28.05.2012, CONGRESS - Saal Dogana

DIE TOTEN HOSEN

Veröffentlicht am 31.05.2012

Im Laufe der Rockjahre durften bereits Größen wie MOTÖRHEAD oder BEATSTEAKS die ansonsten Ball- und Messeerprobte Dogana im Innsbrucker Congreß erzittern lassen. Was sich jedoch am heutigen Abend hier abspielte, stellte die vergangenen Performances in den Schatten und gereichte diesen ehrwürdigen Gemäuern zur Ehre. Das Konzert war ja (wie schon der erste der beiden Warm Up–Gigs in Frankfurt/Oder) innerhalb kürzester Zeit restlos ausverkauft, sodaß getrost auf großartige Werbemaßnahmen verzichtet werden konnte. Die rund 3.000 anwesenden Fans, die das Glück hatten, eines der begehrten Tickets zu ergattern, atmeten in dem Wissen, die Band nur sehr selten (so wie auf der kürzlich absolvierten „Wohnzimmertour“, bei der Fans 16 mal die Möglichkeit hatten, sich für Hosen-Konzerte im intimen Kreise zu bewerben) in einem vergleichsweise kleinen Rahmen wie heute und so hautnah erleben zu dürfen, den exklusiven Charme der heutigen Konzertnacht. Bevor jedoch das Spektakel Deluxe beginnen konnte, bescherte der ehemalige Hosen-Drummer Wolfgang Rohde, der mit seiner Combo WÖLLI & DIE BAND DES JAHRES antrat, dem einen oder anderen Hosen-Fan nostalgische Gefühle. Begnadeter Sänger ist er wahrlich keiner, aber eine halbe Stunde leichtes Warmlaufen im Soundstil des Headliners kam den Fans gerade recht, um sich an der Bar noch die eine oder andere Erfrischung zu krallen. Hinter das Schlagzeug darf Wölli, der für die Düsseldorfer zahlreiche Klassikeralben eintrommelte, nach einem Unfall leider nicht mehr. Für Aufregung sorgte schließlich Hosen-Chef Campino, der beim letzten Song die Dogana-Bühne erklomm, um mit seinem ehemaligen Mitstreiter „Alles nochmal von vorn“ zu performen.

Um 21 Uhr war es soweit, die beidseits der Bühne in luftige Höhen erhobenen Banner mit dem Knochenadler kündeten unter tosendem Applaus und in die Höhe gereckten Armen von der Ankunft der besten Band aus Düsseldorf. Quasi von Null auf Hundert ließen DIE TOTEN HOSEN von Anfang nichts anbrennen. Seien es die gummiballartigen Hüpfeinlagen von Kuddel und Basser Andi, die Twists um die eigene Achse und Campinos eingegrätschtes Mikroständerniederringen – jede Bewegung auf der Bühne ließ auf ein feines Aufwärmprogramm und eine erstaunliche körperliche Fitness der Bandmitglieder schließen. Punkrock scheint fit zu halten, zumindest die Art von Deutschpunkrock, wie ihn die Hosen seit nunmehr 30 Jahren zelebrieren. Doch nicht nur die physische Konstitution schien zu stimmen, auch das Motivationsbarometer zeigte am heutigen Konzertabend steil nach oben. Bestens gelaunt nützten die Hosen die heutige Gelegenheit noch ein wenig an der Setlist für die anstehenden Mega-Open Airs zu feilen. Doch eigentlich gab es wenig zu experimentieren, denn egal welcher Song angestimmt wurde, jeder Ton und jedes Lied wurden vom ersten Pieps, der von der Bühne schallte, gnadenlos abgefeiert. „Ballast der Republik“, der Titeltrack vom neuen Album, durfte den heutigen Konzertreigen eröffnen, der die Fans auf eine akustische Zeitreise durch 3 Jahrzehnte Hosen-Mania führte. Von den ersten überregional beachteten Anfängen hatte sich die Band im Laufe der Jahrzehnte sukzessive zu einem gern gebuchten und massenkompatiblen Headliner, von chaotischen Funpunks zu kritisch denkenden, hintersinnigen Chartstürmern gemausert. Die beiden TOTEN HOSEN Logo-Banner links und rechts machten klar, wer im Haus regiert, das agile Quintett schüttelte die Hits nur so aus dem Hemdsärmel … “Du lebst nur einmal“, „Auswärtsspiel“ … mit solchen Smashern hatten die ausgewiesenen Fußballfans und deklarierten Fortuna Düsseldorf Fans leichtes Spiel am heutigen Abend, an dem wahre Stürme der Euphorie von den hinteren Reihen des vollgepackten Kongreßhauses bis zur Bühne vor wogten.

