Interview: MANTAR - Erinc

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Der Aspekt "Aussehen" spielte beim Durchstarten wohl keine so große Rolle, da wir zu dick, zu dünn und eher unwesentlich gutaussehend sind.

"Simplifikationen, Clarice." Diese Maxime gilt nicht nur für psychopathische Kannibalen, sondern auch für den Metal. MANTAR reizen dieses Extrem aus und sind dabei fast schon Punk. Aber nur fast. Ich konnte Drummer Erinc ein wenig zum zweiten Album "Ode To The Flame" aus den Rippen leiern..

Veröffentlicht am 14.03.2016

Dafür dass euer Debut eigentlich nur für ein paar Freunde geplant war, startet ihr grad ordentlich durch, oder ?

Bescheidener weise würde ich sagen „es läuft“. Das wir so viel Anklang bekommen, hätten wir in der Tat nicht gedacht. Ich meine, wir stecken ausnahmslos all unsere Zeit und Energie in MANTAR, aber das ist ja bekanntlich nicht automatisch eine Erfolgsgarantie. Dementsprechend haben bei uns wohl einige Faktoren gut zusammengepasst, oder wir haben bei unserer Hörerschaft einfach einen besonderen Nerv getroffen. Der Aspekt "Aussehen" spielte beim Durchstarten wohl keine so große Rolle, da wir zu dick, zu dünn und eher unwesentlich gutaussehend sind.

"Death By Burning" hat ja einigen Staub aufgewirbelt und eigentlich schnell Anklang gefunden bei den Leuten. Habt ihr da dann einen gewissen "Erfolgsdruck" verspürt bei den Aufnahmen zweiten Scheibe ?

Nicht unbedingt. Schließlich hatten wir niemandem ein zweites Album versprochen und waren damit nicht in der Position, abliefern zu müssen. Hätte uns das Ergebnis aus den Studiosessions nicht gefallen, wären wir uns aber auch nicht zu schade gewesen, die Takes zu verwerfen. Wahrscheinlich hätten wir doch nicht alles komplett verworfen, aber der Gedanke nahm zumindest viel Spannung und Druck aus der Sache. Glücklicherweise mussten wir uns im Endeffekt nicht mit solchen Verwerfungsgedanken beschäftigen - wir finden die neue MANTAR-Platte nämlich Bombe!

Wahrscheinlich nicht nur ihr, denke ich mal. Von dir aus gesehen: was ist denn der größte Unterschied von "Ode To The Flame" zu "Death By Burning" ?

Der Entstehungsprozess war schon mal anders. Während wir für „Death By Burning“ ein ganzes Jahr entspannt im Proberaum rumgedoktert  haben, ist die zweite Platte inmitten einer prallen Festivalsaison in einem gemieteten Proberaum in Bremen entstanden. Zeit war nicht wirklich da, also musste man mit dem arbeiten, was man kriegen konnte. Vieles ist auch in penibler Heimarbeit entstanden. Das war schon eine anstrengende und nervenaufreibende Zeit, und es wir haben uns im Proberaum auch gerne mal die Köppe eingeschlagen. Erfreulicherweise wirkt sich eine gewisse Grundaggression positiv auf den Energielevel von harter Musik aus und daher glaube ich  nicht, dass wir unter anderen Umständen ein besseres Ergebnis erzielt hätten. Grundsätzlich denke ich, dass „Ode To The Flame“ mehr Metal ist als sein Vorgänger. Es gibt mehr epische Momente und alles ist noch lauter.

Und dann scheint ihr es ja mit dem Feuer zu haben, Flame... Burning... oder war das eher Zufall ?

Feuer hat die Kraft etwas komplett zu zerstören, um daraufhin den Weg für einen Neuanfang vom Nullpunkt zu ebnen. Das hat schon was faszinierendes. Flammen können sehr schön sein und gleichermaßen sehr viel Schmerz erzeugen.

Auch in Übersee habt ihr einiges an Aufmerksamkeit erweckt mit eurem Debut, hat euch das anfangs ein wenig überrascht ?

