12.06.2015, Weekender, Innsbruck

ORCHID

Text: Laichster | Fotos: Laichster
Veröffentlicht am 15.06.2015

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Heute ist es soweit, an diesem Freitag startet der Vorverkauf für die Europa-Stationen der MÖTLEY-CRÜE-Abschiedstournee. Vorfreude machte sich schon seit Bekanntgabe des München-Gigs im November breit, doch heute wurde man herb entäuscht. Abgesagt? Nein, der Sellout des Metal-Business nimmt neue Dimensionen an! 92,38 Euronen für eine Runde „Girls Girls Girls“ und dem zugegebenermaßen starken Support durch Alice Cooper. Irgendwo schon wahnwitzig wenn man bedenkt, dass man eine Woche vorher SLAYER mit ANTHRAX, beziehungsweise eine Woche später MOTÖRHEAD mit Support SAXON und GIRLSCHOOL um den halben Preis serviert bekommt und diese Packages dem letzten Aufbäumen der Crüe an Mächtigkeit und Status um nichts nachstehen. Metal wird wieder einmal zum Upper-Class-Event stilisiert um die Ruhestandsfinanzierung inklusive Koks und Groupies für gealterte Legenden zu sichern. Nein, die Crüe muss ohne mich und wohl auch ohne viele Andere die sich gleich vor den Kopf gestoßen fühlen Abdanken! Wenn man bedenkt, dass man zuletzt nicht einmal für die immer noch extrem starken BLACK SABBATH mit Hampelmännchen Ozzy so viel Kohle auf den Tisch legen musste stellt es einem wirklich die Haare zu Berge.

Apropos Ozzy und BLACK SABBATH in den 1970ern - diesem Kult wird heute auch im Innsbrucker Weekender gehuldigt, den ORCHID geben sich die Ehre und lassen alle Schlaghosenfetischisten im Dreieck springen. Unterhaltung zum angemessenen Preis, genau so soll es sein (Nikki Sixx nimm dir ein Beispiel!) und zwei Support-Acts bekommt man am heutigen Abend auch noch dazu serviert. Die Berliner WEDGE dürfen eröffnen und zusätzlich gibt es noch die Schweden SPIDERS auf der Bühne des Weekender. Trotz des attraktiven Packages lässt sich der schwermetallische Teil der heimische Szene heute nur spärlich Blicken und das Publikum besteht zu einem Großteil aus der Stoner/Doom – Fraktion des heiligen Landes sowie einigen Gestalten, die man eher auf ein CRO – Konzert einordnen würde als auf ein Vintage-Rock-Konzert. Nun gut was solls, der absolutistische Anspruch des gemeinen Kuttenträgers auf den Underground ist sowieso schon längst überholt. Kaum in der Location angekommen erblickt man auch schon Krawall-Girl Nr.1 (ja ihr habt jetzt Nummern, klein Nr.1 und groß Nr.2), das sich schon ORCHID-Basser Keith Nickel anlacht, der bestens gelaunt am heutigen Sommerabend vor dem Eingang abhängt. Small-Talk, Foto und um 20:45 Uhr scheucht uns der sympathische Ami mit dem NASA-Shirt höchst persönlich vor die Bühne um dem Opener beizuwohnen.

WEDGE: Berlin, die Stadt der Hipster und Szenemenschen liefert uns gegenständliche Truppe in die Alpenhauptstadt. Die Beschreibung des Stils lässt sich am besten mit der Aussage von Kumpane Gregor beschreiben: „Ist das DEEP Purple? Also ich bin alt genug um das zu beurteilen, dass ist eindeutig DEEP PURPLE“. Und der Lieutenant klassifiziert das Ganze einfach mal als “Stonerrock für bekiffte Studenten“. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, der Einfluss der Giganten die uns „Speed King“ oder „Child In Time“ bescherten kann auf keinen Fall verleugnet werden. Psychodelische Riffs gepaart mit Orgelsound (sehr kultig übrigens das abgefuckte Keyboard) und irgendwie mischt man dann noch den klassischen Stoner-Riff dazu. Desert-Rock meets Classic-Rock, aber so hundertprozentig zünden will die Angelegenheit dann doch nicht, was wahrscheinlich daran liegt, dass man sich zu sehr in einer der beiden Schienen vertieft anstatt die angeleierten Verknüpfungen wirklich zu Ende zu spielen. Im Großen und Ganzen ein netter Opener mit Ausbaupotenzial, nicht mehr und auch nicht weniger. SPIDERS: Spätestens seit dem urplötzlichen Auftreten der BLUES PILLS werden Rock-Bands mit weiblicher Stimme gehypte, warum weiß eigentlich kein Schwein? Da wird viel in den Himmel gelobt, dass es eigentlich nicht wert ist. SPIDERS, mit Fronterin Ann-Sofie Hoyles gibt es eigentlich schon länger als die BLUES PILLS, weiß nur auch wieder keiner (Ok, ich gebs zu ich hab auch Dr. Google befragt). „Shake Electric“ ist dann irgendwann zufällig am persönlichen Plattenspieler gelandet und hat ziemlich Eindruck hinterlassen, die Frage stellt sich nun, ist es den Schweden möglich das Vinyl dementsprechend auf der Bühne umzusetzen?

