Interview: CARCASS - Bill Steer

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Das klingt für mich so, als ob wir zuerst Jazz und dann plötzlich Country Western gespielt hätten.

Was für ein Package, diese "Deathcrusher"-Tour - fast so sensationell wie das 89er-"Grindcrusher"-Billing mit BOLT THROWER, CARCASS, MORBID ANGEL und NAPALM DEATH! Kein Wunder, dass Stormbringer zum Interviewmarathon aufbrach und gleich drei von vier Bands vors Mikro bat...

Veröffentlicht am 02.12.2015

Stefan Baumgartner: Als du damals mit Jeff CARCASS ins Leben gerufen hast, vermischte sich dein Heavy-Metal-Background mit dem Punk/Anarcho-Vibe von Jeff. War es dieses Aufeinanderprallen der Kulturen, der den unikalen Klang prägte?

Vielleicht. Aber das war ohnehin der Zeitgeist damals - an allen Ecken und Enden vermischte sich Heavy Metal mit Punk. Bevor ich auf Jeff traf, war ich mit ein paar älteren Typen in so einer Punk-Band, die entdeckten damals grad METALLICA, VENOM und SLAYER für sich, während sie mir DISCHARGE näherbrachten. Ich denke, das war damals eine ziemlich spannende, sehr produktive Epoche, als diese beiden Welten aufeinandertrafen.

SB: Du warst damals ja auch in NAPALM DEATH zugange. Wie unterschiedlich waren die Arbeitsweisen?

Oh, da gab es große Unterschiede! NAPALM DEATH hatten ja schon zahlreiche Line-Up-Wechsel, bevor ich überhaupt dazu stieß, ich war also nicht deren erster Gitarrist. Tatsächlich war ich NAPALM-DEATH-Fan und fühlte mich durchaus geschmeichelt, als ich die Chance bekam, mit ihnen zu spielen. Sie waren ja auch älter als ich, heute ist das nicht mehr so wichtig, aber mit 17 ist ein Altersunterschied von zwei Jahren schon enorm. Ich war noch ein Kind, hatte im Gegensatz zu ihnen noch kaum Erfahrung, kam zudem aus einem ziemlich behüteten Umfeld. Die Typen von NAPALM kamen aus Mittelengland, aus der Gegend um Birmingham und lebten ihre Musik wirklich - ich war damals noch ein bisschen naiv und unschuldig, was das anbelangt. Aber es hat massig Spaß gemacht, mit ihnen spielen zu dürfen - geschrieben habe ich zwar nur relativ wenig, aber es hat mich in der kurzen Zeit von etwa zwei Jahren durchaus weitergebracht. 

Mit CARCASS war das gänzlich unterschiedlich, wir waren alle etwa gleich alt, kamen aus dem Nordwesten von England, die Zusammenarbeit war kollaborativer, aber auch auf persönlicher Ebene: wir waren gute Freunde. 

SB: War das auch der Grund, warum du dich schließlich für CARCASS entschieden hast?

Ja, schon - aber ich wusste von Anfang an, dass NAPALM DEATH keine dauerhafte Sache sein würde - das war bei denen damals so, da hat sich das Rad immer weiter gedreht. Bei CARCASS fühlte ich mich mehr Teil davon, da war ich auf persönlicher und musikalischer Ebene mehr "zu Hause".

SB: Auf der aktuellen "Deathcrusher"-Tour hast du NAPALM DEATH in Stockholm für "Deceiver" auf der Bühne unterstützt - wird das heute wieder passieren?

Keine Ahnung, das planen wir nicht wirklich. Kann sein, muss aber nicht (lacht). Es ist ja nicht das erste Mal, wir haben das auch schon mal auf einer gemeinsamen Tour in Neuseeland gemacht und dieses Mal war es ein Spontaneinfall von Shane. 

SB: War das für dich irgendwie wie ein "Flashback"?

Nein, nicht wirklich. Als ich in NAPALM DEATH war, war das Line-Up ja noch fast gänzlich ein anderes, von daher war es nicht "wie damals", auch wenn der gleiche Bandname drüber steht. Mick Harris war da noch dabei, Barney war noch nicht in der Band. Es war nicht so, dass ich nach langer Zeit wieder "nach Hause" kam und die "alten Songs" spielte - tatsächlich wusste ich nicht wirklich, was ich da tue (lacht). Das habe ich wohl gut überspielt, aber wir haben schon unseren Spaß gehabt (lacht).

SB: Euer erstes Album trägt den Titel "Reek Of Putrefaction". Was war der grauslichste Geruch, den du jemals wahrgenommen hast?

