02-11-2015, Backstage (Halle), München

DELAIN + THE GENTLE STORM + AMBERIAN DAWN

Text: Lady Cat | Fotos: Anthalerero
Veröffentlicht am 07.11.2015

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Fing ein wenig stressig an, dieser Montagabend. Eigentlich war der Beginn des Abends für 16.30 Uhr geplant: mit einem Interview mit Charlotte von DELAIN. Und dann gab es den Stau an der Grenze. Und den Stau in München. Und statt um 16.30 mit Charlotte ein Interview zu machen, saßen wir um 17.30 Uhr mit Martijn im Bus. Wie wir um die vorbereiteten Fragen für Charlotte elegant die Kurve zu Martijn kratzten, lest ihr demnächst im Interview-Bericht meiner Kollegin Anthalerero.

Retour zum Konzert. Es war mein erstes in München seit sehr langer Zeit, und mein erstes im Backstage. (Ja, das gibt es. Aber wenn man eher im östlichen Österreich angesiedelt ist, fährt man nach Wien, und nicht nach München). Trotzdem war dieser Abend die lange Fahrt wert, weil im Backstage herrschte eine Bombenstimmung. Eigentlich bin ich gewohnt, dass die Fans bei Symphonic Klängen nicht voll die Sau rauslassen, wie es beispielswiese die Todesmetaller machen. Heute wurde ich hier eines Besseren belehrt. Es gab alles: von kreischenden, hüpfenden Hausfrauen und Ehemännern, über Mädels, die DELAIN groß und fett auf den Unterarm tätowiert hatten, bis zu männlichen Groupies im fast schon Opa-Alter, die lechzend am Bühnenrand hingen, als die Frontfrauen eine nach der anderen aufmarschierten bzw. die von Charlottes Dekolleté nicht genug kriegen konnten – oder anders ausgedrückt, dieses nicht oft genug auf ihr Handy bannen konnten.

 

Kurz nach acht Uhr begann der Spaß mit AMBERIAN DAWN. Fronfrau Capri, die seit Dezember 2012 am Mikro steht, ist zwar ein zierliches Persönchen, versteht es aber, die Fans zum Mitmachen zu bewegen und legt im Vergleich zu den Alben beim Live-Auftritt ordentlich was drauf. Das betrifft jedoch nicht nur sie, sondern alle Bandmitglieder. Live klingt die Truppe um einiges härter als auf den Alben und auch die neuen Stücke, die gebracht wurden, wie zum Beispiel „Ladyhawk“ hatten um einiges mehr Biss als in der Studio-Version.

Trotz der zugelegten Härte konnte man die von einigen alten Fans nicht so positiv aufgenommenen ABBA-Klänge bei vielen Songs – auch den ganz neuen - wieder finden. Der Melodic Metal driftet ganz stark in Richtung Pop-Metal und ist Geschmackssache. Sowohl der Opener „Fame & Gloria“, der auch der Opener auf dem neuen Album „Innuendo“ ist, als auch „Cherish My Memory“ tendieren stark in diese Richtung, da helfen die Power Metal Passagen beim Refrain auch nicht viel. Insgesamt war der Auftritt mit sieben Songs dann doch recht schnell vorbei, es gab eine kurze Umbauphase und dann durften wir uns auf die erste holländische Band freuen.

 

SETLIST (ohne Gewähr):
Fame & Gloria
Magic Forest
The Court Of Mirror Hall
Circus Black
Ladyhawk
Cherish My Memory
River Of Tuoni

 

THE GENTLE STORM sind eigentlich ein Duo, bestehend aus Arjen Lucassen und Anneke van Giersbergen. Ihr aktuelles Album „The Diary“ hat eine „gentle“ und eine „storm“ Seite. An diesem Abend war jedoch sofort klar, welche Seite auf der Bühne stand – nämlich der Sturm. Da Lucassen nicht auf Tour geht, waren mit Anneke andere Gitarristen am Werk, nämlich Ferry Duijsens und die umwerfende Merel Bechtold. Ein kleines, zierliches, Wirbelwind-Mädel, das ihre 7-Saiter-Gitarre beherrscht wie ein Großer (ja, es darf gegrinst werden). Das Mädel ist wirklich gut und eroberte die Herzen des Publikums im Sturm. Anneke hatte ganz schön gegen diese Frauenpower anzukämpfen.

Wie auch ihre Vorgänger gaben THE GENTLE STORM hammermäßig Gas. Und man sieht bald, dass Anneke viele, viele Fans in München hat. Kein Wunder, sie ist wahrhaft eine charismatische Sängerin und Front-Frau, die das Publikum im Griff hat und anfeuern kann und von sanften Handbewegungen bis beinhartem Headbangen alles drauf hat. Songs wie der Opener „Heart of Amsterdam“, „The Storm“ und natürlich die diversen Cover-Versionen von THE GATHERING-Songs kommen an und werden von den Anwesenden lauthals mitgesungen. Manche Lieder erfahren die gesangliche Unterstützung von Marcela Bovio – entweder als reine Background-Sängerin oder auch als zweite Stimme beim Duett.

Insgesamt haben wir mit ihr ein ausgewogenes Verhältnis Männlein-Weiblein auf der Bühne, was vom überwiegend männlichen Publikum begeistert aufgenommen wird. Anneke quittiert die Begeisterung und das Verlangen immer wieder mit einem nächsten Song, bis „Shores of India“ sozusagen das Highlight und das Ende der Show ist.

