10.06.2011 - 12.06.2011, Amphitheater Gelsenkirchen

ROCK HARD Festival 2011

Veröffentlicht am 18.06.2011

Luxus ist, wenn man Zeit hat. Daher macht sich der Journalist von Welt auch schon einen Tag früher auf, um das RockHard-Festival in der schönen Ruhrpottmetropole Gelsenkirchen zu besuchen. Nachdem ich erstmal per Flieger nach Düsseldorf und von dort mit Bahn und Bus in mein Hotel gegondelt bin, heißt‘s erstmal: Lage abchecken und das Festivalgelände zwecks Bändchen-Abholung aufzusuchen. Zu Fuß bin ich in einer knappen halben Stunde vor Ort am Rhein-Herne-Kanal, wo auch schon eifriges Treiben herrscht: der Campingplatz sperrt um 17 Uhr auf, alle sind bereits fleißig am Ein- und Ausräumen, und die Bollerwägelchen voll mit Bier und Campingzeug schaukeln durchs Gelände. Ich hole mir mein „Bändschn“, und dann ist erstmal Zeit für Fritten und Bier. Ich beobachte und das bunte Treiben, und stelle wieder mal fest: wir Metaller sind schon ein schräges Völkchen. Beim RockHard-Stand decke ich mich noch mit Infos und einem Programmheftchen ein, und nach ein paar Runden über das Areal (Fress- und Saufstände haben bereits fast alle offen) hab ich aber erstmal genug gesehen, und nach ein wenig Smalltalk mit einigen Gästen krall ich mir noch einen Döner und marschiere zurück ins Hotel. Die Anreise war kräftezehrend, und ich bin ja noch die nächsten drei Tage hier. Man will ja schließlich nicht den anderen beim campen zusehen. Obwohl das ja genug Stoff für einen eigenen Bericht gäbe. Also ab ins Bett, noch schnell den Wetterbericht gecheckt, und der schaut vorerst mal ziemlich durchwachsen aus. Aber egal, wir sind ja nicht aus Zucker. Während ich noch die ersten Eindrücke verarbeite, drifte ich dann auch relativ flott ins Nimmer-Nimmerland.

Um acht mal aus den Federn, und das Frühstücksbuffet abgecheckt. Kriegt keine Bestnoten, geht aber ok. Das Wetter sieht noch nicht so rosig aus, es ist grau und nieselt. Als Hotelschläfer fühle ich mich wieder mal bestätigt, und meine (mitleidsvollen) Gedanken sind bei den Campern. Dann latsche ich zum Rewe, um mich mit dem Allernötigsten für die nächsten Tage einzudecken. Und natürlich beginnt es prompt da wieder schön zu regnen. Aber bis ich auf dem Gelände bin, hat es sich wieder beruhigt. Pünktlich beginnen auch schon die Lokalmatadoren von CONTRADICTION den Reigen mit souveränem Thrash Metal der Marke „KREATOR trifft Bay Area“. Die Leute werden auch schön langsam munter, stolpern kontinuierlich in die halbrunde Arena, und vor der Bühne bildet sich trotz der frühen Stunde ein amtlicher Moshpit. Irgendwie passend, irgendwie auch wieder nicht dann die Chilenen von PROCESSION: ein wenig schaumgebremst zocken die drei Exoten Doom-Metal, wie ihn etwa auch CANDLEMASS und Konsorten zelebrieren. Wenigstens kann man sein Genick schonen. Das braucht man dann nämlich bei den Berlinern POSTMORTEM wieder, die ja auch schon lange Zeit ihr Unwesen in der Szene treiben. Mich haut das Death/Thrash-Gebräu aber nicht so richtig von den Socken, und wie bestellt beginnt es dann auch noch zu schütten. Aber sowas von. Schnell ein Bier gekrallt, ne schicke RockHard-Regenjacke gekauft (gab‘s nur noch in XL, was bei mir ungefähr aussieht, als stünde ich alleine