ist DOOMED ja noch sehr jung, schauen wir mal, was da noch alles passiert.

Und wo lagen die bisherigen Tiefpunkte?

Die bittere Pille des Ablebens vom Metal-Enthusiasten und Deathculter Micha, das ist natürlich derb! Auch wenn das tiefster Underground ist und ich nicht einmal die Möglichkeit hatte, den Jungen persönlich kennenzulernen, es ist ein verdammter Jammer! Sonst gab es eigentlich noch keine.

Wie entstehen deine Songs, du bist ja, so ich mich nicht irre, allein für alles zuständig?

Für alles was bei DOOMED passiert, bin ich allein verantwortlich. Die Entstehung der Scherenschnitte (alles was ihr auf DOOMED-Covern seht) einmal ausgenommen. Dort bekomme ich tatkräftige Unterstützung von meiner Freundin. Es fängt bei den Ideen an und hört beim finalen Ergebnis auf. Musikalisch und optisch entspringt das ganze DOOMED-Ding meinem Kopf. Das mag jetzt nach Ego-Trip klingen, hat damit aber nichts zu tun! Es ist allein die absolut kompromisslose und sofort umsetzbare Arbeitsweisem, die so faszinierend daran ist, alles selbst zu machen. Die Songs entstehen meist aus eher kleineren Ideen, welche ich, so sie mir plötzlich im Kopf herumgeistern, sofort, egal wo ich gerade bin, in mein Telefon „einskripte“ - oft ganz einfach per Mund, haha. Da kommt von der Melodie über das Riffing bis zum Drumbeat alles raus. Es gibt, musikalisch betrachtet, nichts Schlimmeres als gute Ideen zu vergessen! Wenn die Sammlung voll ist, skripte ich diese Parts und Bruchstücke instrumental ein und lasse mich dann einfach von den Klängen inspirieren, treiben und anstecken, führe das einfach weiter. Es gibt bisher eher selten ein übergreifendes Konzept oder eine Idee über „9 Minuten“. Texte schreibe ebenfalls ich.

Woher nimmst du die Inspirationen, sowohl musikalisch als auch lyrisch?

Mich inspiriert einerseits das Gefühl, das wir hatten, als wir Ende der 80er, Anfang der 90er noch Metal-Kids waren. Eine nicht zu bändigende Energie, die Raserei die einen packt, wenn es laut wird, das Verschwimmen der eigenen Grenzen! Kompromisslos sein! Für einen Moment völlig ausbrechen können. Immer wenn ich Musik mache, steuere ich auf dieses Gefühl zu und will mehr davon. So nahe wie möglich herankommen. Es bringt mich dahin zurück. Jetzt, mit 36, kommt jedoch noch eine andere Komponente hinzu: Die Erfahrung - die eigene Haltung, auch Themen betreffend. Sie ist es vielleicht auch, die DOOMED in der Geschwindigkeit etwas drosselt und es auch schwer, aggressiv, wehmütig und nachdenklich macht. Natürlich ist DOOMED nicht durchwegs depressiv. Aber natürlich ist das auch keine Partymusik. Ich glaube man hört das. Ich genieße diese Mischung sehr. Würde man nach Bands fragen, so lasse ich mich von der Stimmung, meist nicht unbedingt von der Machart bestimmter Alben oder Bands inspirieren. Das aber eher langfristig. Haha – jetzt also schon seit 24 Jahren! Zu nennen wären da z.B. BOLT THROWER, ganz alte Alben von PARADISE LOST und MY DYING BRIDE, die Sachen von KYPCK oder FUNERALs geniales Album „From These Wounds“. Natürlich dürfen auch PANTERA nicht fehlen – absolut kein Doom, aber der Groove ist drin!

Wie würdest du deine Musik jemandem beschreiben, der noch nie von DOOMED gehört hat?

Metal-Heads wissen, Doom Metal ist langsam! DOOMED hat trotzdem, so empfinde ich das, immer Sack und den nötigen Druck unter der Haube, um einen zu packen. Es gibt viele Teile die wirklich slow und sehr doom sind, aber du findest immer wieder zurück zur Mitte. Dort wo sich die Walze befindet und dich einfach mitnimmt. DOOMED ist rhythmisch, melodisch, hypnotisch, roh, aggressiv, fett. Wenn du dich darauf einlässt, ist DOOMED fies aber auch sehr emotional. Nicht weinerlich!
Nicht-Metallern und Discoprinzen würde ich sagen „Das ist nichts für dich!", haha.

