Interview: GENTLEMANS PISTOLS - Bill Steer

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Die Tätigkeit bei den GENTLEMANS PISTOLS ist wie Urlaub für mich.

"Hustler's Row" ist zweifellos eines der besten Classic-Rock-Alben dieses schönen Jahres. Grund genug, uns Gitarrist Bill Steer zu schnappen, um über die GENTLEMANS PISTOLS und die Unterschiede zu seiner Stammband CARCASS zu quatschen.

Veröffentlicht am 11.12.2015

Minimaler Aufwand, maximaler Ertrag - nach dieser wirtschaftlichen Prämisse arbeiten wir auch in den Wiener Stormbringer Towers, und haben uns CARCASS-Gitarrist Bill Steer im Zuge der fulminanten "Deathcrusher"-Tour nicht nur zum entspannten Plausch über seine legendäre Stammband geschnappt, sondern nach netten Geschichten über Tierleichen, Whisky und TV-Sitcoms auch noch ein paar Fragen zum grandiosen Rock-Projekt GENTLEMANS PISTOLS draufgepackt, die der schmucke Mittvierziger bereitwillig und gewohnt britisch-humorig beantwortete. Eine kleine Lehrstunde in alte Bluesrock-Zeiten und wirre Ideen inklusive.

Bill, mit „Hustler’s Row“ habt ihr unlängst das dritte Studioalbum der GENTLEMANS PISTOLS veröffentlicht. Das zweite, auf dem du als Gitarrist zu hören bist. Was schätzt du an dieser Art von zurückgelehntem Classic Rock im Direktvergleich zum Death Metal bei deiner Hauptband CARCASS?

Es ist eben eine ganz andere Welt, du hast es eh schon gesagt. Bei CARCASS kann ich mich auf der Bühne im Prinzip keine Sekunde ausruhen, weil die Songteile oft so komplex sind, dass du jeden Fehler hörst. Die Anspannung ist einfach irrsinnig hoch. Bei den GENTLEMANS PISTOLS kann ich auch mal durchatmen und etwas relaxter an die Sache gehen, ohne dass man das einem Song gleich anhören würde. Es ist einfach ein ganz anderes Gefühl. Außerdem habe ich mit dem Songwriting-Prozess nichts am Hut, sondern spiele hier einfach nur als Fan dieser Band und dieser Musikrichtung die Lead-Gitarre. Ich liebe die Jungs und Frontmann James Atkinson schreibt einfach Killersongs. Für mich ist die Tätigkeit wie ein Urlaub. Im Prinzip geben mir beide Bands viel und zusammengefasst erfüllt das mein musikalisches Leben sehr gut.

Das Rampenlicht fällt bei CARCASS natürlich auf Jeff Walker, bei den GENTLEMANS PISTOLS auf James Atkinson – wo sind die großen Unterschiede zwischen den beiden führenden Personen dieser Bands?

Jeff ist nicht nur Frontmann bei CARCASS, sondern auch das Hirn und der Manager der Band. Es ist unglaublich, wie viele verschiedene Dinge er im Auge behält – vor allem für einen Typen wie mich, der, wenn es gut läuft, gerade mal auf eine Sache konzentriert ist. (lacht) Jeff hat schon einen stressigen Job – James hingegen ist mehr der traditionelle Songwriter und Bandleader, der aber nicht unbedingt für das Rundherum zuständig ist. Bei den GENTLEMANS PISTOLS wird die Verantwortung viel mehr auf alle Mitglieder aufgeteilt und wer gerade da ist, der hilft überall aus.

Der Sound eurer Band beruft sich sehr stark auf die glorreichen Zeiten des 70er-Rock – was magst du so gerne an dieser Ära?

