Interview: Horna - Shatraug

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Wir Finnen sind unbeugsamer, was unsere Visionen anbelangt, und standhafter.

Eigentlich wäre geplant gewesen, die Doppelconférence von Stefan Baumgartner und Robert Fröwein mit Shatraug, seines Zeichens Kopf hinter HORNA, vor ihrem - übrigens ohne gröbere Zwischenfälle abgelaufenen - Auftritt im Wiener Escape zu führen, allein, um gewisse explizite Themen genauer zu hinterfragen. Leider standen Shatraug ein, zwei Whisky zu viel im Weg, sodass das Interview per Mail nachgeholt werden musste - wofür sich der Finne jedoch reumütig entschuldigte ...

Veröffentlicht am 15.05.2015

Du hast HORNA vor grob 20 Jahren gegründet. Was scheint vor deinem geistigen Auge auf, wenn du an die damalige Zeit denkst - und auch deine persönliche Entwicklung Revue passieren lässt?

Der Geburtsmoment von HORNA war definitiv geprägt von einem starken Willen, etwas zu erschaffen, wenngleich ich erst lernte, mein Instrument zu beherrschen und gerade einmal den Versuch wagen konnte, auch nur annähernd für Kreativität zu sorgen. Seitdem war die Weiterentwicklung ein stringenter, natürlicher Prozess - sowohl was das Spielerische betrifft, wie auch die Fähigkeit, die Visionen, die ich im Kopf habe, tatsächlich auch umsetzen zu können.

Über die Jahre hast du selten aber doch Neuaufnahmen alter HORNA-Stücke veröffentlicht. Schien dir das aus obig genanntem Grund der Weiterentwicklung nötig - wenngleich doch bei Neuaufnahmen ein gewisser Vibe zwangsweise verlustig geht?

Es stimmt, die meisten Neuaufnahmen haben absolut keinen Wert - aber wenn du als Künstler der Meinung bist, dass bei bestimmten Stücken etwas fehlt, dann habe ich mich eben zu einem späteren Zeitpunkt dazu entschlossen, noch etwas an den Stücken zu feilen. Aber eben nur pointiert: Es würde keinen Sinn machen, komplette Alben neu aufzunehmen, das würde schlichtweg dem eigentlich intendierten Ausdruck schaden, das stimmt.

Wie wichtig ist Weiterentwicklung für HORNA?

Es kommt drauf an, wie du "Weiterentwicklung" definierst. Für mich ist es wichtig, meine Gedanken und Visionen sukzessive treffender nach außen transportieren zu können und demnach ist natürlich auch ein stetes Lernen am Instrument von Nöten.

Wie weit hat sich die finnische Szene seit ihren Anfängen verändert?

Kaum. Die Szene schaut heute eigentlich noch genau so aus wie damals.

Empfehlungen neueren Datums?

Mittlerweile vermeide ich es, Empfehlungen abzugeben - nicht, weil es nichts gibt, was zu rühmen wäre, sondern weil ich schlichtweg immer auf Bands, die eigentlich wert wären, ebenfalls genannt zu werden, vergesse. Zudem lasse ich lieber die Qualität der Musik für sich sprechen und nicht mich als Sprachrohr.

Siehst du in Finnland eine andere Herangehensweise, eine divergierende Essenz, verglichen mit der Szene in Schweden und Norwegen?

Wir Finnen sind unbeugsamer, was unsere Visionen anbelangt, und standhafter.

Dennoch war der Einfluss der alten Norweger auf die finnische Szene vorhanden - wie siehst du die Entwicklung der Vorväter, seien es MAYHEM, seien es DARKTHRONE, BURZUM oder SATYRICON?

Mir scheint, dass eine Vielzahl von ihnen nicht mehr als reine Musiker sind und viel mehr noch: Sie sich ihrer eigenen Vergangenheit schämen, obwohl sie uns zweifelsohne ein großes Vermächtnis weitergaben und prägend für die komplette Szene in vielerlei Hinsicht waren. Das trifft natürlich nicht auf alle norwegischen Bands zu, aber doch auf einige...