Das anscheinend selbstgebastelte Backdrop ist ja schon einmal sehr innovativ und als sich die Band auf die Bühne begibt dreht es einem dank der Outfits dann doch kurz den Magen um. Was muss man einwerfen um sich so etwas anzuziehen? Als bildlicher Vergleich – Drummer Ricard Harryson (unnützes Wissen: dem sein Vorgänger Axel Sjöberg werkt jetzt bei GRAVEYARD), sieht in seinem Glitzerkleidchen aus wie der Hauptprotagonist aus dem Kinderbuch „Der Regenbogenfisch“. Musikalisch werkt man dann sehr ambitioniert und Miss Hoyles setzt auch alles daran das Publikum zu animieren. Die Dame ist zudem noch multiinstrumental am Weg und bedient Gitarre, Tamburin und Fotzenhobel gleichermaßen talentiert. All das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass SPIDERS die hohen Erwartungen nicht zu erfüllen vermögen. Cool daher kommt die Woodstock nachtrauernde Fraktion aber doch und hat das im Gegensatz zum Schreiberling nicht allzu überkritische Publikum auf Temperatur für den heutigen Headliner gebracht.

ORCHID:
„The Mouths Of Madness“ (zum Review) heißt die zweite LP der Kalifornier, mit welcher ORCHID sich endgültig von der Masse der durchschnittlichen Retro-Heavy-Rock-Langweiler abgehoben hat (auch wenn Krawall-Girl Nr.1 „Capricorn“ für besser hält). Der unweigerliche BLACK-SABBATH-Vergleich muss kommen, klingt Fronter Theo Mindell doch wie der junge Ozzy und sieht auch aus wie die junge Legende, halt ohne Drugs und zerkaute Fledermäuse. Aber wie hielt schon Kollege Reini so treffend fest: "ORCHID als reines BLACK SABBATH-Plagiat abzustempeln wäre dem aus San Francisco stammenden Quartett gegenüber völlig deplatziert. Sicher sind gerade diverse Riffs von Gitarrist Mark Thomas Baker einigermaßen von Toni Iommi inspiriert, aber ORCHID wildern doch weit offensichtlicher im Retro-Heavy-Rock, denn sich an Ozzy & Co. zu orientieren.". Kurzum, ORCHID sind ein Querschnitt durch den Heavy-Rock der 1970er und haben die Schlaghose zeitgerecht interpretiert und ins 21te Jahrhundert gehievt.

Dass der Ruf einer hervoragenden Live-Band mehr als berechtigt ist, sollte auch heute wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt werden. ORCHID machen keine halben Sachen und so darf man dem Hippietum bei selbst in den vordersten Reihen glasklaren Sound huldigen. Theo Mindell sieht übrigens nicht nur so aus wie der Prince Of Fucking Darkness, nein er verhält sich auch so. Das verwirrte Rumgehopse und einer Laufente ähnliche Kopfnicken ist entweder perfekt kopiert oder es gibt wirklich Substanzen die diese Bewegungsabläufe hervorrufen? Seitenhieb am Rande - gegen einen Dave Chandler seid ihr trotzdem alle noch ziemliche Anfänger in der Kategorie „Dope-Zombie“. Andererseits waren SAINT VITUS hier auf der gleichen Bühne nur eine Woche zuvor absoluter Kult (zum Livereport), verstecken brauchen sich ORCHID aber mittlerweile keinesfalls mehr vor den Legenden. Als erstes Highlight darf man „The Mouths Of Madness“ bezeichnen, gleich gefolgt von „Capricorn“ und der Überraschung des Abends – „John The Tiger“. An der Setlist gibt es nichts auszusetzen – Vorteil einer Band mit relativ geringer Diskographie. Man denke an Bands wie BLIND GUARDIAN, die fünf Stunden spielen könnten und man wäre noch lange nicht zufriedengestellt. Nach einer Stunde professioneller Machtdemonstration gibt es noch das unglaublich starke „Wizard Of War“ als Zugabe bevor Schicht im Schlaghosenschacht ist.

Setlist:
- Helicopters
- The Mouths Of Madness
- Eyes Behind The Wall
- Sign Of The Witch
- Capricorn
- Silent One
- John The Tiger
- Black Funeral
- He Who Walks Alone
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- Wizard Of War

ORCHID sind im Moment die Speerspitze der neuen Generation Vintage-Rock und das absolut verdient. Die heutige Performance hat diesen Anspruch untermauert und wenn uns die alten Dinosaurier langsam alle wegsterben werden, dann werden uns diese vier Musiker hoffentlich noch längere Zeit mit ihren Clubshows an die glorreichen Zeiten erinnern, in denen wir selbst alle noch lange nicht in Planung waren. Liebe Beleuchtungs-Menschen, das nächste Mal bitte noch mehr Nebel und rotes Licht, meine Kamera liebt es! Weitere nicht wegen Frequenzen im Bereich von 384 bis 789 [THz] ausgeschiedene Pics könnt ihr in der Galerie sehen. Zusätzlich gibt es hier noch die Fotos von Kollegin Anthalerero vom ORCHID-Gig im Salzburger Rockhouse.


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