Interview: THULCANDRA - Steffen Kummerer

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Wir ziehen unsere Vision seit 18 Jahren konsequent durch, verbiegen uns nicht und veröffentlichen nun unser viertes Album, ohne einen Pfennig auf Kritiker zu geben.

Nach sechs Jahren Albumpause kehren THULCANDRA mit "A Dying Wish" zurück. Grund genug, um Bandkopf Steffen Kummerer zum Interview zu bitten

Veröffentlicht am 22.10.2021

Stormbringer.at: Sei gegrüßt, Steffen. Wie geht's dir? Mit THULCANDRA und OBSCURA, für die sich aktuell die Promoarbeit ja mehr oder minder überschneiden dürfte, gibt es sicherlich viel zu tun, nehme ich an?

Steffen: Mit beiden Bands stehen neue Alben auf dem Releaseplan und das Feedback könnte derzeit nicht besser sein. Beide Alben werden wohlwollend aufgenommen. Für OBSCURA und THULCANDRA beginnen nun Vorbereitungen für kommende Tourneen und Festivals. 

Stormbringer.at: Ihr wart in den Jahren 2010 – 2015 sehr produktiv und präsent, zwischen "Ascension Lost" und "A Dying Wish" liegen nun aber sechs Jahre. Nicht wenige vermuteten, dass THULCANDRA möglicherweise Geschichte sein könnten, weil man sich gerade bei Bands größerer Labels an den Zwei- bzw. Dreijahresrhythmus gewöhnt hat. Lag das daran, dass du seinerzeit, also nach fünf Jahren Releasepause mit OBSCURA, deinen Fokus wieder auf ebendiese Band richten wolltest, oder fehlten schlichtweg die zufriedenstellenden Ideen, die ein weiteres THULCANDRA Album gerechtfertigt hätten?

Steffen: Um unser letztes Album „Ascension Lost“ zu bewerben, haben wir mehr Shows als für die vorherigen drei Alben gemeinsam gespielt. Darunter zwei längere Tourneen durch Europa, eine Headliner Tournee sowie unzählige Festivals und Konzerte. Die große Anzahl an Konzerten, Alben und Tourneen mit OBSCURA und Besetzungswechsel waren wohl die Hauptgründe für die längere Zeit zwischen „Ascension Lost“ und „A Dying Wish“. Ich verbringe mehr Zeit mit Tourneen als in Studios und allein OBSCURA haben die Marke von 600 Konzerten bereits überschritten. Wir müssen Alben in keinem diktierten Rhythmus veröffentlichen und produzieren Musik erst wenn wir im Kollektiv mit unserem Material zufrieden sind. Ob zwei oder fünf Jahre zwischen den Veröffentlichungen liegen, spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle.

Stormbringer.at: Wenn ich Fragen zu einem neuen Werk stelle, beginne ich üblicherweise mit der Musik, doch bei "A Dying Wish" haben sich viele zunächst verwundert die Augen gerieben, weil das Artwork, obschon immer noch eisig und damit durchaus zur Musik passend, dieses Mal nicht vom legendären Necrolord zu stammen scheint. Ich habe mehrere News und Ankündigungen durchforstet und keine eindeutige Antwort darauf gefunden, mein Auge sagt mir aber, dass ihr einen anderen Künstler engagiert habt. Wer ist dafür verantwortlich, wie kam es dazu und wie zufrieden bist du mit dem Ergebnis?

Steffen: Leider wurde das Artwork von Kristian, the Necrolord, Wahlin für „A Dying Wish“ nicht rechtzeitig fertig, daher mussten wir ausweichen und fanden in Herbert Lochner einen seit Jahrzehnten aktiven Künstler aus Deutschland, der nach unseren Vorgaben ein stilistisch passendes Artwork in Öl zeichnete. Das Gemälde reiht sich nahtlos in unsere Veröffentlichungen ein und fängt dabei den Spirit der Band perfekt ein. Das Gemälde hängt eingerahmt als Original nun in meinem Studio.

Stormbringer.at: Musikalisch scheint auch nach vielen Durchläufen alles beim Alten, was ich durch und durch positiv meine. Eventuell eine Nuance melodischer als seine Vorgänger, dürfte "A Dying Wish" bei Fans dieser Stilistik aber dennoch die richtigen Synapsen ansteuern. Etwas ungewöhnlichere Akzente setzt hingegen beispielsweise der Doom-Metal-Part in "Nocturnal Heresy", aber ihr möchtet euch schon nicht zu weit von dem entfernen, was Euch und die skandinavische Kälte à la DISSECTION auszeichnet, oder? Wie würdest du "A Dying Wish" persönlich einordnen?