in einem Bierzelt), und Schutz unter einem der wenigen Dächer gesucht. Da trifft man dann auch gleich den Albrecht und Bruder Cle vom RockHard, und so ist auch der Regen schnell gegessen – und POSTMORTEM dann auch fertig. Aber jetzt wird’s dann erst interessant… Irlands Metal-Vorzeigeband PRIMORDIAL verfolgt mich (oder ich sie, je nachdem...), vor zwei Wochen hab ich sie noch am Metalfest in Mining gesehen, und im April bereits auf der Sweden Rock-Cruise. Aber das sympathische Quintett rund um den exzentrischen Frontklotz Alan Nemtheanga (kommt diesmal ganz in weiss und mit Kunstblut übergossen) schafft es, immer wieder aufregend zu klingen und von Neuem zu begeistern. Als die Band dann auch noch zur allseits gewünschten Hymne „The Coffin Ships“ anhebt, geht im wörtlichsten Sinne die Sonne auf. Und die scheint dann auch den Jungs von ENSLAVED relativ unpassend genau in die Fresse. Norwegischer Epic-Prog-Death bei Mickymaus-Wetter, das ist halt etwas gewöhnungsbedürftig. Aber es scheint keinen zu stören, der Pit vor der Bühne ist amtlich voll (auch schon promilletechnisch) und zelebriert mit Grutle, Ivar und Co. ein Best-Of-Programm mit zahlreichen Gänsehautmomenten. Dann muss ich mich erstmal „erholen“ und hüpfe ins VIP-Zelt, wo man der versammelten RockHard-Mannschaft beim gepflegten Trinken zusehen kann, ein relativ sauberes Klo hat, wo aber sonst nicht viel passiert. Die Bühne kann man sich von hier über eine meterbreite Hecke angucken und das Bier ist auch nicht billiger als draußen. Also die Gelegenheit genutzt, um über den kleinen aber feinen Metal-Market zu flanieren und etwaiges Shopping-Gut zu sichten, ein paar Bier mit ein paar netten Leuten zu trinken und auf den Auftritt von TRIPTYKON zu warten. Nachdem CELTIC FROST ihre Auftritte auf dem RHF ja immer aus irgendwelchen Gründen absagen mussten, hoffen natürlich alle inklusive mir auf die Schweizer Düstermetaller rund um Tom Gabriel „Warrior“ Fischer. Der erscheint dann auch pünktlich mit seiner dezent in schwarz gehüllten Combo, und noch schöner wäre es, wenn es bereits völlig dunkel gewesen wäre. Aber auch so zieht das Quartett die Freitags-Meute mit einer schwarzen Ursuppe aus eigenem Material und natürlich CELTIC FROST-Klassikern wie „Circle Of The Tyrants“ und „Into The Crypt Of Rays“ in einen hypnotisierenden Gefühlsstrudel. Ich persönlich fand die Band als Headliner aber fast ein wenig deplaziert – zu depressiv kam die Musik teilweise rüber. Aber CELTIC FROST ist halt Kult, und der Großteil des Amphitheaters feierte den sichtlich ergriffenen Tom Fischer nach allen Regeln der Kunst ab. Nach allen Regeln der Kunst hat sich die versammelte Pressemannschaft inklusive mir dann auch im VIP-Zelt bis zur Unkenntlichkeit abgefüllt. Einmal darf man ja wohl. Ob ich noch mit TRIPTYKON angeprostet hab? An das kann ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern…

