22.10.2014, ((szene)) Wien, Wien

ANIMALS AS LEADERS + TESSERACT + NAVENE K

Veröffentlicht am 24.10.2014

Nachdem einen Abend davor die Death-Metal Legenden GRAVE und ENTOMBED meine Nackenmuskulatur aufs Äußerste belasteten, gab ich mir der Notwendigkeit hin, bei den progressiven Metallern von TESSERACT und ANIMALS AS LEADER weiterheadzubangen, bis mir fast der Kopf abfiel.

Es war wieder äußerst interessant, welches Publikum diese modernen Metalbands anlockte und damit sogar die ((szene)) Wien ausverkaufte, was TESSERACT vor über einem halben Jahr als Support von PROTEST THE HERO zum Live-Report noch nicht gelang. Aufgrund der vorangegangenen anstrengenden Konzertnacht wollte ich bewusst auf den Support in Form des ehemaligen ANIMALS AS LEADERS Schlagzeugers NAVENE K verzichten.

Ich dachte, dass ich gemäß angegebener Beginnzeit erst um halb neun in der ((szene)) pünktlich zu ANIMALS AS LEADERS aufschlagen muss. Umso ärgerlicher, dass da auf einmal TESSERACT schon zehn Minuten auf der Bühne standen und die Halle schon prall gefüllt war. Na gut, da ich TESSERACT schon vor einem halben Jahr gesehen habe, ließ ich mir dadurch nicht den Abend verderben. Es blieben mir ja immer noch 45 Minuten, um einen Vergleich zwischen beiden Shows anzustellen. Ein erster Unterschied war, dass TESSERACT damals anscheinend erst ein Geheimtipp und dieses Mal der eigentliche Grund der ausverkauften Hütte waren. Ein so bunt gemischtes junges Publikum habe ich auch noch nie gesehen. Die Jungs nahmen ihre Mädels mit, die wahrscheinlich sehr von der anschmiegsamen Stimme des „neuen alten“ Sängers Daniel Tompkins angetan waren.

Und da kommen wir schon zum zweiten großen Unterschied. Der genauso großartige alte Sänger Ashe O’Hara, der im Juni 2014 die Band verließ, kam damals eher introvertiert auf der Bühne rüber. Er brachte zwar die Gesangslinien des von ihm eingesungenen Albums „Altered State“ perfekt rüber, aber live Bedarf es halt auch eines gewissen theatralischen Elements, das Daniel Tompkins definitiv besser beherrscht. Der Gesang bleibt aber natürlich Geschmacksache, erinnert er im melodischen Gesang teilweise an Matthew Bellamy von MUSE. Der beschriebene Gesangsstil überwiegt vor allem beim Material des „Altered State“ Albums, das auch auf der Setlist den Einstieg und das Ende bedeutete.

Kern der Setlist bildete aber das erste Konzeptwerk „Concealing Fate“, dessen Sound echt schwer zu beschreiben ist, tüftelten die Musiker rund um Gitarristen Acle Kahney bereits mit ihren beiden Demos in den Jahren 2006 und 2007 an ihrem einzigartigen Sound. Da TESSERACT auch zu den Pionieren der Djent-Bewegung zählen, dominieren in den Songs die hart angeschlagenen und abgedämpften Akkorde und Rhythmuswechsel, die alle Musiker perfekt beherrschen. Einfach ein neues Klangerlebnis, das von aufgeschlossenen musikalisch Interessierten, aber auch von musikalischen Trendgängern begeistert aufgenommen wird.

Das zeigt vor allem das Finale „Acceptance“, der Opener von der bereits erwähnten EP „Concealing Fate“, welches stellvertretend für den Stil der Band herangezogen werden kann. Vom verspielten Klangintro, über die treibenden Drums, dem groovenden Bass und den fetten Gitarrenriffs und -melodien bis zum aggressiven und melodischen Gesang stellt dieser Song klar, dass hier eine aufstrebende Band am Werk ist, von der wir in Zukunft noch einiges hören werden.