Ob ich mich an den erinnern will (lacht)? Ich denke da an eine Zeit in Holland, da habe ich irgendwo in einer Spelunke auf dem Boden übernachtet, und der Boden war richtig nass und klebrig von irgendwelchen Flüssigkeiten, das roch nach jahrealter Katzenpisse oder so. Das war doch ziemlich widerwärtig.

SB: Auf "Reek Of Putrefaction" hattet ihr auch den netten Spruch abgedruckt: "The world is a dead carcass and the purpose of human beings is as maggots." Ist das nicht eine reichlich düstere Weltsicht für drei Jungs, die aus der Mittelklasse stammen?

(lacht) Ken und ich waren definitiv absolute Mittelklasse, Jeff würde sich wohl eher als Arbeiterklasse bezeichnen, da müsstest du ihn selber fragen. Das Zitat stammt ja von Alison Moyet, und wir fanden das ziemlich bizarr, sowas von einer Popsängerin zu hören. Es passte einfach gut zum Album und zu unserem Bandnamen. Es ist definitiv nicht meine Weltsicht, ich mag Menschen, ich bin nicht misanthropisch veranlagt. Ich wache morgens lieber mit einer positiven Grundstimmung auf - andersrum wäre es für mich zu niederschmetternd, das Bett zu verlassen.

 

Leichenteile und Whisky: Zwei Leidenschaften, die sich CARCASS mit Stormbringer teilen.

 

Robert Fröwein: Demnächst kommt "The Revenant", ein Film mit Leonardo DiCaprio in die Kinos. In diesem Film muss er in einem Tierkadaver übernachten, um zu überleben. Auch wenn du Vegetarier bist: Welches Tier würdest du als wärmenden Schlafplatz erwählen?

(lacht) Ja, es stimmt, ich esse kein Fleisch - aber wenn es ums Überleben geht, dann bin ich mir selbst der Nächste, ganz klar. Im Fall des Falles würde ich auch einen Menschen essen, wenn es um meinen Fortbestand geht.

SB: Du bist prägender Teil der Grindcore-Szene seit ihren Anfängen. Wie siehst du ihre Entwicklung?

Da bin ich vielleicht der falsche Ansprechpartner, weil ich mich einige Zeit aus ihr auch privat zurückgezogen und demnach nicht wirklich die Entwicklungen verfolgt habe. In der Zeit, als CARCASS pausierten, habe ich mich mit extremer Musik gar nicht beschäftigt. Das war vielleicht auch der Grund, warum es bei mir einiges an Überzeugungsarbeit benötigt hat, als das Thema aufkam, die Band wiederzubeleben. Die anderen waren überzeugt davon, dass CARCASS immer noch Relevanz hatte, dass die Leute uns gern wieder auf der Bühne sehen, gern wieder ein neues Album hören würden - ich war mir dessen nicht so bewusst. Für mich war das Kapitel eigentlich abgeschlossen, ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, dass das erfolgversprechend sein könnte und musste von den anderen etwas überzeugt werden. Jetzt, wo wir wieder da sind, kann ich sagen, dass sich die Szene schon massiv gewandelt hat - hauptsächlich aufgrund des Internets. Die Szene ist größer, im Hintergrund stehen mittlerweile auch wirklich große Labels, es ist nicht mehr der Underground, der es damals war. Allein wenn du die Promoarbeit hernimmst: Für "Surgical Steel" haben wir an einem Tag mehr Interviews gegeben, als damals für die "Heartwork" in einem Jahr! Diese unglaubliche Maschinerie, die da im Hintergrund abläuft, hat damals noch nicht auf unserer Ebene existiert.

SB: CARCASS hat sich über die Jahre sicherlich einen Kultstatus erarbeitet ...

Ja, die Alben haben bewiesen, dass sie die Zeit überdauern. Es ist aber auch toll für uns, dass wir neue Fans dazugewinnen, dass wir nicht nur eine Band für Nostalgiker sind, die halt der "guten, alten Zeit" hinterher trauern. Das bedeutet uns schon viel.

SB: Demnach wirst du sicherlich mit Spannung der Grindcore-Doku "Slave To The Grind" von Doug Brown entgegenfiebern, die am 1. Dezember 2017 veröffentlicht werden soll.

Tatsächlich höre ich jetzt zum ersten Mal von der Doku, die muss ich mir auf jeden Fall anschauen (lacht). Der Begriff "Grindcore" wurde ja vom NAPALM-DEATH-Schlagzeuger Mick Harris geprägt, er hat ihn permanent verwendet - aber sonst niemand. Und heute ist es ein Begriff für zig Bands!