Schädelweh, Kiesgrube im Mund und Schmerzen in praktisch jedem Körperteil: so sieht sie aus, die Enddreißiger-Festivallähmung. Schnell ein rituelles Ibuprofen eingeschmissen, und noch flott was vom Frühstücksbuffet gekrallt, den gestrigen Tag – soweit möglich – nochmal Revue passieren lassen und für Heute so eine Art Programm zurechtgemacht. Und das alles mit einem Kopf so groß wie der ganze Ruhrpott. Aber man gönnt sich ja sonst nix. Guter Dinge schreite ich gegen Mittag zur Tat und gondle mit dem Bus zum Gelände, wo das bunte Treiben scheinbar nie aufhört. Nach ein wenig Smalltalk mit alten Bekannten wird die Morgenruhe aber abrupt durch den Metalcore der Schweizer DREAMSHADE zerschnitten. Das Quintett hat die undankbare Aufgabe, das Festival und seine mittlerweile sichtlich gezeichneten Besucher für heute wachzurütteln. Das gelingt aber nur bedingt, trotz aller Sympathie für die Jungs ist der Melo-Death mit Kreischgesang um diese Tageszeit nicht nur für meine Ohren mehr Schmerz als Wohltat. Aber wenigstens sind die Leute anschließend munter. IN SOLITUDE mit ihrem etwas Hippie-geschwängerten Retro-Metal passen da schon besser ins Bild. Zwar wirken die Schweden ein wenig gelangweilt, vielleicht auch müde, die recht zugängliche Mucke stellt aber wenigstens keine großartigen Anforderungen ans Kleinhirn. Mit einem Frühstücks-Bier in der Hand sitze ich im kuscheligen Halbrund und lasse erstmal alles auf mich einwirken. Die Sonne scheint, es gibt Metal, und das Leben ist schön! Gut, da habe ich die Rechnung jetzt ohne den Ruhrpott-Wettergott gemacht. Bevor die Deather DISBELIEF die Bühne erklimmen, sieht der Himmel passenderweise nach Apokalypse aus – und diese wird heute insgesamt drei mal über Gelsenkirchen hereinbrechen. Aber es hilft nix, da muss man durch. Man kann‘s ja eh nicht ändern. Also schnell Schutz unter einem der Schirme im Biergarten gesucht und dabei gelich noch ein paar nette Tiroler getroffen. Andere bevorzugen, sich nasszumachen und machen Bauchflecke in Pfützen. Ich ziehe die trockene Variante vor, und so müssen DISBELIEF ohne mich auskommen, die jedoch hörbar tapfer ihr Programm durchziehen. Danach EPICA zu verpassen wäre allein schon wegen Augenweide Simone Simons eine Sünde, die sich heute ganz dezent im kleinen Schwarzen präsentiert (ich bin halt auch nur’n Mann!). Das Backdrop wird aufgrund des starken Windes auf Halbmast gefahren, aber Wind sind die Holländer ja ohnehin reichlich gewohnt. Die Band rund um Mastermind Mark Jansen präsentiert sich in bester Spiellaune, und alsbald hängen nicht nur die vorderen Reihen der hübschen Sängerin an den Lippen. EPICA sind die einzige „Gothic-Metal“-Band im diesjährigen Line-Up, passen aber trotzdem super ins heutige Programm, vor allem, weil es mittlerweile auch wieder zu regnen aufgehört hat, und die Leute wieder unter ihren Schirmen und Regenjacken hervorkriechen. Es ist aber mittlerweile arschkalt, und so gehe ich mir erst mal ein Festival-Shirt kaufen. Der Sprung zum schwedischen Rock-Fünfer BULLET könnte dann grösser nicht sein: wo kurz davor noch lieblicher Frauengesang und progressive Gitarrenriffs das Amphitheater erfüllt haben, blasen die Schweden eine geballte Ladung „AC/DC on Speed“ ins Publikum, und der Platz vor der Bühne ist beachtlich dicht bevölkert. Blickfang ist natürlich Frontklotz Hell Hofer, der aussieht wie der kleine Bruder von Messiah Marcolin, aber weitaus mehr Dampf im Arsch hat. Trotz geschätzter hundertzwanzig Kilo steppt er wie ein Derwisch über die Bretter, während die restliche Band die Party mit leicht