In erster Linie bin ich mit dieser Musik aufgewachsen, es war die erste Art von Rock, die ich in meinem Leben gehört habe und insofern schwingt für mich natürlich sehr viel Nostalgie mit. Andererseits klingt „Hustler’s Row“ sehr stark wie ein klassisches DEEP PURPLE-Album, was für mich wirklich völlig okay ist. Die Produktion ist einerseits sehr klassisch, aber andererseits auch total zeitgemäß und ich denke, das Album schwingt auch sehr stark durch verschiedene Gezeiten, weil wir einfach von allen Phasen der klassischen Rockmusik beeinflusst sind. Nicht alle, aber viele Musiker haben früher nach dem perfekten Sound, der perfekten Musik gesucht und dadurch extrem viel Charakter entwickelt. Fast alle meine Lieblingsbands haben ihren Ursprung in dieser Zeit, bis hinein in die frühen 80er-Jahre. Damals war alles extrem innovativ und das hört man auch auf allen Alben. Heute hat es doch schon fast alles irgendwo einmal gegeben und es wird immer härter, herauszustechen oder neue Territorien zu erforschen.

Classic Rock mit Stil - die GENTLEMANS PISTOLS mit Gitarrist Bill Steer (2.v.r.) - (c) Nuclear Blast Records

Den DEEP PURPLE- und Blues-Bezug eures Albums hast du bereits angesprochen – gibt es bestimmte Idole, die dich in diese Richtung hingehend besonders beeinflusst haben?

Ja, eine ganze Menge. Ich beschränke mich jetzt einfach auf die Gitarristen, weil das sonst den Rahmen sprengen würde, aber da gibt es beispielsweise einen ganz besonders talentierten Typen namens Snuffy Walden, von dem heute kaum jemand spricht. Er spielte damals in der Bluesrock-Band STRAY DOG, die mit ihrem selbstbetitelten Debüt wohl DAS Hard-Rock-Trio-Album der 70er-Jahre eingespielt haben. Es gab dann noch ein zweites Werk, aber das war eher kommerzieller und eingängiger ausgerichtet. Das waren einfach extrem gute Musiker, die einen sensationellen Sound hatten, sehr selbstbewusst an die Sache rangingen und ihr Talent nicht versteckten. Snuffy ist nur ein Teil, auch Billy Gibbons von ZZ TOP, JOHNNY WINTER oder Paul Kossoff, der damals bei FREE war, sind unschlagbare Kaliber.

Glaubst du, dass dein Name und deine Tätigkeit bei CARCASS den GENTS bei den Albumverkäufen entscheidend helfen?

(lacht) Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob es eine Hilfe oder ein Nachteil ist. Es könnte die Leute auch verwirren, wenn sie sich fragen, was so ein Krachmacher in dieser schönen Rockband macht. Sollte ich eine Hilfe sein, ist das natürlich gut, aber ich glaube nicht, dass dies der Fall ist, weil es einfach ein total anderes Genre ist. Mein Name ist vielleicht in der kleinen Ecke Death Metal von gewisser Bedeutung, aber das bedeutet in der großen Rockwelt genau gar nichts.

Würde es dich interessieren, künftig auch aktiv am Songwritingprozess teilzunehmen?

Ich wäre sicher nicht dagegen, aber ich bin auch niemand, der sich in ein System reinquetschen muss, das eigentlich sehr gut funktioniert. Ich bin erst seit ein paar Jahren in der Band, spiele die Lead-Gitarre und sorge für die Harmonien – meine Rolle bei den GENTLEMANS PISTOLS ist ziemlich gesetzt. Mir macht es so Spaß und ich hätte auch noch die Möglichkeit, meine eigene Band zu forcieren, aber dazu bin ich derzeit in allen Bereichen zu beschäftigt.

Wie wäre es denn mit einem CARCASS-Song im 70s-Rock-Outfit der GENTLEMANS PISTOLS?

(lacht) Das wäre ziemlich verrückt. Ich weiß auch nicht, welcher Song sich dazu eignen würde, aber eigentlich ist die Idee einfach nur irre.


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