Interview: Luciferian Light Orchestra - Christofer Johnsson

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Künstler, die ihre Wurzeln in den 60ern, 70ern und – bis zu einem gewissen Grad – auch in den 80ern hatten, haben eine Tradition des musikalischen Handwerks, die dich so zeigt, wie du wirklich bist.

Christofer Johnsson über die Musik der 70er Jahre, okkulte Parties in Paris und die Entstehungsgeschichte seines neuen Bandprojektes LUCIFERIAN LIGHT ORCHESTRA

Veröffentlicht am 17.05.2015

Mit deiner neuen Band LUCIFERIAN LIGHT ORCHESTRA betrittst du die Gefilde des 70er Jahre Occult-Rock. Oder sollte ich besser „betrittst du wieder“ sagen? Wenn ich mich nicht täusche, gab es in früheren THERION-Veröffentlichungen Anspielungen an die 70er Jahre. Welche Bands der 70er haben dich am meisten inspiriert?

Für THERION inspirierten mich URIAH HEEP, SCORPIONS der 70er Jahre, PAVLOV´S DOG und das zweite Album von KLAATU. Vielleicht auch etwas BLACK SABBATH.

Für LUCIFERIAN LIGHT ORCHESTRA waren es URIAH HEEP, DEEP PURPLE, SCORPIONS,
BLACK SABBATH, BLACK WIDOW und einige andere. Es gibt auch einige 60er Einflüsse von JIMI HENDRIX, PINK FLOYD und DEEP PURPLE. Das Ganze klingt wie eine Retro-Version einer 70er Band mit ausgeprägten 60er- Einflüssen. In etwa wie die SCORPIONS zu jenen Zeiten, als Uli Jon Roth seine JIMI HENDRIX Einflüsse durchklingen ließ.

Zahlreiche Metal- und Rockbands, die ihre Wurzeln in den 70er Jahren hatten, stürmen immer noch äußerst erfolgreich die Bühnen, während heute Metalbands auftauchen, ihre 15 Minuten Ruhm feiern und wieder im Metal-Nirvana verschwinden. Fehlt den heutigen Rock- und Metalbands etwas, was die „alten“ Gruppen noch haben?

Man darf nicht vergessen, dass auch in den 70ern zahlreiche Bands kamen und genauso schnell wieder gingen. Auch nicht, dass damalige Mega-Bands heute in kleineren Clubs spielen. Zum Beispiel URIAH HEEP, die damals zu den Big Four zählten, aber heute nicht einmal ansatzweise jenen Status besitzen, den die anderen drei immer noch haben: DEEP PURPLE genießen heute nur einen signifikant geringeren Status als LED ZEPPELIN und BLACK SABBATH.

Aber du hast schon Recht: Künstler, die ihre Wurzeln in den 60ern, 70ern und – bis zu einem gewissen Grad – auch in den 80ern hatten, haben eine Tradition des musikalischen Handwerks, die dich so zeigt, wie du wirklich bist. Es geht um dich und deine Musik. Wenn deine Musik und deine Bühnenauftritte den Leuten nicht gefallen, dann bist du nichts.

Heute gibt es Bands, die scheiße spielen, aber annehmbare Alben veröffentlichen – dank einer gewissen „Studio Magie“. Aber auf der Bühne zeigt sich ihre Mittelmäßigkeit. Das kann eine Zeit lang durchaus funktionieren, wenn das Publikum zu jung ist, um viele Vergleichsmöglichkeiten zu haben. Und das Publikum muss hungrig nach neuen Bands sein, die nur ihnen und ihrer Generation gehören. Es ist nicht immer lustig, die gleichen Bands zu hören, wie die eigenen Eltern. Diese Bands werden aber genauso verschwinden, wie viele wertlose Bands der 80er, die ich damals mit 13 Jahren für gut hielt, bis ich älter wurde und erkannte, wie schlecht sie eigentlich waren. Andererseits entdeckte ich später, dass einige von mir abgelehnte Bands in Wahrheit doch nicht so schlecht waren.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich meine nicht, dass alle neuen Bands, die in die moderne Richtung gehen, schlecht sind. Selbstverständlich gibt es einige wirklich talentierte junge Bands mit modernem Sound.

Es scheint mir, dass viele der jungen, talentierten Bands heutzutage diese Unterschiede zwischen damals und heute spüren können und deshalb ihre Einflüsse aus dieser Zeit, als Musik noch „echt“ war, beziehen. Das hat dazu geführt, dass zahlreiche Studios den Staub von den Kassettenrekordern, die sie seit 15 Jahren nicht mehr benutzt haben, abwischen und beginnen, wieder analog aufzunehmen.

Aus Sicht der THERION-Fans erschien LUCIFERIAN LIGHT ORCHESTRA schnell und überraschend im Metal-Universum. Die Gestaltung des CD Booklets sagt mir, dass hinter LUCIFERIAN LIGHT ORCHESTRA lange, harte Arbeit und die Hingabe an kleine Details stehen. Wie ist LUCIFERIAN LIGHT ORCHESTRA entstanden?

