Interview: RAGE - Band

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„Klassenfahrt für Erwachsene“

Seit 32 Jahren sind RAGE nun schon unterwegs, doch schon lange haben sie nicht mehr so vor Energie und Spaß gestrotzt. Im Interview sprechen Peavy, Lucky und Marcos darüber, wieso RAGE momentan nicht nur im hoffentlich finalen Line-Up spielen, sondern auch wieder nach den Ursprüngen der Band klingen

Text: Lora
Veröffentlicht am 05.09.2016

Ich hab mal versucht, in einer ruhigen Minute eure Wikipedia-Seite zu lesen. Es ist eine ruhige Stunde geworden. Euch gibt’s länger, als ich alt bin, ihr habt 23 Alben herausgebracht, 13 ehemalige Mitglieder und vermutlich mehr Ecken der Welt gesehen, als andere Bands je sehen werden – macht’s immer noch so viel Spaß wie am ersten Tag oder gibt es auch Phasen, in denen man aufhören will?

Lucky: Das ist eine Frage für Peavy!
Peavy: Ich muss zugeben, mit den Jungs hab ich momentan die beste Zeit meines Lebens!
Marcos: Oh ich liebe dich!
Peavy: Die bringen mich dazu, sowas zu sagen…
Lucky: …jaja, das kostet jetzt wieder 20 Euro.
Peavy: Aber ja, ich meine, wir sind schon seit Jahren gute Freunde, schon bevor sie in die Band gekommen sind. Das ist einfach die beste Situation mit der Band, die ich je hatte.

Lucky schiebt Marcos 20€ zu, Marcos schiebt sie zu Peavy.

Marcos: Wir haben immer Spaß!
Peavy: Wir nehmen echt kaum etwas ernst. Bei den vorherigen Line-Ups war das immer eher wie ein Job für mich, wir hatten kaum privaten Kontakt in der Band, es war wirklich wie wenn man zur Arbeit geht aber ansonsten alleine seinen Weg geht. Jetzt ist das irgendwie, wie wenn man als Schüler mit seiner Klasse unterwegs ist.
Lucky: Wir nennen das auch immer „Klassenfahrt für Erwachsene“!

 

Euer neustes Album kam ja in 2/3-Neubesetzung. Den alten Stil tatsächlich beizubehalten war also eigentlich nicht wirklich möglich. Hattet ihr Angst, dass das bei den Fans nicht so gut ankommt?

Peavy: Lucky und Marcos haben es möglich gemacht wieder zum ursprünglichen Stil der Band zurückzukehren. Die beiden sind mit der Band aufgewachsen. Als sie Teenager waren, war RAGE eine der ersten Bands, die sie gehört haben. Besonders Marcos hat den besonderen Stil der Band übernommen. Das ist totaler Wahnsinn – die Band klang schon lange nicht mehr so nach RAGE wie momentan.

 

Das Album kam ja im Juni raus, die erste Aufregung sollte also schon verflogen sein. Ist das für euch schon eine Art Routine? Ab ins Studio, raus mit dem Album, auf Tour gehen damit?

Marcos: Ne, das Gefühl ist noch nicht weg.
Lucky: Um ehrlich zu sein, wir haben das Album heute auf dem Weg hierher gehört. Wir hören es gerne, wir mögen es, das wird auch immer so weitergehen.
Peavy: Stell dir das vor wie im Film „Wayne's World“. Da gibt’s eine Szene, da fahren sie im Auto und hören Bohemian Rhapsody.
Marcos: Headbangend!
Peavy: So fahren wir auch Auto.

 

Was gefällt euch besonders gut am neuen Album? Was kommt besonders gut an?

Peavy: Eindeutig die Musik!
Lucky: Da hast du nochmal 20€! Ich glaube es ist die Chemie, die das Album mit sich bringt. Das fühlen nicht nur die Fans sondern auch das Label und die Presse. Wir sind nicht nur im Songwriting sehr verbunden, sondern auch darin, was den Sound der Band betrifft. Das ist einfach RAGE, es klingt nach RAGE. Ich bin ein Fan und kann als Fan sagen, das Album klingt sehr oldschool nach dem originalen Stil der Band. Dieser pure Klang ist das, was ich am meisten mag. Es ist nicht überproduziert, es ist einfach natürlich und kommt zum Punkt. Es ist kein Aufzeigen von verschiedenen Charakteren, sondern eine verbundene Band. Das mag ich am meisten, das mögen wir eigentlich alle am meisten. Es ist einfach total RAGE.

 

Mich würd mal interessieren wie das so ist, wenn es ein Bandmitglied gibt, das von Anfang an dabei ist, der Rest aber immer wieder verändert wurde. Ist das so wie die erste Woche im neuen Job? Alle kennen sich, nur man selbst kennt nicht mal den Weg in die Kantine?