Wir haben ja generell nicht mit viel Aufmerksamkeit gerechnet, dennoch war dieses Überseeding schon was besonders. Jeder malt sich doch schließlich in irgendeiner Form aus, wie geil es wäre in den Staaten zu touren und dort Platten zu verkaufen. Der Markt ist groß und dankbar. Den Stein ins Rollen brachte womöglich der wohlwollende "Pitchfork"-Artikel über unsere Platte. Wie und warum die grade auf uns gekommen sind kann ich beim besten Willen nicht sagen, aber irgendwo zwischen FOO FIGHTERS und DAVID BOWIE stand da auch, dass eine Band namens MANTAR ein krasses Album am Start hat.

Ihr seid ja beide aus Bremen und dann irgendwann nach Hamburg gezogen. Hat dieser Umzug vieles verändert, in Hinsicht auf die musikalische Zukunft und folglich die Gründung von MANTAR?

Unser beider Umzug nach Hamburg ist Jahre vor der Gründung von MANTAR passiert und hat eigentlich keinen Einfluss auf die Band gehabt. Und eigentlich möchte ich nicht verleugnen, dass im Exil Freundschaften einen besonderen Stellenwert haben. Wir kannten uns ja schon Jahre bevor es uns nach Hamburg trieb und wir aus beruflichen oder privaten Gründen Familie und viele Freunde zurückgelassen haben. So ein Schicksal verbindet halt. Auch wenn's nicht so tragisch ist wie es klingt, da Hamburg nur knapp 100 Kilometer nördlich von Bremen liegt, war's für uns was Grosses. Abgesehen davon, dass ich schon immer ein großer Fan von Hannos Gitarrenspiel und „Abgehlevel“ - den er übrigens schon mit Fünfzehn hatte - war, und er auch was mit meinem Gekloppe anfangen konnte, hat die Ferne uns bestimmt auch ein wenig in die gegenseitigen musikalischen Arme getrieben.

Warum seid ihr dann im Endeffekt zu zweit geblieben und habt nicht zusätzliche Musiker in die Band geholt ?

Ganz einfach...es wollte zu Beginn der Band einfach kein weiterer Musiker mitmachen. Entweder passte die musikalische Idee nicht oder es fehlte die Zeit. Daher hat es sich einfach so ergeben. Es ist zwar kein Dogma-Ding, dass wir zu zweit sind, aber ganz ehrlich - nachdem wir uns da nun so reingefuchst haben, warum sollten wir uns jetzt noch weitere Musiker an Bord holen? Um fetter zu klingen? MANTAR funktioniert so wie wir sind. Zu zweit zu sein ist unkompliziert und einfach, und wir können sehr gut mit der Limitierung arbeiten. Vielleicht sogar besser als in einer vier- oder fünf-köpfigen Band. Und eine durch zwei geteilte Gage macht auch mehr  her, hehehe!

Ich hab vor Kurzem erst INQUISITION Gesehen, die ja auch nur ein Duo sind, und war von deren Sound und Performance echt weggeblasen. Was macht ihr live anders als "normale" Bands, um möglichst wuchtig zu klingen ?

Wir benutzen einfach drei Verstärker und lassen sie alle gleichzeitig laufen. Voll aufgedreht natürlich. Vielleicht stocken wir bald sogar auf vier Amps auf, mal kucken. Im Studio benutzen wir übrigens das gleiche Equipment wie auf der Bühne, so dass wir uns keine Sorgen machen müssen, wie wir etwas live umsetzen. Alles ganz einfach eigentlich. Ach ja: die Drums natürlich auch immer auf die Zwölf!

Klar, wir sind ja im Metal und nicht im Seniorenheim. Wart ihr live schon mal bei dem Moment wo ihr dachtet "ok, hier wäre ein Bass oder eine zweite Gitarre jetzt schon toll" ?

Nein. Auf der Bühne vermisse ich soweit nix. Aber auch im Studio ist die Limitierung unser Steckenpferd. Wir drehen den Kasper einfach und machen unsere personellen Schwächen zu Stärken. Ein guter Groove und ein gutes Riff ist oftmals besser, als musikalische Vielschichtigkeit, die halbherzig ist.