Auf eines verstehen sich die Düsseldorfer ja blind: Die Verschmelzung von großen Sehnsüchten und Emotionen mit fußballstadionartigen Chören und Refrains, die keinen kaltlassen („Altes Fieber“, „Steh auf, wenn du am Boden bist“, „Alles was war“) und zudem zielsicher das Partygen in jedem Zuschauer anvisieren. Nummern wie „Schade, wie kann das passieren?“ oder „All die ganzen Jahre“ packen wohl jeden und müssen in ihrer genialen Geradlinigkeit einfach mitgebrüllt und abgefeiert werden. Zusätzlich im Angebot hat die Band Ernsthaftigkeit, Tiefsinnigkeit, aber auch Ironie und Witz, sodass wohl für jeden etwas dabei sein dürfte. Der heutige Abend war sowie ein Lehrstück in Sachen „Geiles Rockkonzert - Headliner-Style“ und zeigte das Standing der Band, die sich über die Jahre kontinuierlich und beharrlich entwickelt hat. Doch bei aller nötigen Professionalität in Sachen Stageacting, Choreografie und reibungslosem Businessablauf sorgte das Revoluzzer-Gen in Campino und seiner Opelgang für lockere Ungezwungenheit und ehrlich wirkender Begegnung mit den Fans auf gleicher Augenhöhe. Dies wurde in den sympathischen Ansagen und dem agil-frechen Stageacting spürbar. Und man nahm den Jungs dieses kumpelhafte, geerdete Image auch ab. Keine Grimasse, keine Bewegung und kein Wort zeugte von überheblichem Rockstargehabe. Doch trotz allem kumpelhaften Charme machte vor allem Campino klar, wer den Ton vorgibt, dass hier großformatiges Unterhaltungsprogramm gefahren wird und er sich wohl von Nichts und Niemandem in seine kleine Horrorshow reinpfuschen ließe. Für einen exzellenten Frontmann wie Campino würden viele Bands wohl ungesehen ihre Großmütter verkaufen, soviel steht wohl fest.

In genau dieser Tonart ging es weiter Schlag auf Schlag weiter ... „Liebeslied“, „Hier kommt Alex“, „Wünsch dir was“ … ein Hosen-Konzert destilliert die Essenz des PoPunkRocks, das dankbar-willige Publikumsgemisch war dafür ja sowieso leicht zu entflammen. DIE TOTEN HOSEN sind keine detailverliebten Großmeister ihrer Instrumente, Campino nicht der Lieblingsschüler der Gesangslehrer, aber diese Band lebt und atmet Authentiziät und den Spirit des Deutsch/Punkrock und beherrscht den Spagat zwischen Kapitalismus und Underground-Attitüde wie kaum eine andere Band dieser Größenordnung. Trotz all dem blieb in dieser schweißtreibenden Rocknacht inmitten der dargebotenen Profi-Show auch Spielraum für Spontaneität und Fannähe, als bei „Paradies“ das Mikro an Lukas aus dem Publikum übergeben wurde, der den Song dann im Duett mit Meister Campino zu Ende bringen durfte. „Halbstark“ nützte der für das Erklimmen von Bühnenaufbauten berüchtigte Frontmann für einen kleinen Ausflug auf dieselben, jedoch waren die Klettermöglichkeiten im Congreß sehr eingeschränkt, sodaß die Aktion nur ein kurzes Intermezzo darstellte. Diese wohldosierten wilde Elemente in Tateinheit mit dem packenden Songmaterial, einer amtlichen Licht- und Videoshow und der jugendlich-frischen Party & F*ck off-Attitüde sicherte der Band auch am heutigen Abend den frenetischen Jubel der tausenden Anwesenden, Flaggen wurden geschwungen und unter dem Banner des Knochenadlers vereinten die Hosen ganze Generationen von Fans. Neben dem Anglistik-Ausflug „Pushed Again“ wurden natürlich auch die Songs des neuen Albums („ Das ist der Moment“, „Traurig einen Sommer lang“) präsentiert, am aktuellen Charthit „Tage wie diese“, bei dem das Publikum im Kollektiv in die Knie ging, führte natürlich ebenfalls kein Weg vorbei. Nach 75 Minuten war dann das erste Kapitel des heutigen Konzertabends beschlossen. Die Band ließ sich jedoch nicht lange bitten, mit dem akustisch dargebrachten „Draußen vor der Tür“ setzten die Hosen ungehemmt da fort, wo sie nur kurz vorher unterbrachen. Wie sehr die Band über Allem steht, zeigt wie frech sie „Schrei nach Liebe“ ihrer direkten Konkurrenz DIE ÄRZTE coverten. Apropos Coverversionen: mit „Raise Your Voice“ verneigte man sich vor der US-Punkrockgröße BAD RELIGION, das FALCO – Cover Amadeus kam hingegen eher platt um die Ecke, dann hätt´s doch lieber ein RAMONES –Titel sein dürfen!