1995 gründete ich eine zweite Band, die Musik der 70er spielte. Ich war mir nicht sicher, ob ich THERION voranbringen würde, da ich opera-metal-Songs schrieb, die ein enormes Recording-Budget benötigten und wir immer noch eine sich abmühende Undergroundband waren. Also gründete ich mit meinem Freund Tommie Eriksson (Drums) eine Band namens THELI. Tommie hatte zuvor für THERION auf der Bühne Gitarre gespielt, war aber damals eigentlich der Drummer von NOCTURNAL RITES. Ich schrieb zwei Songs, die wir auch probten: „Where The Lilies Grow“ und „Cults Of The Shadow“.
Der Plan war, mit der neuen Band in Richtung Vintage zu gehen und THERION zu begraben.
Ich hielt es für unwahrscheinlich, dass Nuclear Blast einer Band wie THERION so viel Geld für ein experimentelles Album in die Hand drücken würde. Zur Idee gehörte auch, nur Mitglieder des Ordens Dragon Rouge in die Band aufzunehmen. Ein Typ namens Michael sollte den Bass spielen, und einer namens Adam die Vocals übernehmen. Aber ich bekam das Geld und wir buchten das Tonstudio für die Aufnahmen zu unserem fünften Album (das Album mit neuer symphonic-opera-Ausrichtung).

Zur selben Zeit zeigte sich, dass Adam die Dinge nicht so hinbekam, wie wir es wollten. Letztendlich waren es nur noch Tommie und ich, die ein paar Mal probten. Wir beschlossen, das Vintage-Projekt THELI zu begraben. Ich entschied, den Song „Cults Of The Shadows“ für THERION zu verwenden. Ich re-arrangierte ihn und nannte das neue Album „Theli“, zu Ehren der verworfenen Bandidee.
Während der nächsten 20 Jahre habe ich Tonnen an Songs geschrieben, die es nicht auf ein THERION Album schafften: Weil sie nicht gut genug waren, anderen Songs zu ähnlich klangen, oder weil sie stilistisch nicht zu THERION passten. Viele dieser stilistisch unpassenden Songs klangen zu sehr nach 60er/70er Jahre. Ich nutzte jedoch zahlreiche dieser Vintage-Ideen auf verborgene Weise. Mit „Dreams Of Swedenborg“ tat ich es hingegen unverhohlener.
Um 2004 hatte ich begonnen, eine Menge an Material zu schreiben, das von den 70ern beeinflusst war. Als wir den Vorrat an Songs, die wir 2003 – 2004 geschrieben hatten, auf vier Alben aufteilten („Lemuria“, „Sirius B“, „Gothic Kabbalah“ und „Sithra Ahra“), stellte sich heraus, dass der Großteil des Materials mit Vintage-Sound für „Sithra Ahra“ gerettet worden war. Während der Aufnahmen versuchte ich den Sound noch mehr nach Vintage klingen zu lassen. Irgendwie ging das schief, es endete zwischen zwei Welten und machte mit dem Ergebnis weder die 70er-Fans noch die THERION-Fans glücklich.

Nachdem ich ein Cover-Album mit alten französischen Songs der 60er und 70er Jahre gemacht hatte, fühlte ich, dass ich mehr mit Bezug auf die guten alten Zeiten der Musikgeschichte machen wollte.
Mit dem wachsenden Trend großartiger, neuer, Retro-Musik spielender Bands (insbesondere HEXWESSEL hatten es mir angetan) kam mir die Idee, mich durch jene alten Song-Demos zu graben, die ich über die Jahre verworfen hatte. Ich wollte sehen, ob es gutes Material gibt – und falls dem so wäre, ob heute Interesse an dieser Art Songs bestehen würde. Nachdem THERION mit der Rock-Oper in eine vollkommen andere Richtung gehen würde, fühlte es sich gut an, währenddessen mit einem anderen Projekt in der Zeit zurück zu gehen.
Als ich mir die Demos der Songs anhörte, war ich überrascht, wie gut sie waren und dachte, dass ich mit ihnen etwas tun müsste. Ich fand keine geeignete Demo von „Where The Lilies Grow“, aber ich erinnerte mich gut an den Song (vermutlich, weil wir ihn damals in der kurzen Zeit, in der die Band THELI existierte, so oft probten).
Ich begann also in meiner Freizeit 2013 und 2014 ein bisschen hier und dort mit verschiedenen Musikern und Sängern aufzunehmen. Als alles fertig war, wurde mir bewusst, dass das Ergebnis zu gut war, um nur das Album eines Nebenprojektes zu sein. Ich begann mit der Planung einer Band, die auch live spielen würde.

Einige Mitglieder des Dragon Rouge halfen auf „LUCIFERIAN LIGHT ORCHESTRA“ mit backing vocals aus. In welcher Verbindung stehst Du zum Orden des Dragon Rouge. Werden die aushelfenden Dragon Rouge-Mitglieder reguläre Bandmitglieder und gemeinsam mit dir auf die Bühne gehen?

Ich bin seit 1991 Mitglied und viele meiner besten Freunde sind es ebenso.

Es gibt keine Pläne, sie auf die Bühne zu holen, sie haben nur mit einigen backing vocals ausgeholfen.