nachvollziehbarer Rockmusik im Viervierteltakt bombardiert. Ich schließe mich an und wippe bedächtig samt Bier im Takt - denn wer sich bei BULLET nicht bewegt, ist entweder taub oder grade nicht da. Die diesjährige Festivalüberraschung sind dann sicherlich MORGOTH. Die Sauerländer stehen zu drei Fünftel in Originalbesetzung nach etwa 15 Jahren wieder leibhaftig auf einer Bühne, und schon beim ersten Song wird klar: sie haben es nicht verlernt. Mit einem Killersound werden vorzugsweise Songs des Meilensteins „Cursed“ ins Halbrund geblasen, die Band ist supergut eingespielt, auch wenn diese Art Metal heute absolut nix neues mehr ist. Tight und mit 120% geht’s durch den einstündigen Set, der durch einen erneuten kräftigen Regenschauer am Ende noch ein wenig ersäuft wird. Aber trotzdem: gut gemacht Jungs, und vielleicht gibt’s ja bald mal ne neue Platte? Und es regnet und regnet und regnet. Die ganze Umbaupause lang. Ich hangle mich von einem Unterstand zum nächsten und unterziehe die RockHard-Regenjacke (kostet € 12,-) erneut einem Härtetest, dem sie jedoch leider nicht standhält. Sieht aber wenigstens schick aus. Der Gig von AMORPHIS am österreichischen Metalfest vor zwei Wochen war ja schon mit Sauwetter verflucht, und nicht nur ich wünsche mir jetzt nichts sehnlicher, als die Finnen wieder mal „trocken“ erleben zu dürfen. Und scheinbar haben heut alle brav aufgegessen. Anfangs noch etwas müde und demotiviert entert das Sextett die Bühne, um die waschelnasse Audience mit einem netten Best-Of-Programm zu verwöhnen. Die Laune des Publikums ist trotz des Arschwetters ungebrochen gut und springt auch bald auf die Band über. Und weil sogar wieder die Sonne hervor lugt, wird der Set dann auch von Song zu Song besser – und emotionaler. Für mich vom Gesamtpaket bisher die Top-Band neben ENSLAVED, und eine schöne Entschädigung für’s Metalfest-Desaster. Jetzt kann ja nicht mehr viel schiefgehen. Außer es beginnt erneut zu regnen. Der Himmel verdunkelt sich schon wieder bösartig, als endlich Jon Schaffer und seine Powertruppe ICED EARTH erscheinen. Nichtsdestotrotz legen die Amis einen erstklassigen Set auf die Bretter, und es ist nichts davon zu spüren, dass es einer der letzten Gigs mit Sänger Matt Barlow ist. Was die Sache dann nicht nur für mich emotional macht: der lauteste Applaus bislang, das Amphitheater zu gut drei Vierteln gefüllt – und das obwohl auch ICED EARTH nicht von einem amtlichen Schauer verschont bleiben. Ein Gig, an den man sich gerne und lange erinnern wird, und frei von jeder Eitelkeit, die Streitigkeiten der Vergangenheit ein für alle mal begraben. Hier geht es heute nur um eines: dem Publikum einen der besten ICED EARTH-Gigs seit langem zu geben. Und diese Aufgabe haben die Südstaatler mit Bravour gemeistert. Ich jedoch bin nicht nur überglücklich, den Tag halbwegs trocken überstanden zu haben, sondern auch hundemüde. Nach einem kurzen Drink im VIP-Zelt (eigentlich so wie überall backstage relativ fad, aber man trifft nette Leute wie MORGOTH-Gitarrist Sebastian Swart und PRIMORDIAL-Sänger Alan, oder Brian Allen von VICIOUS RUMORS, der ständig einen ganzen Schweif Tussis im Schlepptau hat) torkle ich ins Taxi und düse ab ins Hotel. Jaja, man(n) wird alt.