SB: Wie hast du denn damals CARCASS betitelt?

Uff, keine Ahnung. Viele ordneten uns dem Death Metal zu, aber das passte nicht wirklich, weil wir schon etwas ruppiger agierten als die damaligen Death-Metal-Bands. Es ist schon klar, irgendwo muss man jede Band einordnen, aber wir haben da nicht wirklich reingepasst. Der Begriff "Grindcore" wurde uns damals jedenfalls nicht zugeschrieben, das passierte dann erst viel später. Für mich ist es dann auch immer wieder lustig, wenn du auf die Stilkorrektur angesprochen wirst: "Zuerst habt ihr Grindcore gespielt, dann Death Metal." Das klingt für mich so, als ob wir zuerst Jazz und dann plötzlich Country Western gespielt hätten (lacht). Für mich ist sowohl Death Metal als auch Grindcore ziemlich laute, heftige Musik. Heute wird alles noch weiter in Subgenres aufgesplittet, das war damals einfach noch nicht üblich oder überhaupt nötig.

SB: Chirurgie und Medizin waren von Anfang an Schwerpunktthemen bei CARCASS. Hast du jemals daran gedacht, tatsächlich auch beruflich ein Skalpell in der Hand zu halten?

(lacht) Oh, nein! Absolut nicht, dafür bin ich nicht der Mensch (lacht)! Da muss man überaus diszipliniert sein, fokussiert - und das bin ich definitiv nicht (lacht). Dieser thematische Fokus passierte auch eher zufällig. Ken schrieb damals in der Schule Texte - wir hatten noch nicht einmal eine Band -, und ich fand das, was er schrieb richtiggehend arg. Als Jeff dann dazu stieß, baute er darauf auf und schob noch ein Schäufelchen nach.

SB: Vegetarismus war bei euch auch immer ein großes Thema, insbesondere auf euren ersten beiden Alben, aber auch auf "Surgical Steel" mit "Unfit For Human Consumption" und "Captive Bolt Pistol". Wie wichtig glaubst du ist es, wenn Musiker wie du, oder auch Barney von NAPALM DEATH oder Travis von CATTLE DECAPITATION aktiver Teil der medialen Diskussion rund um Ernährungsfragen, eben nachhaltiger Natur, sind?

Du wirst zwar darauf angesprochen, aber für mich ist das einfach eine persönliche Entscheidung, ich sehe mich da jetzt nicht als Ernährungspapst. Ich weiß von den meisten Musikern, die ich schätze, nicht einmal, welche politische Orientierung sie haben. Es ist mir auch gänzlich egal, ich will einfach nur ihre Musik genießen. Natürlich gibt es Künstler, die eine starke soziopolitische Haltung einnehmen, CARCASS ist aber definitiv kein Teil dieser Strömung. Sowohl für Jeff als auch mich ist es eine rein persönliche Entscheidung, dass wir weder Fleisch noch Fisch essen. In meiner Jugend war ich vielleicht ein bisschen moralisierend unterwegs, aber das hat sich mit den Jahren dann auch gegeben. Mittlerweile ist mir klar, das mein Moralkodex nicht mit jedem anderen Menschen d'accord gehen kann und auch nicht muss. Jeder Mensch hat eine andere Weltsicht, und das ist sein gutes Recht.

Robert Fröwein: "Surgical Steel" war eine Wiederkehr, die nicht nur gut gelang sondern auch auf wirtschaftliche Ebene beachtlich war. Glaubst du, dass ihr es noch tiefer hinein in den Mainstream schafft?

Das bezweifle ich stark. Wir sind immer noch eine Underground-Band, auch wenn das Interesse an uns ein großes ist, insbesondere jetzt mit dem aktuellen Album. Ich erwarte mir für das nächste Album ähnliche Zahlen, vielleicht ein bisschen bessere - aber einen großen Sprung wird es bei CARCASS definitiv nicht geben, das würde mich dann schon stark verwundern. Wir spielen nach wie vor nicht in der ersten Liga, aber das ist auch eine angenehme Komfortzone. Es wäre nicht realistisch nach etwas zu streben, wo du nicht reinpasst, dich nicht wohlfühlst. Das war aber auch nie unser Anspruch. Wir wollten damals einfach nur ein Demo aufnehmen, mehr nicht. Dann folgten ein paar Auftritte, das erste Album - da waren nie Zielsteckungen dahinter.

