22.01.2015, ((szene)) Wien, Wien

OBITUARY @ ((szene)) Wien

Text: Reini
Veröffentlicht am 25.01.2015

Beim ersten großen Metal-Ereignis des Jahres ist natürlich auch die Redaktionsbelegschaft ganz nass vor Freude, schließlich werden damit traditionell bittere Wochen der erzwungenen Enthaltsamkeit ad acta gelegt. Das erste Package, das vor etwa 300 Nasen in der Wiener Szene auftritt, hat es aber auch wirklich in sich. Dass sich Black- (POSTHUM), Thrash- (DUST BOLT, MPIRE OF EVIL) und Death Metal (OBITUARY) dabei die Klinke in die Hand drücken, erfreut zugegebenermaßen nicht jedermann gleich, doch die krude Extreme-Metal-Mixtur hält zumindest den Spannungsbogen aufrecht. Von den ersten sechs Shows vor Wien waren immerhin fünf restlos ausverkauft, womit das Musikergespann auch schon mit einer gehörigen Portion Selbstvertrauen und Spaß an der Sache angereist ist. Glücklicherweise auch völlig gesund – was bei vier Bands in einem Nightliner im Winter nicht selbstverständlich ist. „Wir sind heute übrigens das fünfte Mal in Wien“, erzählt POSTHUM-Sänger Jon nicht ohne Stolz. Nur leider interessiert das kaum jemand, denn während der live auf vier Mann aufgestockte Black-Metal-Express um Punkt 20 Uhr zu rollen beginnt, kann man in der Szene noch diagonale Saltos schlagen. Schade, denn die Truppe aus Nannestad hat unlängst nicht nur ihr zehnjähriges Bandjubiläum gefeiert, sondern mit „The Black Nothern Ritual“ auch ein richtig fettes Album veröffentlicht. Auf der Bühne greifen die Skandinavier aber vorwiegend auf älteres Material zurück – ob dessen hoher Qualität ist das auch kein Problem. „Sacrificed“, „Red“ und „Resiliant“ sägen sich durch den Äther, überzeugen mit klirrenden Gitarren, druckvollem Uffta-Drumming und wunderschönen Klangteppichen, die sich irgendwo zwischen SATYRICON, mittelalten GORGOROTH und etwas KHOLD (um die von Kollege Stefan „Taliban“ Baumgartner geliebte „Post“-Referenz einzubauen) einreihen. Besonders interessant ist dabei die Sound-/Bildschere auf der Bühne. Während der Klang eine einzige Ehrerbietung an die Größen der Heimat ist, überrascht Sänger Jon mit Michael-Poulsen-Frisur, James-Hetfield-Visage und Rockabilly-Piratentuch unter dem leicht gewölbtem EMPEROR-Shirt. Die neuen, wesentlich ausgefeilteren Songs gibt’s dann im zweiten Teil des kurzen 30-Minuten-Sets. Besonders schmackhaft: Das abschließende „Demon Black Skies“, bei dem sich die Band noch einmal in einen Rausch spielt und den einzigen richtigen Hardcore-Fan vor dem Absperrgitter noch mal zu epileptischen Beifallsbekundungen hinreißen kann. Mike Seidinger, Stefan und meine Wenigkeit nicken zufrieden im Takt, nur Redaktionshäuptling Reini zeigt sich als ignoranter Kostverächter und fördert einstweilen lieber seinen Lungenkrebs. (-Robert Fröwein-)