Gibt es Verbindungen zwischen dem Dragon Rouge und den Lyrics?

Die Lyrics wurden von DR Thomas Karlsson geschrieben, mit ein bisschen Hilfe von mir, hie und da (Anm. d.V.: Thomas Karlsson ist ein bekannter schwedischer Autor und Mitbegründer des Dragon Rouge. Er schreibt seit 1996 Lyrics für THERION).

Die Lyrics von THERION sind seit jeher einzigartig. Ernst, mit tiefgründigen Bedeutungen, die der durchschnittliche Hörer nicht ganz versteht, die aber auch Raum für individuelle Interpretationen schaffen. Das funktioniert auch für die Lyrics von „Luciferian Light Orchestra“. Könntest du uns Hinweise auf die Bedeutung der Lyrics geben?

Zu Beginn wollten wir mit unseren Lyrics den typischen 70er Jahre Hollywood-occult-Lyrics (wie sie Bands à la BLACK WIDOW hatten) Tribut zollen. Mit der Zeit jedoch dachten wir, es wäre Verschwendung, das Wissen und die intellektuelle Kapazität, die Thomas im Schreiben von Lyrics besitzt, nicht zu nutzen. Das Ergebnis war etwas dazwischen, in den meisten Fällen einfachere und bodenständigere Themen als bei THERION, aber immer noch mit der unerwarteten Wendung, verstecktes Wissen entdecken zu können.

Ein Beispiel:
„A Black Mass In Paris“ liest sich bei beim ersten Durchlesen wie typische gothic-occult-fantasy-Lyric. Es gibt jedoch Hinweise (die du, wenn du tiefer gräbst, erkennst) auf die Pariser Exzesse des jungen adeligen Jacques d’Adelswärd-Fersen im letzten Jahrhundert. Er feierte dekadente Partys mit Drogen, Alkohol und Sex. Es gab darüber hinaus okkulte Elemente. Einige Quellen berichten von echten satanistischen, schwarzen Messen, während andere Quellen davon ausgehen, dass diese Messen lediglich Accessoires waren, die die Partyatmosphäre aufheizen sollten. Nichtsdestotrotz wurde er verhaftet und des Satanismus und des Verkehrs mit minderjährigen Burschen angeklagt. Nach einer 6 monatigen Haftstrafe floh er auf die Insel Capri (ein weiterer Ort spektakulärer Tatsachen und Mythen). Was jedoch wirklich in der 18th Avenue de Friedland geschah – es bleibt offen für Spekulationen.

THERION ermutigte seine Zuhörer oft, im Internet nach der tieferen Bedeutung der Lyrics zu suchen. Ich hoffe, LUCIFERIAN LIGHT ORCHESTRA kann dieses Interesse ebenfalls wecken.

Wie ist das bisherige Feedback?

Besser, als ich erhoffen konnte. Ich wusste, dass ich etwas Großartiges erschaffen hatte. Alle involvierten MusikerInnen sprachen davon, wie begeistert sie waren und lagen mir ständig mit der Frage in den Ohren, wann das Material endlich veröffentlicht werden würde. Die Mitarbeiter des Presswerkes erzählten, wie sie die Songs wieder und wieder anhörten. Freunde (ehrliche Freunde, die mir ihre aufrichtige Meinung, also auch kritisches, sagen), denen ich die Songs vorspielte, fragten mich, warum ich sie nicht als neue THERION CD veröffentliche. Die bisherigen Reviews vergaben 9/10 oder sogar bessere Bewertungen und die Resonanz der Fans ist zu 99% positiv. Wenn es so weitergeht wie bisher, bin ich ein sehr glücklicher Mann.

Es stehen bereits die ersten Konzerttermine für LUCIFERIAN LIGHT ORCHESTRA fest. Fans kennen und lieben deine Shows mit THERION, aber was erwartet uns bei LUCIFERIAN LIGHT ORCHESTRA?

Wir sind noch in der Planungsphase und buchen gerade für die Tour, daher bin ich etwas verblüfft, dass du davon schon gehört hast. Das Live Line-up wird eine Mischung aus aktuellen und ehemaligen THERION Mitgliedern und einigen unbekannten Personen. Ich werde vielleicht ein paar kleine Gastauftritte in einem oder zwei Songs haben, aber davon abgesehen, werde ich nicht auf der Bühne stehen. Wir planen noch die Inszenierung, aber ich garantiere, dass es professionell und stilvoll sein wird – egal, in welche Richtung es gehen wird.

Bleibt LUCIFERIAN LIGHT ORCHESTRA ein Nebenprojekt oder wird es ein vollwertiges, konstantes Bandprojekt?

Es ist ein konstantes Bandprojekt.

Möchtest du zum Abschluss noch ein paar Worte an unsere Leser/Innen richten?

Danke, dass ihr das Interview gelesen habt und danke, dass ihr LUCIFERIAN LIGHT ORCHESTRA eine Chance gebt!


Christofer, ich kann mir vorstellen, wie knapp deine Zeit gerade ist, daher umso herzlicheren Dank für dieses Gespräch!


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