RF: Aber die Möglichkeit besteht durchaus, wenn wir uns den Erfolg von AMON AMARTH beispielsweise ansehen ...

Ja, aber was AMON AMARTH machen ist für die Masse sicher leichter verdaulich als unsere Musik. Das Image ist ein breitenwirksameres, die Musik ebenso - wir sind da einen Tick zu abgedreht. Natürlich könnte ich mich auch irren, ich hätte natürlich nichts gegen eine positivere Entwicklung als bisher (lacht).

SB: Ich habe von dir ein Zitat gelesen, dass es für dich "erlösend" war, als es CARCASS wieder gab, weil dir der "Weg, den der Heavy Metal eingeschlagen hat" nicht wirklich gefiel. Kannst du das näher erörtern?

Ich habe es niemals verheimlicht, dass mir die aktuelle Musik nicht wirklich zusagt, aber ich glaube, das wurde ein bisschen falsch aufgefasst. Ich wollte damit niemanden angreifen oder beleidigen, oder mich als Richter über sie stellen. Ich bin einfach nur gefragt worden, ob ich mir neue Bands anhöre, und ich verneinte. Das ist ein bisschen aufgebauscht worden, aber dazu stehe ich auch: Mir gefallen die ganzen neuen Produktionen nicht. Ich vermisse die organische Wärme, die Spontanität. Ähnlich wie in der Popmusik - und plötzlich hast du deren Eigenheiten auch im extremen Metalbereich. Natürlich muss ich uns selbst auch bei der Nase nehmen, "Surgical Steel" klingt moderner als unsere alten Alben, auch und gerade bei der Produktion, aber es ist nach wie vor nicht auf "perfekt" und klinisch getrimmt.

SB: Wenn du schon keine neuen Bands hörst, wie steht es dann um die neueren Alben der Bands aus "deiner Zeit" - was weiß ich, BOLT THROWER, NAPALM DEATH, METALLICA, SLAYER oder BLACK SABBATH?

Darüber möchte ich kein Urteil fällen. Wenn du BLACK SABBATH hernimmst: Wenn das ein Die-Hard-Fan hört, dann wird er zumindest auch gute Stellen darin finden, und es ist immerhin verdammt noch einmal Tony Iommi an der Gitarre! Aber ich glaube, keiner wird allen Ernstes behaupten, dass es genau so stark wie zum Beispiel "Vol. 4" ist. Aber das ist nur ganz natürlich, und ich bin mir ziemlich sicher, dass das viele auch über CARCASS sagen. "Necroticism" wird wohl für viele auf immer ihre Lieblingsscheibe bleiben, die werden wir nicht toppen können. Viel vom neuen NAPALM-DEATH-Zeug habe ich überhaupt erst jetzt auf der Tour und live gehört und für mich klingt das typisch nach NAPALM, fügt sich hervorragend in das alte Material ein. Die letzte OBITUARY war auch immens authentisch, die wirkt nicht aufgesetzt oder zwanghaft.

SB: Jeff hat gesagt, Ken Owen ist wie Eddie für IRON MAIDEN. Wie elementar ist seine Rolle in CARCASS tatsächlich?

Ken ist extrem wichtig für uns, er war von Anfang an Teil von CARCASS und er ist nach wie vor ein sehr, sehr guter Freund. Als wir "Surgical Steel" abschlossen, war es für uns wichtig, ihn einzuladen und seine Meinung zu hören - und natürlich auch die eine oder andere Gesangsspur einsingen zu lassen. Wir waren uns schon ziemlich sicher, dass er die Scheibe mögen würde, aber wir wollten auf Nummer sicher gehen. Uns fiel auch ein Stein vom Herzen, dass er nichts am Schlagzeug auszusetzen hatte (lacht), das gefiel ihm sogar richtig gut. Das war für Dan natürlich eine große Ehre, aber auch war für uns seine Segnung nicht unwichtig!

Ich glaube, das ist auch die häufigste Frage, die wir gestellt bekommen: "Wie geht's Ken?" - und ja, ihm geht es gut, er hat ein gutes, angenehmes Leben. Viele verwundert es vielleicht, dass er nicht bei jeder Show von uns dabei ist, aber Musik ist nicht sein einziger Lebensinhalt. Er muss sich auch nach wie vor stark um seine Gesundheit kümmern, das nimmt dann natürlich auch eine gewisse Zeit in Anspruch, er hat ein anderes soziales Umfeld als wir - von daher hat er noch andere Prioritäten in seinem Leben. Aber ja, wir sind gut befreundet und ich hoffe, ich sehe ihn noch vor Weihnachten.