Bei allem Respekt vor der Leistung jeder der einzelnen Künstler dieses Abends: Gelungen ist er vor allem aufgrund der Vielfältigkeit, des bunten Potpourris, das kredenzt wurde. Auf Post-Black-Metal mit leichter, aber doch vernehmlicher Hipster-Schlagseite folgte mit den Münchnern DUST BOLT ein Watschenaugust, der am sprichwörtlichen Baum rüttelte und schüttelte, dass die Backenpfeifen nur so flogen. Man kann lang und breit darüber diskutieren, welche Band am maßgeblichsten für den Thrash Metal war und ist, Namen wie SLAYER, SEPULTURA und KREATOR fallen zuhauf - nur gern wird dabei auf DEMOLITION HAMMER vergessen. Gerade "Tortured Existence" und "Epidemic Of Violence" eröffneten die Neunziger derart brachial, dass von METALLICAs "Black Album" verweichlichte Thrash-Lulus ängstlich die Ohren anlegten und zurück in den mütterlichen Schoß krochen. Allein der am ganzen Körper tätowierte Schlagzeuger Vinny Daze sorgte für einen Antrieb, den man eigentlich nur von einem ausgewachsenen Düsenjet her kennt. In eine ähnliche Kerbe - mit deutlicher EVIL DEAD-, SACRED REICH- und EXHORDER-Schlagseite - hacken DUST BOLT, wohlgemerkt erst seit 2010, und gehören damit nach dem lästigen Neo-Thrash neben F.K.U. und LOST SOCIETY einem Revival an, das Jogging High und andere Mode-Exzesse wieder salonfähig machen. Apropos Mode-Exzesse: Nur wenige können es sich erlauben, mit Hausmeisterbadeschlappen auf die Bühne zu marschieren, BOLT-Schlagzeuger Nico ist einer davon. Mit zwei sensationellen Alben - "Violent Demolition" und "Awake The Riot", beide auf Napalm Records erschienen - im Gepäck zerlegte man nach POSTHUM fein säuberlich binnen einer Dreiviertelstunde die Szene und machte den programmatischen Albumtiteln alle Ehre. Stillstand gab's nicht, insbesondere Sänger/Gitarrist Lenny (in Wien geboren, hooray!) und Bassist Bene präsentierten sich als poserfreudiges Doppelpack, als Springinkerl vor dem Herren - und auch die Ansagen selbst versprühten rauen Thrash-Charme der alten Schule, da hat man wohl eifrig KREATORs Mille gelauscht ... Dementsprechend dankbar, feuchtfröhlich und dulliäh reagierte das mittlerweile stolz angewachsene und für Wiener Verhältnisse überraschend lebhafte Publikum, Toxic Thrash löst wohl nur bei tauben Ohren keine spastische Ekstase aus. Kurzum: Thrash Metal war immer schon "Live-Musik" und wird es wohl auch stets bleiben - und gerade die Münchner beweisen, dass selbst eine derart hoch gesetzte Latte wie auf ihren Alben live noch eine deutliche Spur höher angesetzt werden kann, Limbo Dance für Hünen, quasi. (-Stefan Baumgartner-)

Während Stefan geistig immer noch zu „The Hoff“ masturbiert und sich der eine oder andere Zuseher von den knackigen Riff-Attacken erholen muss, bereiten MPIRE OF EVIL bereits eine knappe Metal-Geschichtsstunde vor. An der Front des Drei-Mann-Express sind mit Sänger/Bassist Demolition Man und Gitarrist Mantas nämlich zwei ehemalige VENOM-Mucker, die aus ihrer Vergangenheit auch kein Hehl machen und das letzte Studioalbum „Crucified“ mal schmuck mit neun VENOM-Coverversionen ausstaffierten. Nach dem feurigen Toxic Thrash der jungen Bayern-Truppe trotz Kultfaktors eine anfangs zähe Angelegenheit, denn die Zuseher sind erst einmal gebannt und dann lange Zeit statisch. Wie Mantas verzweifelt und vergeblich versucht die Halle zum Beben zu bringen hat anfangs fast etwas Dramatisches. Auch Kollege Reini verdünnisiert sich nach den ersten paar Nummern lieber wieder an die nebelverhangene „Frischluft“, ihm tun es überraschend viele gleich. Die wiederum verpassen durch die fehlende Geduld dann aber doch einige Highlights, denn spätestens als das Old-School-Duo die alten VENOM-Kamellen auspackt, beginnen auch die Matten zu kreisen. „Don’t Burn The Witch“, „Welcome To Hell“, „Black Metal“ – für Freunde absoluten Metal-Kults ein Freudenfest, was MPIRE OF EVIL im zweiten Setteil vom Stapel lassen. Dazu feilbietet Mantas hervorragende Riffattacken, rinnt „Glatzen-Gollum“ Demolition Man das Kunstblut vom wuchtigen Kinn und wird „Old-School-Posing“ auf ein neues Level gehoben. Mantas lässt es sich auch nicht nehmen, den Fans aus vollstem Herzen zu danken und dabei ungewohnt echt und realistisch rüberzukommen. Wie kann man das noch toppen? Natürlich mit der Frage, wie spät es sei – time for „Witching Hour“, meine Damen und Herren. Hier bebt nochmal der Plafond, bevor die Show zu Ende geht. Die trotz alledem traurige Erkenntnis: Mit eigenen Songs werden MPIRE OF EVIL auf Dauer niemanden vor den Ofen locken und nur mehr VENOM zu covern, wird den beiden wohl irgendwann zu blöd werden. Mehr über VENOM, MPIRE OF EVIL, Blues Musik und SCOOTER lest ihr HIER in unserem ausführlichen Interview mit Mantas. Jetzt gibt es aber erst einmal krachenden Walzen-Death-Metal. (-Robert Fröwein-)