Nach einer weiteren Kurzpause endete „Bommerlunder“ im üblichen Soundcrescendo, bei „Alles aus Liebe“ überkam einen der eiskalte Wonneschauer, es gab kein Halten mehr, aus hunderten Kehlen wurde der Song Wort für Wort zitiert. Dem schnell heruntergeholzten „Opel-Gang“ folgte der unvermeidliche, vergnügliche „Jägermeister“-Hit bevor man sich mit „Schönen Gruß, auf Wiedersehn“ stilecht zum vorletzten Mal verabschiedete. Den endgültigen Garaus machte nach 2 Stunden Hosen-Wahnsinn, dem Brüller „Strom“ und dem gemeinsam mit Alt-Drummer Wölli intonierten „Wort zum Sonntag“ schließlich die Liverpool FC – Hymne „You'll Never Walk Alone“ , die auch noch Minuten nachdem die Band bereits die Bühne verlassen hatte, von den Fans noch weiter intoniert wurde. Gänsehaut Galore!! Die Hosen zeigten sich am heutigen Abend in bestechender Form für die anstehenden Megakonzerte, wenn die Band antritt mit Kalibern wie LINKIN PARK und METALLICA das Billing von Rock am Ring/im Park oder des NovaRock anzuführen, bevor es im Herbst auf Headlinertour geht. Beim Chillen nach dem Konzert war man sich jedenfalls einig, dass diese grandiose Rocknacht DIE TOTEN HOSEN in Bestform zeigte und an diesem speziellen und denkwürdigen Konzertabend ganz großer Stadionrockzauber im Innsbrucker Kongreßhaus zelebriert wurde! Die glücklichen Gesichter sprachen Bände. Setlist: • Ballast der Republik • Liebesspieler • Du lebst nur einmal • Auswärtsspiel • Alles was war • Altes Fieber • Heute hier, morgen dort (HANNES WADER Cover) • Bonnie & Clyde • Traurig einen Sommer lang • Rock me Amadeus (FALCO Cover) • Schade, wie kann das passieren? • Halbstark • Pushed Again • Steh auf, wenn du am Boden bist • All die ganzen Jahre • Raise your voice (BAD RELIGION Cover) • Das ist der Moment • Liebeslied • Hier kommt Alex • Wünsch dir was • Tage wie diese --- • Draußen vor der Tür • Schrei nach Liebe (DIE ÄRZTE Cover) • Paradies • Freunde ---- • Eisgekühlter Bommerlunder • Alles aus Liebe • Opel-Gang • Zehn kleine Jägermeister • Schönen Gruß, auf Wiedersehn ---- • Strom • Wort zum Sonntag • You'll never walk alone (GERRY & THE PACEMAKERS Cover)


ANZEIGE
ANZEIGE