Überraschend ausgeschlafen schreite ich frühmorgens um halb zehn zum Frühstück, diesmal ausnahmsweise draußen auf der Terrasse – der Tag heute scheint schön zu werden. Lustigerweise spüre ich heute gar nix, keinen Kater, auch nicht in den Muskeln – die allseits bekannte Festival-Apathie scheint sich einzustellen. Die Opener VANDERBUYST müssen heute leider auf mich verzichten, denn sie beginnen bereits um zwölf Uhr mittags, und da sitz ich grad mal an der Bushaltestelle. Dafür komme ich pünktlich zu ENFORCER ins Amphitheater. Die Burschen zocken ihren Geradeaus-Metal auch recht tough runter, aber Party will sich zu dieser nachtschlafenen Zeit weder bei mir noch bei den restlichen Idealisten einstellen, die zu diesem Zeitpunkt mehr tot als lebendig im Halbrund herumhängen. Also erstmal über den Metal-Market gebummelt, schließlich will man nicht mit leeren Händen heimkommen. Aber bis auf einen schmuddeligen AGENT STEELE-Kapu im Ausverkauf finde ich weit und breit nix, wo mir auch nur annähernd passt. Egal, heute isses schön und Pullis sind somit eh überflüssig. Die RockHard-Redaktionslieblinge von ATLANTEAN KODEX können dann mit ihrer doch eher progressiv angehauchten Mucke nicht nur mich erstmal nicht vom Hocker reißen. Das Programm der Bayern wird jedoch mit jeder Nummer besser, und schließlich muss auch der letzte Zweifler (=ich) zugeben: die Jungs haben‘s echt drauf, auch wenn’s noch lange nicht fürs Hauptabendprogramm reicht. Aber die Menge dürstet nach Party. Und die bekommt es dann auch. In Form von METAL INQUISITOR, die von mir bislang eher belächelt wurden – aber seit diesem Pfingstsonntag einen Fan mehr haben. Nämlich mich. Was die Koblenzer Combo abzieht, kann man echt nur noch als genial bezeichnen. Zwar zocken El Rojo, Blumi & Co. astreinen Nullachtfuffzehn-Metal, das aber mit so viel Hingabe, Liebe zum Detail, Trueness und Dynamit im Arsch, dass es echt nur noch ne Freude ist ihnen zuzusehen. Und zuzuhören. METAL INQUISITOR wuchten das Publikum aus dem sonntäglichen Halbschlaf und sind nicht nur für mich stimmungsmässig einer der Sieger dieses Wochenendes. Dann muss alles schnell gehen: noch flott aufs WC gehechtet, ein Bier abgegriffen, und im Fotopit Stellung bezogen: ANACRUSIS stehen auf der Matte! Als langjähriger Die Hard-Fan der Band aus St.Louis bin ich über das Opener-Doppel „Paint A Picture/I Love The World“ (NEW MODEL ARMY-Covervbersion!) zwar ein wenig entsetzt, werde aber durch Alltime-Faves wie „Grateful“ und „Sound The Alarm“ mehr oder weniger entschädigt. Die Band ist optisch hübsch gealtert, befindet sich aber in absoluter Höchstform und setzt eine Energie frei, die heute nur noch von OVERKILL übertroffen werden wird. Interims-Gitarrist Mike Henricks macht einen Top-Job, und nach „Butcher‘s Block“ bleibe ich erstmal mit zufriedenem Dauergrinsen, das Bier in der Hand festgewachsen, auf den Steinstufen sitzen und lasse den Set einwirken, der für mich persönlich zu den besten des Festivals gehört. Vielleicht bin ich da aber auch ein wenig voreingenommen… Auch die Ami-Veteranen von VICIOUS RUMORS lassen wie immer nichts anbrennen, sprudeln nur so über vor Spielfreude, und der „neue“ Sänger Brian Allen – optisch wie akustisch außergewöhnlich – passt perfekt ins kalifornische Kult-Quintett. Aus der „Digital Dictator“-Phase kommen natürlich einige Klassiker, und überhaupt bleiben Geoff Thorpe’s Boys der eigenen Vergangenheit treu ergeben. Ergebnis ist ein energiegeladener Auftritt ohne Durchhänger. Ich stehe – immer noch mit breitem Grinsen - vor der Bühne und bin einfach nur glücklich. Und der Rest der etwa 8.000 Nasen hier auch. Kann man das denn jetzt noch steigern? Na, und ob! Denn OVERKILL haben sich mit einem „Special Set“ angekündigt. Nachdem die New Yorker Sympathieträger bereits die längste Schlange am Autogrammstand vorweisen konnten (giftgrün wohin man schaut!), werden sie nun Länge mal Breite von einem mehr als fanatischen Publikum abgefeiert. Der „Special Set“ besteht erwartungsgemäss fast ausschließlich aus alten und ganz alten Songs, „Hello From The Gutter“ wird genauso ergeben mitgegröhlt wie das schleppende „Skullcrusher“ oder der Uralt-Klassiker „Fuck You!