Manche bezeichnen euch ja sogar als "Punk", so wie Leute auch DARKTHRONE oft als Punk bezeichnen. Wie viel Punk steckt wirklich in MANTAR bzw. euch beiden ?

Auch wenn nicht allzu viel Punk bei MANTAR raus zu hören ist, geht’s hier ganz klar um die Attitüde zu dem Ganzen. Auf der einen Seite haben wir beide einen gewissen Punk-Background, sind mit dieser Musik aufgewachsen, haben selber in Punk-Bands gespielt und lieben die Energie und die Freiheit, die der Punk-Ethos versprüht. Andererseits sind wir sehr DIY. Man kann schon vieles, fast sogar alles selber machen. Solange einem die Zeit nicht einen Strich durch die Rechnung macht, geht das lange gut und man behält den Überblick.

Lässt sich eure Musik denn überhaupt "labeln"? Ich weiß, Schubladen und so. Aber mache stehen halt drauf...

Wir haben mal den Wunsch geäußert, nicht in die Sludge-Tonne geworfen zu werden, aber im Grunde kann's jeder nennen wie er mag. Im Grunde nenn ich es "Heavy Rock" oder "Black Doom-Punk", für die Begriffskettenliebhaber.

...so wie mich, haha! Euer erstes Album erschien ja noch bei dem kleinen Label "Svart", jetzt seid ihr bei Nuclear Blast gelandet. Sieht so aus, als hätte MANTAR in den letzten zwei Jahren an Bedeutung gewonnen, oder?

Zumindest sind einige Damen und Herren auf uns aufmerksam geworden. Wohl wegen der Musik, als auch weil wir Arbeitstiere sind, die sich gerne in kurzer Zeit den Arsch abspielen. Man trifft halt hier und da mal jemanden, der uns live gesehen hat und es seinem großen Bruder erzählt, der dann nächstes Mal mit seinen zwei Freunden zu unserem Konzert kommt. Soviel Bedeutungszuwachs durften wir glücklicherweise einige Male erleben.

Merkt ihr eigentlich irgendwie auch einen momentanen Trend hin zum "simpleren" Black/Death, dass die Leute lieber kurze und bündige Nummern hören möchten und keine elendslangen Epen?

Das kann ich nicht wirklich beobachten. Gerade in der Vielschichtigkeit von Black, Death und Doom hat für mich jeder Teilabschnitt seinen Stellenwert, ob lang oder kurz.

Klar. Aber ich finde es halt witzig: auf der einen Seite hast du Bands wie MANTAR, die versuchen, möglichst rau und unverfälscht, quasi wie im Proberaum zu klingen. Auf der anderen Seite hast du Nerds wie OBSCURA, wo alles extrem präzise und fast überproduziert sein muss. Und bei beiden Bands sind wahrscheinlich die gleichen Leute im Publikum...

Das ist ganz klar das RUSH / WHITE STRIPES-Phänomen [...noch nie gehört von. Mal googeln... ; d. Verf.]. Ich kann in diesem Fall nur für mich sprechen. Wenn ich Bands höre, ist mir deren Qualität egal - solange sie mich ansprechen, bin ich froh über die erfrischende Abwechslung. As long as it’s Heavy Metal!

Glaubt ihr es liegt in der Natur des (Metal-)Menschen, die Offenbarung eher in einfachen Dingen zu suchen ? Ohne eure Musik jetzt "runterzumachen"...

Da liegt wohl ein gutes Stück Wahrheit verborgen. Oder "Stumpf ist Trumpf", wie der Volksmund sagt.  Allerdings ist der Trumpf nicht immer so stumpf, wie man anfangs glaubt. Um die Metal-Menschen jetzt nicht runterzumachen.

Soweit ich weiß entstehen fast alle eure Songs durch ausgiebiges Jammen im Proberaum ...