Worin siehst du die Tatsache begründet, dass finnischer Black Metal weniger populär als jener aus den Nachbarländern ist?

Ist dem so? Ich glaube, dass Bands wie BEHERIT oder IMPALED NAZARENE weitaus bekannter sind als eine Vielzahl an skandinavischen Künstlern. Aber auch wenn dem so ist: Wir Finnen ziehen unser Ding durch, egal, wo wir in irgendeiner "Wertung" stehen.

Der überwiegende Großteil eurer Texte ist in Finnisch gehalten. Ist dies nicht doch auch eine Hürde im Versuch, nicht nur die Musik, sondern auch eine Philosophie zu transportieren?

Eingedenk des Erfolges und des Zuspruchs, den wir weltweit haben, denke ich nicht, dass hier Hürden bestehen. Black Metal verinnerlicht man so oder so, denn Satan spricht in vielerlei Zungen.

Hat das Finnische eine besondere Eigenart, die deinen Visionen am zuträglichsten ist?

Meine Sprache limitiert mich in meinem Ausdruck nicht, ja.

Du hast erst 2002 zu touren begonnen. Gab es dafür spezielle Gründe?

Nein, wir hatten zuvor einfach keine Angebote.

Würdest du HORNA immer noch im Underground verorten?

Durchaus. Zu allervorderst, weil wir uns nicht anbidern, sondern nach wie vor unser Ding durchziehen. Es gibt keine Kompromisse dem Label oder unseren Fans gegenüber, HORNA ist und bleibt HORNA.

HORNA hat, wie eine Vielzahl an anderen Black-Metal-Bands auch, eine ziemlich umfangreiche Diskografie. Worin siehst du die Tatsache begründet, dass in diesem Genre so eine hohe Produktivität vorherrscht?

In der Kreativität, die wir aus dem Dunkel dieser Welt schöpfen.

In einem Wort - wofür steht Black Metal?

Satanismus.

Was ist das dümmste Vorurteil, das du über Black Metal je gehört hast?

Dass Black Metal nur Musik wäre.

Findest du in der aktuellen Modeerscheinung des Post-Black-Metals noch Reste des ursprünglichen Geistes?

Es kommt immer auf die Künstler an. Ich glaube nicht, dass Black Metal auf eine bestimmte Produktion oder einen bestimmten Stil oder "Kunstgriff" zu reduzieren ist - es ist eben eine Vision einer satanischen Seele, die ihre Umsetzung in der Musik findet. Die Gedanken und die Visionen sind die wahren Essenzen - und ja, in diesem Post-Müll muss man jene schon mit der Lupe suchen, sind hie und da aber doch vorhanden.

Welche Black-Metal-Alben siehst du als essenziell an?

Jedes, das deine Seele bewegt - in meinem Fall eine Vielzahl an Alben, die in den frühen Neunzigern in Griechenland, Finnland und Skandinavien erschienen sind.

Du bist Herausgeber des Grievantee Journal. Was ist ist deine Sicht auf heutigen Musikjournalismus und dein persönlicher Anspruch?

Ich glaube, dass die Kultur des Fanzines stagniert oder tot ist - und das betrifft auch das Grievantee. Jedoch werde ich das Magazin wiederbeleben, wenn ich das Gefühl habe, dass es wieder genügend Material zum Besprechen gibt, stehen Journalismus und Künstler immerhin in einer Wechselwirkung: aus Scheiße kann man kein Gold zaubern.

Wie schaut dein persönlicher Musikgeschmack aus?

Für mich gibt es nur zwei Arten von Musik: Musik, die mich bewegt, und indifferente. Es ist mir gleich, in welche Schublade Musik gepresst werden könnte - jetzt zum Beispiel höre ich gerade GOBLINs "Dawn Of The Dead".

Gibt es einen "typischen" HORNA-Fan?

Keine Ahnung.

Wollte ich jemandem HORNA näherbringen, welches Album würdest du empfehlen?

"Sanojesi Äärelle" vermutlich. Es hat alle Elemente der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vereint - und natürlich unser kommendes Album, "Hengen Tulet".