Steffen: „A Dying Wish“ entstand in Zusammenarbeit aller Musiker und zeigt eine höhere stilistische Bandbreite als der Vorgänger auf. Gerade Mariano Delastik trug eine Fülle von Riffs, Ideen und Songs mit vielen Einflüssen bei. Der Großteil aller Stücke wurde gemeinsam komponiert und arrangiert. Der musikalische Rahmen, in dem wir uns bewegen bleibt davon allerdings unberührt. Seit unserer Gründung 2003 verändern wir an diesem Grundsatz nichts und müssen das Rad nicht neu erfinden. „A Dying Wish“ lebt von seiner rauen, rohen und spontanen Grundstimmung, einigen Überraschungen in Arrangements und klassischen Heavy Metal Einflüssen wie Twin-Harmonien. Die stimmige, gelungene Produktion durch Dan Swanö unterstreicht diesen Ansatz in jeder Hinsicht.

Stormbringer.at: Wenn ich mich nicht komplett irre, hast du zum ersten Mal in deiner künstlerischen Karriere mit Dan Swanö zusammengearbeitet, der in der Szene ja sehr geschätzt wird – zu Recht übrigens. War das einer dieser berüchtigten "Kindheitsträume", der damit in Erfüllung gegangen ist? Mit dem Sound könnt Ihr jedenfalls extrem zufrieden sein, weil Dan den Spirit echt geil eingefangen hat, finde ich.

Steffen: Für THULCANDRA war es naheliegend, früher oder später mit Dan Swanö zu arbeiten, der nicht nur OPETH, BLOODBATH und KATATONIA zu seinen Credits zählt, sondern gerade den klanglichen Kosmos der stilprägenden Alben von DISSECTION, UNANIMATED und SACRAMENTUM in den letzten 30 Jahren formte und förderte. Dan übernahm Mix & Master für „A Dying Wish“ und war ein sehr angenehmer Charakter im Austausch – das Ergebnis spricht für sich und unterstreicht seinen Status als renommierten Produzenten zu Recht. Das Album klingt breit, offen und nicht poliert. Man hört den Charakter jedes Musikers, kleinste Nuancen jedes Instruments und nimmt eine lebendige, performende und unverfälschte Band wahr. 

Stormbringer.at: Einigen Musikhörern seid ihr zu sehr an eben genannte DISSECTION angelehnt, manche gehen dabei sogar so weit, dass sie euch des Plagiats bezichtigen, was – meiner Meinung nach – nicht nur etwas, sondern fast schon extrem übertrieben ist. Abertausende von Bands dürfen wie ENTOMBED, DISMEMBER und Co. klingen, noch viele Projekte mehr dürfen DARKTHRONE huldigen, aber bei DISSECTION soll der Spaß dann plötzlich aufhören? Irgendwie inkonsequent, wie ich finde. Wie stehst Du dazu? Oder interessieren Dich solche Nebenkriegsschauplätze überhaupt nicht?

Steffen: Nur wenige Bands spielen diesen Stil heutzutage. Die meisten Gruppen aus den 90ern existieren nicht mehr, neben wenigen Ausnahmen wie NECROPHOBIC sind THULCANDRA die Dienstältesten im Genre. Vergleiche ziehen alle Fans jedes Genres, daher sehe ich den Bezug zu DISSECTION nicht als Kritik. Wir ziehen unsere Vision seit 18 Jahren konsequent durch, verbiegen uns nicht und veröffentlichen nun unser viertes Album, ohne einen Pfennig auf Kritiker zu geben. Unsere Fanbasis wächst seit Jahren und jedes neue Release wird begeistert aufgenommen. Wir arbeiten mit Enthusiasmus und Hingabe an unserem fünften Album, ob man uns mit anderen Bands verbindet oder nicht.

Stormbringer.at: Im nahenden Winter werdet ihr gemeinsam mit THE SPIRIT durch Deutschland, Österreich und die Schweiz touren, um euren Fans und all jenen, die es möglicherweise noch werden möchten, euer neues Album sowie älteres Material vorzustellen. Höchstwahrscheinlich werden sogar Menschen auftauchen, die noch nie etwas von euch gehört haben, einfach weil sie an chronischer Konzertknappheit leiden. Wie fühlt sich das nach solch einer langen Zeiten für dich/euch als Künstler an, so kurz davor? Glaubst du, dass es dadurch eventuell auch etwas "einfacher" wird, die Zuschauer bzw. -hörer mitzunehmen, zu begeistern? Kann man sich darauf überhaupt schon vorbereiten, oder zweifelt man trotz sehr guter Aussichten noch ein wenig daran?

