01.03.2010, Seifenfabrik

PAGANFEST GRAZ

Text: Robert Fröwein | Fotos: Mika
Veröffentlicht am 07.03.2010

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Die steirische Landeshauptstadt zeigt sich nach den strengen Wintermonaten an diesem Märzbeginn von ihrer mildesten und freundlichsten Seite. Optimale Voraussetzungen, um an einem Montagabend den heimatlichen Couchplatz zu verlassen und in die Grazer Seifenfabrik zu pilgern. Das

PAGANFEST

geht in seine nächste Runde und hat sein Programm, im Vergleich zur letzten Auflage im Herbst 2009, um eine Band gestrafft. Fünf Bands reichen auch aus, um die ca. 300 Anwesenden mit bunt gemischten Akustikschmankerl zu verwöhnen. Nachdem man letztes Jahr mit SWASHBUCKLE, ALESTORM und den APOKALYPTISCHEN REITERN thematisch schwer verrutscht ist und eher an eine Partyvorstellung erinnerte, haben sich die Verantwortlichen dieses Jahr auf ein wesentlich klügeres Zusammenstellungskonzept geeinigt. Die Special Guests sind heuer übrigens EQUILIBRIUM und ALESTORM, welche aber an allen vier Österreich-Dates fehlen. Den undankbaren Posten als Opener teilen sich auf dieser Europatour

VARG

und ARKONA. In Graz haben die paganen Bajuwaren die Ehre, das Publikum um Punkt 19.00 Uhr warmzuspielen. Mit dem vielbeachteten Zweitwerk „Blutaar“ im Rücken tun sich die Bayern erwartungsgemäß leicht, das Feuer im eher spärlich besetzten Publikum zu entfachen. Mit kriegerisch-rot aufgemaltem Warpaint nützen VARG ihre magere halbe Stunde Spielzeit. Die ersten Fäuste der lauschenden Viking-Fraktion werden in die Höhe gestreckt. Bärte und lange Haare verbinden sich gleichsam zur Huldigung der Teutonencombo. Mit rasselnden Viking/Pagan Metal Krachern wie „Viel Feind Viel Ehr“, „Blutaar“ oder dem elegisch-schwarzmetallischen „Sieg oder Niedergang“ bringen VARG die Bude zum Kochen. Die Bayern beweisen, dass deutsche Texte nicht immer nur aus Plattitüden bestehen müssen. Die obligatorische Bekundung, mit dem ganzen rechtspolitischen Mist nichts zu tun zu haben und dem kollektiv ausgestoßenen „Nazis – Fuck Off!“, bleibt bei den Wölfen nicht aus. Schade dass sich diese Truppe Abend für Abend aufs Neue rechtfertigen muss.

Ein wahres Zuckerl für Fans der heidnisch angeordneten Klänge ist wohl die Besichtigung der Russen

ARKONA

. Mit den Moskauer Pferdchen von Napalm Records ist den Organisatoren ein ganz großer Wurf gelungen, bei dem man sich vom üblichen PAGANFEST-Band-Einerlei lösen konnte. Im Gegensatz zu den brutalen VARG bereiten die Russen ihren Pagan Metal mit einer ordentlichen Dosis Folk zu. Die Tatsache, ruhigeren Klängen lauschen zu können, tut der Rampensau-Qualitäten von Sängerin Masha keinen Abbruch. Die zierliche Blondine deckt in ihrem stimmlichen Repertoire von tiefem Gegrunze, über schwarz gefärbten Gekreische bis hin zu opernhaften Cleangesang sämtliche Felder mühelos ab. Diese Fähigkeiten vermischt Masha mit frontaler Bühnenbewegung, die sich auch perfekt auf das Publikum abfärbt. Ob die Schaulustigen ARKONA wirklich schon so gut kennen, oder den guten Ruf der Russen auch einfach nur bestätigt wissen wollen, lässt sich nur schwer klären. In jedem Fall bleiben weder Masha noch ihre maskuline Instrumentalfraktion etwas schuldig. Starke Show – bleibt nur zu hoffen, dass Napalm diese traditionelle und wirklich aufrichtige Paganschmiede öfter in heimische Gefilde lockt.

Nach kurzer Umbauphase sorgen die Tiroler

DORNENREICH

für die heimische Komponente des Abends. Die Westösterreicher sind ja für viele Metaller ein rotes Tuch, die Akustikshows kann man mögen oder auch nicht – ein Dazwischen gibt es für die Wenigsten. Auf dem PAGANFEST spielen Sänger/Gitarrist Eviga und Konsorten natürlich eine Metalshow. Nachdem die Tiroler nur mehr als Trio auftreten wird zugunsten der Violine völlig auf den Bass verzichtet, was angesichts der Stockschlag-Intensität des wieder zurückgekehrten Ausnahmedrummers Moritz Neuner auch gar nicht so stark ins Gewicht fällt. In den 45 Minuten Spielzeit geht sich auch ein bunter Querschnitt der Bandgeschichte aus. Mit „Jagd“, „Trauerbrandung“ oder „Wer hat Angst vor Einsamkeit“ decken DORNENREICH an diesem schwach besuchten Abend sämtliche Facetten ihrer Kunst ab. Die anfänglichen Zweifel, dass die ruhig und atmosphärisch agierenden Herren beim Publikum unten durch fallen würden, bewahrheiten sich glücklicherweise nicht. Dass DORNENREICH trotz Beherrschung ihrer Instrumente und tadellosem Auftritt ein bisschen langweilig um die Ecke kommen, lässt sich angesichts der Vitalität der Tourgenossen nicht verhindern. Ein starker Gig kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass man wohl doch etwas fehlbesetzt wurde. Setlist DORNENREICH: Freitanz Jagd Schwarz Der Hexe flammend‘ Blick Flammentriebe II Trauerbrandung Wer hat Angst vor Einsamkeit