Das da wann kommt?

Es ist bereits im Kasten und wird aktuell gemastert, wird also in den nächsten Monaten über WTC erscheinen.

Auf welchem Album - ganz gleich ob von HORNA, SARGEIST, BEHEXEN, BLACK STENCH oder einem anderen deiner Projekte: Auf welchem fühlst du dich selbst am besten repräsentiert?

Da tue ich mir schwer, eine eindeutige Antwort zu geben - in jedem Album steckt mehr oder weniger viel von mir, bis auf bei BEHEXEN vielleicht, wo ich nicht besonders viel komponiere.

Bei einigen deiner Projekte singst du auch Lead-Vocals. War das nie eine Option für HORNA?

Ganz am Anfang sang ich auch, auch bei unseren ersten Auftritten. Aber es hat mir damals zumindest auf der Bühne nicht wirklich zugesagt. Heute geht es mir ab und zu ab, aber für HORNA ist Spellgoth definitiv ein spektakulärer Frontmann, der unsere Vision gekonnt ins Publikum schleudert.

HORNA sind nicht nur überaus produktiv, sondern hatten auch eine Vielzahl an Mitgliedern, die kamen und gingen. Was benötigt ein Musiker, um längerfristig Teil von HORNA zu bleiben?

Zumeist war bisher das Problem das Touren - es ist kein Urlaub, wenn du dich auf einer Mission befindest.

Es gibt kaum ein Interview, in dem du nicht zu deinen Gedanken politischer Natur, aber auch hinsichtlich deiner Einstellung dem Satanismus gegenüber befragt wurdest. Enerviert dich das, wenn du dich stets selbst sezieren musst?

Persönliche Ansichten sollten privat bleiben. Wenn man mich zu HORNA befragt, dann sollte man sich auch auf HORNA konzentrieren. Ich bin durchaus willens, auch Interviews zu meiner Person zu geben - aber nur überaus selektiv, die Masse muss auch nicht über jeden Dreck Bescheid wissen.

Hinsichtlich deiner politischen Einstellung hast du einmal verlautbart, dass man deine Einstellung nicht mit der von HORNA vermischen sollte. Ist das nicht dann doch eine kleine Flucht, immerhin bist du HORNA?

Das ist nur eine mögliche Sichtweise. HORNA besteht aus fünf Personen, daraus ergibt sich ein bestimmtes Weltbild, das jedoch nicht sämtliche privaten Gedanken ausdrücken muss.

Aber du verstehst, dass in einigen Teilen der Welt gewisse Ansichten durchaus kritisch beäugt werden?

Immer, wenn Menschen im Spiel sind, herrschen Missverständnisse vor und sind auch die Möglichkeiten an unterschiedlichen Vorstellungen und Gedanken gegeben, ja.

In einem älteren Interview hast du zu Protokoll geben, dass du mit HORNA niemals "im Osten" spielen wirst, weil du dies deinem Großvater versprochen hast. Kannst du das näher erläutern?

Ein Mann, der sein Wort nicht hält, ist kein Mann. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Es gibt auf der Welt Gebiete, in denen Black Metal mit einer größeren Leidenschaft aufgenommen wird, als anderswo - in Südamerika ist man beispielsweise überaus fanatisch. Worin siehst du diese Tatsache begründet?

Es wäre mir persönlich noch nicht wirklich aufgefallen, dass du gewissen Ländern eine größere Leidenschaft dahingehend zusprechen könntest. Tatsächlich gibt es Länder, in denen das Publikum bei Konzerten aktiver agiert als in anderen, das ist richtig - aber es sagt nichts über ein Land aus, ob du bei deinen Konzerten einen Moshpit hast oder ein statisches Publikum. Was in einem drin passiert, das ist die Essenz.

Apropos Leidenschaft: Dir wird eine für Spielkonsolen nachgesagt ...

Leidenschaft wäre etwas übertrieben, aber ja, ich habe noch alte Konsolen bei mir herumstehen.


Danke an Björn Franck für die Fotos. Mehr zu sehen unter ShadeGrownEye Photography.


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