Steffen: Mit den Auftritten auf dem Baden in Blut Festival, Fimbul Festival und Party.San in diesem Jahr mussten wir nur ein Jahr pausieren. Unser letztes Konzert vor Beginn der Pandemie war der Abschluss einer Europe Tournee im März 2020 vor ausverkaufter Kulisse in unserer Heimatstadt. Durch diese glückliche Konstellation und Studioaufnahmen in der Zwischenzeit hatten wir genug Arbeit vor uns und waren konstant aktiv. Die Release Tournee zu „A Dying Wish“ beginnt im November zusammen mit THE SPIRIT und bei einigen Konzerten mit PATH OF DESTINY, zwei Bands die ich musikalisch und persönlich schätze. Wir können aus nicht erwarten unser neues Material auf die Bühne zu bringen und erstmals live aufzuführen. In der Zeit ohne Konzerte wurde unsere gesamte Bühnenproduktion und Technik von Grund auf neu konzipiert und erstellt – die Konzerte werden speziell und nicht nur optisch ansprechend. 

Stormbringer.at: Ihr wart ja auch schon in Skandinavien auf Tour. Wie nahm man THULCANDRA eigentlich dort auf? Wurdet ihr vielleicht sogar gefragt, ob ihr auch wirklich aus Deutschland und nicht aus Schweden kommt?

Steffen: Vor einigen Jahren wurden wir nach Stockholm eingeladen, um bei einer exklusiven DISSECTION Tribute Night mitzuwirken. Das Konzert war ausverkauft und mit ehemaligen Mitgliedern von DISSECTION, GATES OF ISHTAR und vielen anderen Gästen etwas Besonderes für uns. Wir erhielten ausschließlich positives Feedback, wurden herzlich behandelt und stehen bis heute mit neu gewonnenen Freunden in Kontakt. Auch während der letzten Tournee und Konzerten in Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark wurde unsere Show und Musik sehr wohlwollend aufgenommen. Wir sind authentisch und das honorieren die Fans - woher wir kommen oder wo die Band gegründet wurde ist nicht relevant.

Stormbringer.at: Wie sehen deine zukünftigen Pläne mit THULCANDRA aus, bzw. wie interpretierst du selbst die Band? Es gibt ja Musiker, die zwischen Hauptband und Nebenprojekt unterscheiden, aber wie verhält sich das bei dir mit OBSCURA und THULCANDRA?

Steffen: Beide Bands sind unterschiedlich und dennoch gleichermaßen wichtig für mich. THULCANDRA werden keine Band, die regelmäßig und konstant weltweit lang angelegte Tourneen spielen wird, OBSCURA wird keine Band, die wöchentlich gemeinsam in einem Proberaum arbeitet. So unterschiedlich die Musik, Charakter und Vorstellung beider Gruppen ausfällt, betreibe ich OBSCURA und THULCANDRA gleichermaßen ernsthaft und freue mich auf jede Probe, jedes Konzert und Studiosession. Ich bin mit beiden Musikstilen aufgewachsen und gehe seit 18 bzw. 19 Jahren diesen Weg konsequent.

Stormbringer.at: Eine etwas andere Frage zum Abschluss, weil UNANIMATED ja auch irgendwie zu euren Einflüssen zählen und du früher des Öfteren "Ancient God Of Evil" genannt hast, wenn es um schwedische Black/Death Klassiker ging: Wie stehst du zu deren Re-Union? Freust du dich darüber und auf das bald erscheinende, neue Album, oder lässt dich das kalt?

Steffen: Bis heute verfolge ich Bands wie UNANIMATED, MÖRK GRYNING oder SACRAMENTUM und freue mich über aufwendige Re-Releases wie neues Material gleichermaßen. Auch neuere Bands des Stils findet man hin und wieder, darunter THE SPIRIT, die wir auf unsere Tournee mitnehmen, oder THRON aus dem tiefsten Süden. Wir arbeiten derzeit an einer möglichen Tournee mit sowohl UNANIMATED als auch MÖRK GRYNING für das kommende Jahr. 

Stormbringer.at: Ich möchte mich für die Zeit bedanken, die du investiert hast. Die letzten Worte gehören selbstverständlich dir!

Vielen Dank für das Interview und dein Interesse. Hört „A Dying Wish“ und besucht unsere Shows im November, Dezember und Januar.


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