Den Headliner Posten an FINNTROLL zu vergeben ist aufgrund der in ungeahnte Höhen steigenden Popularität der Schweizer

ELUVEITIE

sicher auch keine einfache Entscheidung gewesen. Als Ersatz dürfen halt beide Bigseller eine volle Stunde durch die Hallen knüppeln, die Berner geben auf dem diesjährigen PAGANFEST dennoch nur den Assistenten. Bandboss und Dreadlockträger Chrigel Glanzmann scheint auch von Beginn weg in absoluter Hochform zu sein, lässt sich vom mäßigen Zuschauerandrang nicht verunsichern. Mit „Kingdom Come Undone“ und „Thousandfold“ starten die Eidgenossen auch schwungvoll in ihre Setlist, die sich hauptsächlich aus neueren Stücken zusammensetzt. Vom starken Debütalbum „Spirit“ sind lediglich die Rausschmeißer „AnDro“ und „Tegernakô“ übriggeblieben. Die Halle ist stärker gefüllt als bei den darauffolgenden Finnen. ELUVEITIE boomt und schon anhand der zahlreichen Bandshirts und dem enthusiasmierten Publikum lässt sich der derzeitige Status der Schweizer erkennen, der ein bisschen an den Anfangshype von ALESTORM erinnert. Die Show an sich lässt auch keine Fragen offen, mit „Gray Sublime Archon“, „Slanias Song“ oder dem ruhigeren „Omnos“ decken ELUVEITIE ohnehin die ganze Bandbreite des eigenen Schaffens ab. Dass Sänger Chrigel beim PAGANFEST aber zum Circlepit bittet, brennt sich dann doch eher negativ in das Gehirn… Setlist ELUVEITIE: Kingdom Come Undone Thousandfold Bloodstained Ground Gray Sublime Archon Slanias Song Omnos Inis Mona Quoth The Raven Nil (Do)minion AnDro Tegernakô

Obwohl sie als Könige des Humppa Metal gelten, legen die skandinavischen

FINNTROLL

deutlich mehr Tempo und Schwärze in ihren Sound als sämtliche Kapellen davor. Mit dem soeben erschienen „Nifelvind“ haben die Finnen den mit „Ur Jordens Djup“ vorgelegten Weg der Black Metal Lastigkeit etwas verlassen und frönen wieder verstärkt der folkloristischen Komponente. Den 2006 gefeuerten Sänger Tapio Wilska kann „Neuling“ Vreth mittlerweile schon ganz gut ersetzen, obgleich er an die Gewichtigkeit und das Charisma des derzeitigen SURVIVORS ZERO Bassisten nicht herankommt. Mit dem programmatischen „Blodmarsch“ eröffnen die Trolle die einstündige Reise in Fantasiewelten und finnische Sagen. Den Headliner-Status bestätigen FINNTROLL mit instrumentalen Topleistungen und einer aktiven Bühnenshow. Im Gegensatz zu anderen, bereits gespielten Gigs dieser Tour, passt in Graz auch der Sound und lässt keine akustischen Wünsche offen. Das Publikum wird zwar spärlicher, was wohl eher am Hype ELUVEITIEs liegt, als an der fortgeschrittenen Uhrzeit. Den Gassenhauern der Marke „Skogens Hämnd“, „Nedgång“, „Nattfödd“ oder dem Bierschunkler „Trollhammaren“ tut dies jedoch keinen Abbruch. Nach einer bunten Mischung der opulenten Bandhistorie verschwinden die Finnen kurzzeitig, um für „Jaktens Tid“ und „Solsagan“ noch einmal die Bühne zu entern. Trotz der Met-Horn kompatiblen Humppahymnen, haben sich FINNTROLL als härtester Vertreter des Abends vorgestellt und auch beim lichter werdenden Publikum hochmotiviert agiert. Ein würdiger Headliner, der den Platz mit ELUVEITIE in abwechselnder Reihenfolge durchaus tauschen könnte. Das PAGANFEST 2010 hat wieder in die Spur zurückgefunden und die eigentliche Thematik aufgegriffen. Das ist wohl die wichtigste Erkenntnis nach einem druckvollen Abend, der sound- und lichttechnisch durchaus in Ordnung war und fünf begeisterungswürdige Bands präsentierte. Zurück bleibt ein angenehmer und bierseliger Abend, der einen bitteren Wochenbeginn versüßen konnte und mit ARKONA einen deutlichen Gewinner hatte. Die Entscheidung, nicht zu viele Bands ins Boot zu holen, ist aufgrund der erhöhten Spielzeit für Bands und Publikum weise. Für die (wieder einmal) recht laschen Besucherzahlen in Graz, kann man keine Band zur Verantwortung ziehen. Den deftigen Eintrittspreis von 35 Euro sollten sich die Veranstalter in Zeiten wie diesen vielleicht auch noch mal besser überlegen.


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