Wie wichtig ist es dir, dass deine Musik Alleinstellungsmerkmale wie z.B. die Leads hat und sich von anderen unterscheidet?

Ich muss mich nicht bewusst von anderen abheben. Darüber nachzudenken ist reine Zeitverschwendung. Ich mache DOOMED nicht um anders zu sein, sondern um das, was ich oben bereits beschrieb, einzufangen und festzuhalten. Es ist toll, wenn einem Eigenständigkeit nachgesagt wird, aber es ist mir zuwider, zuallererst in einen musikalischen Wettbewerb zu treten und dort um den größten Individualismus zu kämpfen. Sollen das andere machen! Man muss das Rad nicht ständig neu erfinden. Man kann es auch mal wieder wertschätzen! Ich mache mir darüber keinen Kopf, ob ich zur außergewöhnlichsten Doom-Band gekürt werde oder man mir nachsagt „das klingt wie alles andere auch“. Ich teile DOOMED lieber mit den Leuten, die das auch so sehen und denen es eben einfach gefällt.

Bitte schildere die Entstehungsgeschichte des aktuellen Albums.

Nachdem ich „The Ancient Path“ fertig hatte, war ich so dermaßen im Stoff, dass ich ganz einfach unmöglich aufhören konnte. Ich hatte mich gerade erst richtig gefunden. Da waren noch massig Ideen und ich wollte einfach weiter machen. Ich hatte Energie für zehn und wollte mich soundtechnsich und spielerisch noch verbessern, es etwas „gereifter“ werden lassen. Das ist mir gelungen, auch nach der kurzen Zeit. Es ist vielleicht etwas außergewöhnlich zwei Alben so kurz nacheinander zu machen, aber es muss einen nicht gleich in die Magengrube fahren, wenn man das hört oder liest. Ich wollte zudem nicht alles verändern. Viele Musiker sind bestrebt sich stets zu wandeln, damit sie den Leuten und sich selbst womöglich nicht langweilig werden oder um sich selbst und den Leuten da draußen zu beweisen, was sie alles noch so drauf haben. Ich lege da keinen Wert drauf! DOOMED ist für mich gut so wie es ist. Meine Messlatte liegt hoch und es wird natürlich nicht stagnieren, auch die eine oder andere Überraschung parat halten, aber sich ganz sicher nicht vom Doom zum Prog oder Experimental-Irgendwas wandeln. Wenn du DOOMED magst, kannst du dich auch weiter darauf verlassen! Ich schweife ab....

Wie unterscheidet sich dieses Album deiner Meinung nach von etwaigen bisherigen Arbeiten?

Eigentlich nur in der Ausführung, einem fetteren Sound und etwas mehr Brachialität!

Welchen Song vom aktuellen Album magst du am liebsten und warum?

Ich liebe „Allone We Stand“. Ich kann nicht genau sagen, warum das so ist. Aus irgendwelchen Gründen erinnert er mich am meisten von allen an meine Lieblingsband BOLT THROWER. Natürlich klingt er nicht wie ein BOLT-THROWER-Song.

Kannst du bitte auf deine Texte näher eingehen. Sie erscheinen mir auf den ersten Blick recht fatalistisch, wenn man aber genauer nachliest, scheint auch immer wieder ein bisschen Hoffnung mitzuschwingen.

Du hast vielleicht nicht ganz unrecht. Fatalismus ist vielleicht etwas übertrieben, aber es ist eben auch etwas dran. Die Behandlung der Themen ist jedoch meist kein autobiografisches Ding. Für mich persönlich liegt nicht alles in Schutt und Asche. Ich erfinde zum Zwecke des Textens oft fiktive Personen, deren Sichtweise, Erlebnisse oder Gedanken ich in recht knapper Form wiedergebe. Man kann mir mangelnde lyrische Begabung unterstellen, vielleicht ist das ja so. Aber ich bin in erster Linie kein Fan von schwülstigen, aufgesetzten Ausführungen und Metaphern.