In gewisser Weise ja. Da wir nur zu zweit sind kommt entweder Hanno mit einer Riff-Idee, oder ich werfe einen Beat in den Raum. Dann kloppen wir darauf rum und nach einer Weile merken wir dann, ob das Mist ist oder wir daran weiterarbeiten wollen. Unsere Zwei-Mann-Demokratie ist einfach: entweder beide finden es gut oder es kommt weg.

Seid ihr da eher die Technikfreaks im Proberaum, oder mögt ihr es eher brachial, Amp, Kabel, Mikro, Achtspur-Gerät und los ?

Wir haben schon eine gewisse Technik am Start, da sonst das Drei-Verstärker-Ding nicht funktionieren würde, aber das ist schon das Maß aller Dinge. Danach wird’s brachial.

Ihr sagtet mal, eure Songs haben weder eine politische Message noch irgend eine andere Agenda. Worum drehen sich dann die Themen bei MANTAR ?

Es sind Naturthemen, Weltuntergänge, Feuer und so weiter, um die es sich bei uns dreht. Die Texte sind aber in keinem Fall wichtiger als die Musik. Man muss die Lyrics nicht verstehen um die Musik zu mögen und zu begreifen. Das ist uns wichtig und deswegen drucken wir auch keine Texte ab. Die Gewalt die wir ausdrücken funktioniert durch die Musik, mit den Vocals als weiterem Instrument.

Hinter MANTAR steckt also auch im Jahre 2016 immer noch kein "Masterplan"...?

Der Plan ist: die zweite Platte rausbringen, touren.  Alles kein Hokuspokus.

Euer Debut erschien ja sogar auf Kassette. Ist da (wieder) ein Markt vorhanden ? Ich hatte selber Unmengen von den Dingern, und teilweise hab ich sie heute noch...

Ja, es gibt hier einen klaren Retro-Trend. Viele haben ihren alten Walkman wieder heraus gekramt und fahren enorm auf den Kassettensound ab, andere wiederum kaufen Tapes und stellen sie sich originalverpackt in die Vitrine. So oder so ist die Kassette wieder im Kommen. Wahrscheinlich ist mittlerweile aber alles schicker als eine CD.

Wahrscheinlich, ja. Auf eurer ersten Platte hattet ihr dieses schöne Bild von Aron Wiesenfeld drauf, auf der zweiten eigentlich nur einen Schriftzug. Simplifikation auch hier ?

Wir mögen es gerne schlicht. Das Bild von Aron Wiesenfeld fanden wir so passend und schick, dass wir es nicht mit einem Bandlogo oder Albumtitel verderben wollten. Auf Platte Nummer Zwei ist bloß der Titel auf schwarzem Hintergrund zu sehen, wie bei einem alten Buch.

Sieht auch schick aus, ich steh ja auf alte Bücher! Eine Band, die ihre Mucke auf Kassette rausbringt, muss man nicht unbedingt fragen, ob sie nun mp3 oder Vinyl oder CD besser findet ...

Ich selber bin kein großartiger Sammler und wurde zur Blütezeit der CD musikalisch sozialisiert. Dementsprechend gehöre ich zu der Sparte Mensch, die auch gerne was in der Hand hält, zumindest wenn es gefällt.

Was läuft denn momentan so in deinem privaten mp3/CD/Kassetten -Player ?

Heute mal MOTÖRHEAD's "Inferno".

Klar, was sonst. Glaubst du es ist ein Vorteil dass ihr relativ spät erst durchgestartet seid und dadurch viele Fehler, die ganz junge Bands machen, vielleicht umschiffen konntet ?

Ich bin froh, dass wir nicht mehr grün hinter den Ohren sind. Wir sind beide relativ erdige Typen, was abgesehen von den Erfahrungen, die man im Musikbusiness sammelt, auf jeden Fall von Vorteil ist. Also ein definitives Ja.

Erinc, ich danke für das Gespräch!

Vielen Dank für euer Interesse an unserer Band. Kommt zu einem unserer Konzerte, gerade wenn ihr MANTAR noch nie live gesehen habt! Danach trinken wir noch einen Schnaps und gehen zusammen tanzen!

 

(Darauf kommen wir gerne zurück. Also auf das Tanzen ...)


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