SETLIST (ohne Gewähr):
Heart Of Amsterdam
Brightest Light
The Storm
Eléanor (The Gathering Cover)
Witnesses (Aqua de Annique Cover)
Strange Machines (The Gathering Cover)
The Greatest Love
Fallout (DEVIN TOWNSEND PROJECT Cover)
Shores Of India

 

Wer geglaubt hatte, bei THE GENTLE STORM war die Halle schon voll, der wurde nun eines Besseren belehrt. DELAIN schafften es, sie noch voller zu machen. Dabei war es nicht das erste Mal, dass sie ihm Rahmen der Vorstellung des aktuellen Albums in der Gegend waren, schließlich touren sie schon seit 2014 mit „The Human Contradiction“ im Gepäck.

Und die Band wird auch nicht müde, ihre Songs zum Besten zu geben. Mit vollem Enthusiasmus wird gespielt und gesungen. Die weiblichen Fans werden dabei zumeist magisch von Ottos Löwenmähne angezogen, die Herren der Schöpfung von Charlottes jugendlicher Schönheit – und auch hier vom quirligen Wirbelwind an der Gitarre. Genau, Merel ist auch bei DELAIN als zweite Gitarristin unterwegs. Diesmal mit einem Lila-Ding und wie bei der anderen Band voller Energie auf der Bühne unterwegs. Und wie bei THE GENTLE STORM das gleiche Problem für Merel – bald schon hat sie Probleme mit der Funkeinheit und muss auf Kabel wechseln. Das geschieht aber so souverän, dass es nicht vielen auffällt, und die Kleine umgehend wieder auf ihr Podest hopst und die Haare in typischer Metaller-Gitarrist-Manier rotieren lässt.

Modisch ist Merel auch fast besser unterwegs als Charlotte. Nicht, weil sie da jetzt mehr an Oberweite zu bieten hätte, nein, aber ihre schwarze Hose ist um einiges besser, als dieses Tüll-Tutu, das sich Charlotte um die Hüften geschwungen hat. Den Herren wird das nicht so recht aufgefallen sein, deren Blicke waren ja oberhalb der Gürtellinie fixiert. Warum ich dauernd darauf hinweise? Weil manche in den vordersten Reihe echt schon peinlich waren. Insofern muss ich sagen, ich bin lieber auf einem Konzert, wo es einen Sänger gibt, weil weibliche Fans geben sich zumeist zurückhaltender. Oder hat jemand schon mal 20 Frauen beobachtet, die nur auf den Schritt des Sängers ihre Handys und Digi-Cams richten? Richtig, das sieht man fast nirgends.

Aber wir wollen nicht nur das Verhalten des Publikums beschreiben, sondern auch die Musik und die Songs. Schwerpunkte wurden natürlich bei den letzten beiden Alben gesetzt, so waren die besten Songs davon vertreten, wie „Here Come The Vultures“, „Lullaby“ oder „Army Of Dolls“ von „The Human Contradiction“ und „Get The Evil Out Of Me“ oder „Electricity“ von „We Are The Others“.

Eröffnet wurde mit einem älteren Song, nämlich „Go Away“, der gleich von den ersten Takten an los fetzte, wo einen die Doppel-Gitarren-Riffs mitnahmen und der Bass fast umwarf. Dies könnte aber auch damit zusammenhängen, dass ich direkt vor einer Box stand. Hintere Reihen mögen dies anders empfunden haben.

Charlotte war akustisch immer gut zu hören, das heißt, die Technik klappte einwandfrei, und auch gut zu sehen. Das lag aber nicht nur daran, dass sie zumeist zentral und vorne stand, sondern auch an ihrem „Scheinwerfer“, dem tollen Mikroständer mit vielen bunten Led-Lampen, der neben ihr die zweite Augenweide war. Genau so wie Anneke versteht sie es, das Publikum zu motivieren, zum Mitsingen oder Mithopsen zu bewegen, Mitklatschen natürlich sowieso. Bei der Stimmung, die nach einer Stunde herrschte, war klar, dass ihr förmlich jeder aus der Hand fraß (und so mancher wohl auch gerne wirklich gemacht hätte). Sie ist sich ihrer Wirkung natürlich bewusst und steuert die Menge richtig und perfekt durch das Set.

Apropos Set – DELAIN werden nicht mehr lange unterwegs sein, sondern es geht bald ab ins Studio, um an neuen Songs zu arbeiten. Sie haben auf der Tour welche geschrieben und einer davon wurde an diesem Abend bereits zum Besten gegeben: „Turn The Lights Out“. Ein Stück, das sich nahtlos in die bestehenden Songs einreiht.

Nach „Not Enough“ gab es eine kleine Pause und dann folgten zwei Zugaben, die jeweils begeistert willkommen geheißen wurden, bevor „We Are The Others“ einen würdigen Schlusspunkt setzte.

Entdeckung am Rande: als die obligatorische Konfetti-Kanone bzw. Lametta-Kanone bei "The Gathering" los ging, sah man Otto in Deckung gehen und panisch nachsehen, ob bei seinen Kronjuwelen alles in Ordnung war. Aber dank Martijn wissen wir ja, dass der liebe Otto das Ganze im Endeffekt mit Humor nahm. Vielleicht wird es sogar einen Song darüber geben. Lassen wir uns also überraschen, was das neue Album bringen wird.

SETLIST:
Go Away
Get The Devil Out Of Me
Army Of Dolls
Lullaby
Stardust
Electricity
Here Come The Vultures
April Rain
Sleepwalkers Dream
Don’t Let Go
Turn The Lights Out
Silhouette Of A Dancer
The Gathering
Not Enough

Zugabe:
Mother Machine
Stay Forever
We Are The Others


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