Das bringt mich um, hahaha! Der Hintergrund der Texte ist deswcegen nicht niederschwellig. Es sind eben nur oft Gedankenabrisse, Monologe, Fragmente. Sie alle erzählen was. Die nötige Hoffnung versuche ich jedoch eher musikalisch aufzulösen. BACH löst auch erst oft zum Schluss auf – zwischendrin ist da auch echt dicke Luft, haha. Du hast natürlich Recht – man muss sich schon etwas hineinversetzen, um den einen oder anderen textlich verankerten Hoffnungsschimmer auch zu entdecken.

Was hat es mit „Oh You, Wide Steppe…“ auf sich? Wie bist du zur Idee gekommen, ein russisches Lied mit auf das Album zu nehmen?

Seit jeher bin ich ein großer Fan russischer Musik und dieser Kultur. Das muss an meiner Herkunft (also der DDR) liegen. Früher sangen gelegentlich russische Soldaten, die hier in der Nähe stationiert waren, für uns. Mich beeindruckte das schon immer. Zudem kam einem diese melancholische Musik auch stets in der Schule unter. Ich liebte und liebe es. Das ist irgendwie meins. Ich stieß rein zufällig auf dieses alte russische Volkslied. Nach dem erstem Mal Hören war ich erst mal total platt. Dann war klar, dass ich das „verdoomen“ muss. Ich arrangierte also alles. Instrumente, schrieb die Chorstimmen heraus und wir nahmen das auf. Ich finde es toll und werde so etwas in der Art noch einmal machen.

Was passiert am Ende dieses Liedes nach der Pause?

Es kommt ein von mir komponiertes Orgelstück. Instrumental gesehen, ein totaler Kontrast zu allem, ich weiß das. Mir jedoch ist dieser Track wichtig. Er braucht allerdings etwas Abstand zum Rest. „Loss“ heißt dieser versteckte Stein des Anstoßes. Ob es nun jetzt Sinn oder Unsinn ist, einen Hidden Track auf ein Album zu machen – mir egal! Einigen schmeckt das nicht, andere fühlen sich provoziert oder sind ratlos, diskutieren darüber, warum Bands das machen oder dass es seit 20 Jahren „out“ ist. Wieder andere lieben es. Somit hab ich es richtig gemacht!

Wie sieht es bezüglich Liveaktivitäten aus?

Die Zeit vergeht wie im Flug, der Winter hat uns probetechnisch etwas zurückgeworfen. Ich hasse den weißen Typen! Krankheiten, kein Durchkommen bei Schnee usw... Wir steigen aber demnächst mit den Proben wieder ein. Wir lassen uns damit Zeit, ich habe da keinen Stress. Ich denke im Herbst werden wir mit DOOMED auch live starten. Ich hoffe dann so schnell als möglich von hier weg zu kommen. Ich werde nicht fünf Mal in meiner Hometown spielen. Dann lieber gar nicht. Ich weiß sehr wohl wie schwer es ist, coole Locations zu finden bzw. da reinzukommen. Die werden alle überschwemmt mit Bewerbungen. Doom Metal gehört zudem zu einer manchmal live wenig attraktiven Sparte. Let's See.

Wie würdet Ihr die aktuelle Lage der Rock/Metalszene in deiner Umgebung beurteilen?

In meiner Umgebung scheint es nicht unbedingt einen Überfluss an guten Bands zu geben. Es gibt ein paar wirkliche Perlen, aber auch die haben es schwer vorwärts zu kommen. Die Masse macht es einfach extrem zäh. Ehrlich gesagt setze ich mich aber nicht all zu sehr damit auseinander. CYTOTOXIN sind eine der Bands, die alles richtig gemacht haben. Die Jungs sind großartig!

Stichwort mp3-Downloads: Dafür oder dagegen? Mit Begründung bitte…

Dafür – wenn er (wenigstens meist) legal ist und wenn die Leute die Bands damit direkt supporten können. Oft nicht möglich und nicht der Fall. Eine CD ist jedoch auch was Feines. Was in der Hand zu haben ist doch auch schön.

Bitte hinterlasse hier noch ein paar abschließende Worte an unsere Leser…

Wie gerade erwähnt, supportet die Bands die ihr mögt so direkt wie es geht! Nehmt euch Zeit für sie und haltet Ausschau nach den besagten Perlen und lasst euch nicht mit allem zuschütten!
Stay DOOMED! Pierre


Vielen Dank an Pierre, und Leute - wenn ihr mal etwas hören wollt, dass zwar Doom ist, aber nicht immer danach klingt und wirklich Spannung und große Stimmungsbögen aufbaut, greift hier zu!


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