25.09.2011, Explosiv

KEITH MINA CAPUTO & THE SAD EYED LADIES

Veröffentlicht am 28.09.2011

Ziemlich problematisch sollen die Konzerte von KEITH CAPUTO in Wien und Steyr verlaufen sein. Dass der legendäre Ex-LIFE OF AGONY Frontmann eine Diva der Sonderklasse ist, hat mit seiner fortschreitenden Geschlechtsumwandlung zu KEITH MINA CAPUTO nur bedingt zu tun. Die gute Dame (einigen wir uns ab jetzt auf die korrekte Zukunftsform) war schon in ihren erfolgreichsten Zeiten eine tickende Zeitbombe. Im leider nur mäßig besuchten Grazer Explosiv ist an diesem spätsommerlichen Sonntagabend aber nichts von Starallüren oder schlechter Laune zu sehen. Vielleicht liegt es an der gesund-frischen Luft in der grünen Mark, vielleicht aber auch daran, dass sich das Grazer Publikum respektvoll zu verhalten weiß und diverse pubertäre Ausrutscher hinsichtlich CAPUTOs selbst gewählter Gattungszugehörigkeit ausbleiben.

Eröffnet wird der launige Abend aber erst einmal von den Grazer Stilmischern CIRCUS, die ihren geschniegelten Studenten-Indie-Alternative-Einheitsbrei samt instrumental zelebrierter Lethargie mit einer akut depressiven Bühnenperformance mischen und dem einen oder anderen unwissenden Zuhörer damit den letzten Tropfen Optimismus aus der Halsschlagader saugen. Der perfekte Soundtrack für Einsen schreibende Hornbrillenträger mit der rechten Hand als Freundin und suizidgefährdete Mittvierziger, deren ihnen als unnötig vorkommendes Leben samt der nahenden Weihnachtsdepression zum unvermeidlichen Freitod führt. Den nachfolgenden CHRIS MAGERL kennt man mindestens aus rockigen ONCE TASTED LIFE-Zeiten. Trotz seiner durchaus geschickt zusammengestoppelten Band, ist der melancholische Steirer in erster Linie Solomusiker. Das flotte Stelldichein pendelt zwischen Punkrock/Alternative und Indie-Anleihen und lebt vor allem durch die ausdrucksstarke Stimme des Frontmannes. Und mit dem RAMONES-Cover „Pet Sematary“ bietet er nicht nur Musik, die „Jahrzehnte überdauert“, sondern vor allem eine explosive Schlussoffensive. CD-Präsentation folgt in Kürze.

Nach kurzer Umbauphase betritt Frau CAPUTO samt seinen SAD EYED LADIES nahezu pünktlich die Bühne. Optisch wandelt die gute Dame heute als Mischung aus OZZY OSBOURNE und JANIS JOPLIN über die Bühne, musikalisch bietet sie einen Querschnitt ihres (Solo)Schaffens, das unter Garantie keinen Besucher unberührt lässt. Vom sanft einleiten „Home“ über das ruhige „Identify“ bis hin zum atmosphärischen „Selfish“ bleibt kein Wunsch unbeachtet. Die schwarze Oberbekleidung CAPUTOs unterstützt ihre melancholisch-empathischen Songs wunderbar, mit einem launigen „Alles klar?“ steigt die Mademoiselle in der Publikumsgunst schnell steil. Von den SAD EYED LADIES sticht besonders Gitarrist Ryan Oldcastle heraus, der mit „Blessed March“ sogar seinen eigenen Song im Alleingang spielen darf und von CAPUTO des Öfteren lobend erwähnt wird.

Zu frenetischen Begeisterungsstürmen motiviert dann natürlich der gottgleiche LIFE OF AGONY Evergreen „My Mind Is Dangerous“, der möglicherweise zu den verkanntesten (oder unbekanntesten) Qualitätsballaden auf dem Erdenrund zählt. Die ruhige, fast kitschige Atmosphäre voller Akustik-Glanzlichter zieht auch ein ungewohnt gemischtes Publikum an, das vom staunend beobachtenden Hartmetaller bis zur wasserstoffblonden Geschäftsfrau reicht. Interessant und integrativ, in jedem Fall aber bereichernd. Neben der guten Laune der Frontfrau überzeugt auch der fast schon unglaubwürdig perfekte Sound, der wunderbar mit CAPUTOs kongenialer Stimme und der fein gemischten Instrumentierung interagiert. Der Lady gefällt es in der steirischen Landeshauptstadt sogar so gut, dass sie den LIFE OF AGONY-Klassiker „Let’s Pretend“ samt brachialem Ende als Zugabe reicht, über 20 Jahre hartes Tourleben sinniert und sich den einen oder anderen Lacher nicht verkneifen kann. Von Grant oder Tristesse keine Spur – das war vielmehr großes und stilvoll gemächliches Kino. Bitte wiederkommen!


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