Setlist TESSERACT (ohne Gewähr):

  • Of Matter - Proxy
  • Of Matter - Retrospect
  • Of Matter - Resist
  • Concealing Fate, Part 2: Deception
  • Concealing Fate, Part 3: The Impossible
  • Concealing Fate, Part 4: Perfection
  • Concealing Fate, Part 5: Epiphany
  • Concealing Fate, Part 6: Origin
  • April
  • Of Energy - Singularity
  • Of Mind - Nocturne
  • Concealing Fate, Part 1: Acceptance

Mit Spannung erwartete ich aber vielmehr meine erste Begegnung mit ANIMALS AS LEADERS, die mit ihrem aktuellen Werk “The Joy Of Motion“ ein Referenzwerk im Progressiv Metal geschaffen haben. Schon der Opener „Tooth And Claw“ zeigte eine Klangvielfalt die ihresgleichen sucht; die logische Weiterführung der Lebenswerke eines Joe Satriani oder Steve Vai. Gründungsmitglied Tosin Abasi treibt seine Fähigkeiten mit seinen Mitstreitern Javier Reyes an der zweiten 8-saitigen Gitarre und Schlagzeuger Matt Garstka in unübertroffene Sphären. Da schnallte nicht nur ich des Öfteren ab, was da bei Songs wie „Temptin Time“ an gitarristischen Spieltechniken von blitzschnellen Tapping und Sweeping aus dem Ärmel geschüttelt wurde. Alles gebettet auf einem fetten Sound, der zum Teil auch aus der Dose kommt.

Teilweise unglaublich, dass hier kein Bassist auf der Bühne stand, da beispielsweise bei „Wave Of Babies“ passagenweise auf den tiefen Saiten der 8-Saiter geslappt wurde, dass so mancher Bassist neidisch werden würde. Neben den Spieltechniken sind es vor allem die verschiedensten Musikstile, die in den Kompositionen verschmolzen werden und die gewaltigen Eindruck hinterlassen. Von klassischem Jazz zu spacigen Rock ist der Track „Kas$cade“ dominiert, was da in fünf Minuten abgeht, kann gar nicht alles aufgenommen werden. Auch die äußert komplexen Rhythmen sind ein weiteres Trademark dieser Ausnahmeband. Sicher könnte man jetzt auch Kritikpunkte anmerken, da durch das auch zu großen Teilen elektronische Programming, das gefühlvolle Musizieren teilweise fehlt und kein Platz zum Improvisieren bleibt.

Wenn man am Konzert von ANIMALS AS LEADERS Gefallen finden will, muss man definitiv bereit sein, sich dem Gebotenen bedingungslos auszuliefern. Das sich nach einer gewissen Zeit auch ein Maß an Übersättigung einstellt und für mich alles eine Spur zu viel zum Aufnehmen war, unterstreicht, dass man sich vor allem mit dem Debüt, als auch dem aktuellen Album vor dem Konzert mehr beschäftigen hätte sollen. Mir ist schon damals bei den letzten beiden JOE SATRIANI als auch DREAMTHEATER Konzerten aufgefallen, das nur jene die musikalische Klassen genießen können, die sich auch zur Genüge mit dem Werk der Künstler beschäftigt haben.

Seis drum, das Finale wurde mit dem charakteristischen Lick von „Physical Education“ eingeleitet und danach „The Woven Web“ darübergesponnen, wo die Djent-Einflüsse sehr deutlich zum Ausdruck kommen. Eine der spärlichen Ansagen von Tosin Abasi war dann auch jene kurz nach halb elf, dass nun schon der letzte Song („Weightless“) folgen sollte. So schnell ließ man die Saitenhexer aber nicht von dannen ziehen und daraufhin plätteten ANIMALS AS LEADERS mit dem Klassiker „CAFO“ alles nieder und hinterließen nur mehr offene Münder im Publikum. Ein kurzes, aber effektives Konzert, für das es definitiv einiges an Aufmerksamkeit und Durchhaltevermögen benötigt. Ich bin schon gespannt, wohin die Reise bei ANIMALS AS LEADERS noch geht.

Setlist ANIMALS AS LEADERS (ohne Gewähr): Tooth and Claw

  • Tempting Time
  • Wave Of Babies
  • Ka$cade
  • Lippincott
  • Air Chrysalis
  • Point To Point
  • The Price Of Everything And The Value Of Nothing / Behaving Badly
  • Espera
  • Physical Education
  • The Woven Web
  • Weightless
  • CAFO

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