RF: Apropos Freunde: Wusstest du, dass CARCASS in einer Episode der Sitcom "Friends" erwähnt wird, als jemand euch als Hochzeitsband gewinnen möchte?

(lacht) Ja, und das hat mich dann doch etwas verwundert - weil CARCASS existierte zu dem Zeitpunkt schon ein paar Jahre nicht mehr. Das war schon ziemlich grotesk, aber auch lustig.

RF: ANTHRAX hatten ja einen Auftritt in der "Schrecklich netten Familie". Wäre das auch etwas, das du dir vorstellen könntest?

(lacht) Ich glaube nicht, dass ich uns da in einer Sitcom durch den Kakao gezogen sehen wollen würde. Oder besser: nochmal. Jeff und ich hatten einen Cameo-Auftritt in der britischen Serie "Red Dwarf", aber die ist hierzulande glaube ich eher unbekannt. Das war schon witzig, war wenig Arbeit aber gut bezahlt - von daher ... Und wir kriegen alle sechs Monate immer noch ein kleines bisschen Geld aus den DVD-Verkäufen, das ist schon verrückt. Aber: Nicht einmal ich habe mir die Show jemals angeschaut (lacht), die lief auf BBC2 oder so, glaube ich.

 

 

RF: Jeff ist bekannt für seine schwarzhumorigen, sarkastischen, spitzzüngigen Aussagen. Teilt ihr euch euren Humor?

Wir treffen uns in der Mitte, lass uns das einmal so sagen (lacht). Da gibt es Dinge, die ich witzig finde und er überhaupt nicht versteht - und umgekehrt. Er ist halt ein typischer Engländer aus dem Nordwesten, richtig bissig und manchmal grob. Ich bin da so ein Mittelding, meine Mutter ist Schottin, mein Vater aus dem Süden - und ich bin in verschiedenen Teilen Englands aufgewachsen, von daher ist mein Humor auch ein bisschen ein Mischmasch. Ich habe dahingehend nicht wirklich eine reine "Identität".

RF: Aber auf freundschaftlicher Ebene funktioniert es nach wie vor?

Ja, absolut. Natürlich gibt es Momente, wo wir uns gegenseitig ankotzen, das kommt bei guten Freundschaften auch einmal vor - insbesondere, wenn man finanziell voneinander abhängig ist. Aber verglichen mit dem persönlichen Verhältnis, das ich bei vielen anderen Bands beobachte, ist unseres wirklich, wirklich gut.

RF: Ihr werdet rückblickend betrachtet nicht nur als die Urväter des Grindcore, sondern auch als (Mit-)begründer der melodischen Death-Metal-Szene betitelt. Wart ihr vor den Herren aus Göteborg da?

Das kümmert mich eigentlich nicht wirklich. Ja, heute wird das als die "Göteborger Schule" bezeichnet, aber es heißt, das "Heartwork" einen Tick früher raus kam. Aber im Grunde ist das auch egal: Bands wie AT THE GATES sind wirklich groß geworden, insbesondere in den Staaten, von daher passt die Bezeichnung schon so. Das ist für mich nicht das Ende der Welt, dass wir da nicht auch noch namgebend waren (lacht).

RF: Aber einer gemeinsamen Tour mit den Schweden-Heroen, wie jetzt mit NAPALM DEATH, wärst du durchaus aufgeschlossen?

Ja, da wäre ich durchaus dabei. Vor Jahren war eine gemeinsame Tour mit AT THE GATES schon im Gespräch, und wir haben auch klar gesagt: AT THE GATES sollen headlinen, aber aus irgendeinem Grund wollten sie nicht. Vielleicht wollten sie mit so einer Band wie CARCASS nicht in einen Kontext gesetzt werden (lacht), ich weiß es nicht.

SB: Nachdem du vorhin meintest, du seist halber Schotte: Wäre CARCASS ein Whisky, dann wäre es welcher?

(lacht) Es wäre wohl ein ziemlich komplexes Geschmackspotpourri. Jahrelang habe ich die Islay-Malts wie Lagavulin und Ardbeg bevorzugt, heute kann ich die nur mehr ganz gechillt im Winter am Abend vorm Einschlafen trinken. Whiskys wie Glenmorangie, Macallan oder Glenlivet kann man jedoch immer trinken, das ganze Jahr über, auch untertags. Die trinke ich mittlerweile viel lieber, sind angenehmer, runder. Aber was CARCASS wohl wäre? Vermutlich ein Talisker. 


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