Lucky: Naja, du siehst ja, ich bin nicht mehr 17. Ich bin ja schon 25+.
Peavy: 25+…
Lucky: Ich kenne die Jungs und die Band seit den 80ern. Ich habe früher als Techniker für die Band gearbeitet, bin mit ihnen gereist – für mich ist es nicht so, dass ich mit neuen Leuten unterwegs bin. Meine Rolle in der Band ist halt neu. Für mich ist es das Wichtigste in meinem Leben, Schlagzeuger in dieser Band zu sein und diese Möglichkeit ist so besonders für mich, dass ich es kaum in Wort fassen kann. Ich kann meinen Traum leben und das machen, was ich mir immer gewünscht habe. Es fühlt sich verrückt an, dass das Wirklichkeit wurde. Aber gleichzeitig fühlt es sich total gut an, weil man die Leute kennt, man ist gut befreundet, man kann offen mit ihnen reden und dir wird zugehört. Du kannst deine Gedanken offen zeigen und man respektiert sich gegenseitig. Das macht es so angenehm. Ja, es ist neu, es ist frisch und aufregend, aber eben auch ungezwungen.
Peavy: Das basiert alles auf einer alten Freundschaft.
Lucky: Das unterscheidet es von einem komplett neuen Job. Ich glaube ich spreche da für Marcos und mich, wir empfinden das gleich. Marcos und ich kennen uns jetzt seit zwei Jahren. Aber weil wir beide Peavy so gut kennen und uns Peavy das Selbstvertrauen gibt, das man in so einer Band braucht, bringt uns auch das näher zusammen. Und mal ganz ehrlich, Peavy – das ist dein letztes Line-Up!
Peavy: Oh ja! Das war der Plan!

 

Wie soll's denn nach dem ersten Album in dieser Konstellation weitergehen? Hat schon jemand von euch einen Account bei bandsuche.at?

Peavy: Das ist das letzte Line-Up.
Lucky: Ich spiele und singe noch in einer anderen Band, also ich mache sonst auch Musik. Aber ich kann mir nicht vorstellen, Schlagzeuger in einer anderen Band zu sein. Es geht einfach nicht anders. Selbst wenn mir die größte Band dieser Welt Millionen dafür geben würde – ich könnte nicht zu denen gehen. Irgendwie ist das in meiner DNA, ich kann nicht Schlagzeuger einer anderen Band sein, es gibt nur RAGE oder gar nichts für mich.
Peavy: Aber stell dir mal vor, du könntest in die Fußstapfen von Lars Ulrich treten…
Lucky: Ach komm! Ich finde einfach, man hat da selbst so eine Bestimmung, unabhängig wie groß oder klein das Ganze ist oder wie viel Erfolg du damit haben wirst. Darauf kommt es nicht an, die Entscheidung kommt eher aus deiner Natur. Du bekommst es, nimmst es und das ist es dann auch. Da gibt’s dann keinen anderen Weg. Sollte das hier irgendwann mal vorbei sein, wieso auch immer, dann ist es für mich als Metaller komplett vorbei.
Peavy: Aber wir wollen das noch für wirklich lange Zeit machen.
Lucky: Wir haben beschlossen, 100 Jahre alt zu werden.
Peavy: Dafür arbeiten wir auch hart. Ich hab sogar meine Ernährung umgestellt, um gesünder und länger fit zu sein. Wir haben das so versprochen und werden in den nächsten Jahren nicht aufhören.
Lucky: Wir passen gegenseitig auf uns auf, und auf uns selbst, damit wir das so lange wie möglich machen können. Medizin kann auch einiges bewegen…
Peavy: Im schlechtesten Fall lassen wir uns halt operieren. Neuen Kopf drauf und fertig.

Marcos lacht, bis er kaum mehr Luft bekommt.

 

Das Festival hier setzt sich ja für soziale Zwecke ein. Wie wichtig ist es auch aktiv zu sein für Gewaltopfer? Engagiert ihr euch irgendwie konkret immer wieder?

Lucky: Ja schon, auch wenn wir keine politische Band sind. Aber wir sind eine soziale Band. Wir glauben an die guten Dinge und unterstützen nichts, was mit Gewalt verbunden ist. Wir sind Musiker, wir lieben was wir tun und unser Job ist es, Leuten die Möglichkeit zu geben, durch die Musik eine gute Zeit zu erleben und sie glücklich zu machen. Das zeigt auch, dass Gewalt bei uns keine Chance hat.
Peavy: Dafür ist Musik da: den Leuten ein gutes Gefühl geben.

 

Wie steht ihr denn zu Völkerverständigung?

Lucky: Wir sind eine Band mit drei Mitgliedern aus drei Nationen. Eigentlich stellt Marcos noch mehr Nationen dar. Hier sind Südamerika, Südeuropa und Mitteleuropa vertreten. Wie könnten wir also negativ über unterschiedliche Nationen, die aufeinandertreffen, denken? Ich denke aber negativ über die Gründe, die die Leute dazu bewegen, zu fliehen. Das ist der negative Punkt, nicht die Leute!
Peavy: Meine Mutter kommt ursprünglich aus Polen.
Marcos: Meine Großeltern sind nach dem Bürgerkrieg in Spanien nach Venezuela gezogen.
Lucky: Meine Eltern kamen aus Griechenland.

