16.10.2010, Reigen

SUBSIGNAL

Veröffentlicht am 20.10.2010

Ziemlich genau drei Jahre ist es mittlerweile her, dass die seligen SIEGES EVEN im gleichen Wiener Etablissement gastierten, ein Konzert das wahrscheinlich nicht nur mir noch in recht lebhafter Erinnerung ist. Anno 2010 gibt es die Münchner Prog-Pioniere zwar nicht mehr, aber die neue Truppe von Sänger Arno Menses und Gitarrenzauberer Markus Steffen ist zumindest ein ebenbürtiger Ersatz, konnte man doch bereits mit dem Debut „Beatiful & Monstrous“ die Kritiker zu wahren Lobeshymnen hinreissen. Und wie bereits 2007 fungieren die Wiener CONXIOUS als Veranstalter und Vorgruppe in Personalunion. Als ich um knapp nach Acht in den Reigen komme, sind vielleicht dreissig Nasen im Raum verteilt, und der Grossteil davon sind Familienangehörige der Ghezzos. Aber die Stimmung ist gut, entspannt und locker. Als CONXIOUS um kurz vor Neun die Bühne entern, ist die „Menge“ freilich noch nicht ganz so locker, die meisten verharren lieber noch an der Bar in der Nähe der kalten Getränke, oder verfolgen den rund 50-minütigen Gig von den zahlreichen Tischen aus. Da ist halt die Ergonomie des Reigens ein wenig hinderlich, zu viele Möglichkeiten gibt es, weit weg von der Bühne herumzuhocken und trotzdem zu jeder Zeit das Geschehen im Auge zu behalten. Die Ghezzo-Brüder, Ernst Zach am Bass und Sänger Michi Reiter legen sich trotz des Publikumsschwunds mächtig ins Zeug, spielen Altes und Neues, und krönen ihr Set mit einer feinen Version des ALAN PARSONS PROJECT-Hits "Don't Answer Me". Das Handicap von CONXIOUS ist nach wie vor ihr relativ sperriges Songmaterial, die Tracks würden sich meiner Ansicht nach besser präsentieren lassen, wären sie um zwei, drei Minuten kürzer und etwas handlicher. So kommt eben nur selten so richtig Fahrt auf, was schade ist – denn hier sind Musiker mit Herzblut bei der Sache, und jeder für sich hier ist ein echtes Ausnahmetalent.

Nach kurzem Changeover kommt dann Krautrock-Feeling auf, musikalisch und optisch. Die Münchner Achtziger-Legende CENTRAL PARK – die sich nach ihrer Auflösung 1989 vor vier Jahren wieder zusammengefunden hat – ist die Tourbegleitung von SUBSIGNAL. Die in Würde ergrauten Herrschaften schmücken sich mittlerweile mit einer sehr blonden und auch sehr stimmgewaltigen Sangesgrazie, und auch wenn die Band wahrscheinlich nur noch denjenigen im Saal geläufig ist, die den Fuffziger bereits deutlich überschritten haben, konnte das Quintett mit seinem eigenwilligen Mischmasch aus Krautrock, Prog und Classic Rock die meisten Anwesenden überzeugen. Vom Hocker gehauen haben sie aber scheinbar niemanden.

Das hatte aber vielleicht auch damit zu tun, dass diesen Abend natürlich alle auf die eine Band warteten: SUBSIGNAL. Als Mützen-Model Arno Menses und seine Truppe die Bühne betreten, stürmen alle Anwesenden ausnahmslos nach vorne an die kleine, übersichtliche Bühne - die zum Gutteil von einem riesen Drumkit inklusive Plexiglas-Wänden verstellt ist. Hier im Reigen kann man seinen Idolen noch ganz nahe sein – keine Securities stören hier, man kann den Musikern quasi die Schuhbänder verknoten – diese intime Athmosphäre trägt zur ausgelassenen Stimmung natürlich umso mehr bei. Das deutsch-holländische Kollektiv steigt mit „The Trick Is To Keep Breathing“ in den fast zweistündigen Set ein, und mit „To Hope The Road Is Long“, dem wunderschönen Gänsehaut-Epos „The Sea“ und „Rain Is The Most Beatiful Color“ folgen gleich mal die ersten Songs für die Ewigkeit. Die Ankündigung von Arno – der locker ist wie immer und auf seine ureigene, sympathische Art mit Publikum und Band scherzt – heute das gesamte „Beautiful & Monstrous“ Album zu spielen, sorgt bei den etwa hundert Anwesenden für grosses Gejohle. Aber natürlich warten alle auch auf das bestimmte Etwas. Markus Steffen, der ebenfalls mit SIEGES EVEN bereits vor drei Jahren hier gestanden hat, wohnt mittlerweile in Wien und da darf natürlich auch Metarial von „The Other Band“ (O-Ton Arno Menses) nicht fehlen. „Eyes Wide Open“ sorgt dann auch gleich mal nicht nur für offene, sondern vor allem für feuchte Augen bei allen Beteiligten – eine der schönsten Rock-Balladen überhaupt, die live noch viel mehr Gefühle entfacht als eh ohnehin schon.

Geht da noch mehr? Na aber hallo! Das eher getragene „Walking With Ghosts“ bildet die perfekte Überleitung zum nächsten SIEGES EVEN-Überflieger, „Tidal“. Dem eher straighten Song mit seinen einprägsamen „We Are We Are“-Singalongs und Mitklatsch-Part folgt auch gleich noch „Unbreakable“, und spätestens hier hat jeder im Raum nicht nur feuchte Augen, sondern einige stehen bereits kurz vor der Ekstase. Zum wieder etwas runterkühlen folgen fünf SUBSIGNAL-Songs am Stück: das zeitlos-schöne „Where Angels Fear To Tread“, die eher kurze Ballade „I Go With The Wind“, der nachdenklich-melancholische Zehnmiunten-Koloss „Beautiful & Monstrous“ und das treibende „Paradigm“. Arno, Markus, Ralf, David und Roel verschwinden erst mal von der Bühne, aber es ist von vornherein klar, dass die Anwesenden die Band nicht so leicht gehen lassen und sie zumindest zweimal wieder rausbrüllen werden. So kommt das Quintett für die Halbakustik-Ballade „The Last Light Of Summer“ noch eimal on stage, verschwindet dann noch einmal kurz, um mit dem SIEGES EVEN-Dankeschön „The Lonely Views Of Condors“ den Abend nicht nur perfekt abzuschliessen, sondern für alle Beteiligten unvergesslich zu machen.

Eine halbe Stunde später stehe ich mit einem Kollegen der schreibenden Zunft an der Bar bei lecker Gerstensaft und lasse den Abend noch einmal Revue passieren. Es sind Konzerte wie dieses, die man nicht vergessen wird, stellen wir fest. Mehr noch, sie brennen sich ein in die Gedanken, weil alles einfach nur perfekt war: der Sound war top – fast eins zu eins zur CD. Die Musiker waren trotz der wenigen Leute hochmotiviert und dabei noch mega-sympathisch, und für seine 18 Euro bekam man an diesem Abend eine stattliche Menge an unbezahlbaren Erinnerungen. Dafür möchte ich abschliessend den Ghezzo-Brüdern und CONXIOUS danken, sie haben diesen Gig möglich und uns Musikliebhabern ein Geschenk gemacht, das in Worte nicht zu fassen ist. Jeder der an diesem Abend bei BLIND GUARDIAN war, ist selber schuld.


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