“. Bobby „Blitz“ Ellsworth ist agil wie ein Teenager, die Band spielt so arschtight zusammen, dass es an allen Ecken und Enden nur noch brutzelt, alle freuen sich, und der Mob tobt. Am Ende bekommt die Band noch eine Riesenplakette von ihrem deutschen „Skullcrusher“-Fanclub überreicht und zeigt sich sichtlich gerührt. Und ich weiß jetzt schon: das war gerade eben der absolute Höhepunkt des Festivals, das kann man einfach nicht mehr toppen. Und ich behalte recht. Denn danach die Südstaaten-Doom-Sludger von DOWN als Headliner zu präsentieren, ist der einzige wirkliche Faux-Pas, den ich der RockHard Crew vorwerfen kann. Ok, alle reden von der „Supergroup“, und natürlich ist halb PANTERA, ein Viertel CROWBAR und zwei Fünftel CORROSION OF CONFORMITY vertreten. Aber der Funke will bei mir einfach nicht überspringen, denn neben einem sichtlich gelangweilten Kirk Windstein nervt vor allem Zappel-Phil Anselmo, der durch seine fahrige Art, unverständliche Ansagen und seine arrogante Attitüde nicht gerade eben die Sympathiemedaille einfährt. Den meisten im Halbrund dürfte es aber egal sein, sie feiern DOWN neunzig Minuten lang, und ich hol mir noch ein paar Bier bevor‘s dann zum letzten mal für heuer heißt: ab ins Hotel.

Ich will mich hier jetzt nicht in Superlativen ergehen und das übliche Festivalgesülze vom Stapel lassen. Dafür habe ich erstmal eine Art Gut- & Böse-Liste drangehängt. Eines aber sei gleich mal gesagt: ich werde auch 2012 wieder dabei sein, denn das RHF ist eines der feinsten Festivals des Jahres und hat nun auch mich infiziert. Hier sind Fans für Fans am Werk, und das spürt man zu jeder Sekunde. Und da man nächstes Mal bereits das Zehnjährige feiert, wird man mit einigen richtig fetten Zuckerln rechnen dürfen. Also: auf ein Wiedersehen zu Pfingsten 2012 im Pott! DAS GUTE: -) Programmheft um 0,50 € mit Autogrammkarte, um gleich jede Band drin unterschreiben zu lassen! Hier macht sich echt jemand Gedanken. -) Das Gelände ist vorgegeben, klar strukturiert und deshalb recht übersichtlich. Nach einmal drübergehen hat man schon heraus, was wo ist. -) die öffentliche Verkehrsanbindung ist echt ok! Und es gibt einige große Parkflächen in der Nähe für Tagesgäste. -) Fast überall freundliche Leute, die einem gerne weiterhelfen, kein Stunk und kein Streit. -) Die Venue und deren Lage ist unbezahlbar! Man sieht von jedem Punkt des Amphitheaters aus bestens, und hinter der Bühne zuckeln gemächlich die Schifflein vorbei! -) die Organisation! Hier sind Leute am Werk, die wirklich Ahnung haben von dem was sie tun und dabei immer noch eines geblieben sind: Fan. Was man bei einigen Musik-Großveranstaltungen und deren Veranstaltern ja nicht mehr behaupten kann. -) die Security ist kompetent, freundlich & macht ihren Job mit offensichtlicher Leidenschaft. -) Das Rahmenprogramm mit Karaoke-Bewerb auf einer eigenen Bühne, T-Shirt Contest und Autogrammstand ist echt fein und bietet Kurzweil. DAS BÖSE: -) Wer sind jetzt hier die wahren Assis? Laut Erfahrungsberichten einiger Gäste wurden in Wohngebieten geparkte Autos in den letzten Jahren immer wieder mutwillig zerkratzt, wahrscheinlich von den Anwohnern selber. -) Das Wetter im Pott ist ungefähr so berechenbar wie ein Stier in Pamplona.


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