 

Gibt’s oder gab’s für euch irgendwelche Anlässe, euch sozial zu engagieren? Das Geld, das hier gesammelt wird, wird ja für den Weißen Ring gespendet, die Organisation setzt sich unter anderem für die Opfer des Amoklaufs in München im Juli ein.

Lucky: Klar. Wir spielen immer wieder Festivals, die wir in der Hinsicht unterstützen. Ich nenne es immer „Unterstützen der schwächeren Seite“. Man muss die Starken nicht unterstützen, die sind schon stark genug. Wir helfen der schwächeren Seite, also Leuten, die Hilfe brauchen, die krank oder behindert sind, denen es nicht gut geht. Wenn jeder auch nur ein bisschen was tut, können wir viel erreichen.

 

Viele verzichten aus Angst vor Anschlägen auf Festivals und Konzerte. Und selbst einigen von denen, die sagen „Jetzt erst recht!“ kann man rauskitzeln, dass sie sich doch Gedanken machen. Wie findet ihr es, dass Leute wegen dieser Angst auf Musik und Feiern verzichten?

Peavy: Darüber habe ich erst einen Song geschrieben, für das Album, das wir nächstes Jahr veröffentlichen werden. Das ist das, was wir am Montag aufnehmen werden, Marcos. Der weiß noch gar nichts von seinem Glück…
Marcos: …ähm, ok…
Peavy: Nächste Woche startet die Pre-Production. Jedenfalls, es ist total sinnlos deshalb nicht mehr zu Konzerten zu gehen. Das Risiko von so einem Anschlag getroffen zu werden, ist soweit ich weiß, unter einem Prozent. Eher wird man von einem Teil getroffen, das von der Decke fällt. Das ist eine diffuse Einstellung und durch die Medien ziemlich hochgepusht, weil einfach jeder darüber berichtet und darüber spricht. Die tun so, als sei das ständig in unserer Umgebung – ist es aber nicht.
Lucky: Unabhängig von der Band. Wenn du Angst hast und nicht mehr rausgehst, unterstützt du das, was die Terroristen wollen. Wir unterstützen die nicht und spielen weiter.
Peavy: Es macht keinen Sinn daheim zu bleiben und nicht mehr das zu machen, was man eigentlich tun würde.
Marcos: Bleibst du zu Hause, ist deren Ziel erreicht.
Peavy: Wir sitzen jeden Tag im Auto, fahren Stunden auf der Autobahn – das ist viel gefährlicher.
Marcos: Ja, vor allem wenn du siehst, wie Peavy fährt!
Peavy: Als ob Marcos nicht gefährlich leben würde!

 

Ein neues Album habt ihr ja schon angesprochen, außerdem scheint ihr eure finale Konstellation gefunden zu haben. Worauf darf man sich in den kommenden Monaten oder Jahren noch freuen?

Peavy: Wir haben schon ziemlich weit in die Zukunft geplant. Lucky ist unser Co-Manager, der weiß das am besten. Wir haben schon bis 2021 geplant.
Lucky: Dieses Jahr spielen wir eine Festival-Saison, im November und Dezember gehen wir mit dem neuen Album auf Tour. Nächstes Jahr folgt der zweite Teil der Tour in anderen Regionen und Ländern, ein bisschen in Europa, Asien, Russland, Deutschland, der Schweiz, Skandinavien. Dann wird weiter am nächsten Album gearbeitet.
Peavy: Das nächste neue Album!
Lucky: Dann gibt’s natürlich eine Festival-Saison 2017, die ist schon ziemlich gut gefüllt. Da gibt’s ein paar tolle Nachrichten, die wir aber erst in nächster Zeit verraten. Anfang 2018 spielen wir die Tour zu unserem nächsten neuen Album. Wir haben da schon ziemlich viel geplant, und eben auch unsere Veröffentlichungen bis 2021. Man muss da einfach als Unternehmer denken und das alles früh und sorgfältig planen. Man macht ja nicht nur Musik, sondern hat auch eine Menge Leute um sich, die hinter einem stehen.
Peavy: Wir planen das alles immer mit unserem Label, mit dem Management, dem Booking und so weiter. Und wir haben auch für REFUGE und TRI STATE CORNER geplant, weil wir eng verbunden sind.

 

Habt ihr noch ein paar letzte Wort oder Grüße an die Stormbringer-Leser?

Peavy: Wir lieben euch alle.
Marcos: Macht euch bereit für die Tour und wärmt euch fleißig auf, vor allem die Schultern – wir werden euch dazu bringen, euch beim Headbangen das Genick zu brechen!
Lucky: Danke für eure Unterstützung. 


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