Und die wurde natürlich von Floridas-Death-Metal-Walze par excellence OBITUARY feilgeboten, die nach einer gefühlten Ewigkeit wieder in Österreich aufgeigten. Mit im Gepäck hatten die Tardy-Brothers, Trevor Peres, Terry Butler und Neo-Lead-Gitarrist Kenny Andrews nicht nur die Referenz eines absoluten Ausnahmeauftrittes am letztjährigen Rock Hard-Festivals (zum Livereport…), sondern natürlich auch ihr bärenstarkes neues Album „Inked In Blood“ (zum Review…), sowie den Umstand (Kollege Fröwein erwähnte es bereits in der Einleitung), dass fünf der vorangegangenen sechs Konzerte der laufenden Europa-Tournee restlos ausverkauft waren. Das war in der ((szene)) zu Wien – wie ebenfalls schon erwähnt – zwar nicht der Fall, dennoch konnte Veranstalter Moritz Wagner deutlich über 300 hartmetallische Nasen auf der Habenseite verbuchen. Und OBITUARY konzentrierten sich nach einem mechanisch-sterilen Intro zunächst auf ihr aktuelles Album: Sowohl der Album-Opener „Centuries of Lies“, als auch „Visions In My Head“ brauchten sich nicht gegen die nachgeballerten Klassiker „Infected“ (mit Intro vom Band versehen), sowie den „Slowly We Rot“-Dreierpack „Intoxicated“, „Bloodsoaked“ und „Immortal Visions“ verstecken. Schon jetzt waren ein paar Dinge auffällig: Fronter John Tardy hat es nicht so mit der Interaktion, bis auf ein paar „Austriaaaaaa“-Rufe und dezenten Ansagen mancher Songs war dem langhaarigen Gurgler wenig zu entlocken. Die Band hatte allerlei Spaß auf der Bühne, was auch den einen oder anderen Schnitzer im Set durchaus sympathisch rüberkommen ließ. Aja und da wäre noch Kenny Andrews, der Kerl hat einen Oberarm so massiv wie mein Oberschenkel, pfefferte die Leads aber derart souverän ins Auditorium, dass man einem Ralph Santolla zu keiner Sekunde eine Träne nachweinte. So wirklich störend waren für mich persönlich lediglich die manchmal doch zu langen (Trink)Pausen zwischen diversen Songs, besonders Rhythmus-Gitarrist Trevor Peres hing in spielfreier Zeit permanent an irgendwelchen Alkoholika. Sei’s drum wer mit derartigen Songs im Gepäck daherkommt (remember: OBITUARY spielen auf dieser Tour nicht weniger als sechs Songs des Debütalbums und dazu noch fünf vom überragenden „Inked In Blood“!), sich als absoluten Höhepunkt des regulären Sets zu meiner Überraschung ein völlig fieses „Don’t Care“ (vom unterschätzten „World Demise“-Album) aus dem Ärmel beutelt, dem verzeiht man dann schlussendlich auch, dass nach exakt 52 Minuten der Hauptteil schon mal abgearbeitet war. Aber da kommen ja noch Zugaben und die sollten endgültig für die finale Knack-Watschn bei einem Großteil der Beteiligten führen: Das durchaus autobiographische, ebenfalls vom aktuellen Album stammende „Back On Top“, die „End Complete“-Walze „I’m In Pain“, sowie der Titeltrack des neuen Albums „Inked In Blood“ sorgten für wallendes Haupthaar, durchaus einem leichten Ziehen in der Nackengegend und der überwiegende Teil der Meute freute sich schon gierig darauf was unweigerlich kommen musste. Richtig! „Slowly We Rot“ markierte (wie fast immer) den Schlussakkord unter eine wirklich gute OBITUARY-Show, obschon, ganz die Magie des Vernichtungsschlages beim letztjährigen Rock Hard-Festival konnte man in Wien nicht entfachen. (-Reini)



OBITUARY Setliste (ohne Gewähr auf Richtigkeit):

Centuries of Lies Visions In My Head Infected Intoxicated Bloodsoaked Immortal Visions 'Til Death Don't Care Violence Stinkupuss Back to One Dead Silence Back on Top I'm in Pain Inked In Blood Slowly We Rot


WERBUNG: Hard
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