10.6.2016, Pannonia Fields II, Nickelsdorf

Nova Rock 2016 - Tag 1

Text: Kalti | Fotos: Stefan Kuback
Veröffentlicht am 22.06.2016

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Den Warm- Up Day haben wir schon für Sie analysiert. Zu finden gibt es den Bericht hier.

Kennen Sie das: Da geht man auf einem Festival im Sommer um drei Uhr in der Früh ins Zelt und wird dann drei Stunden später geweckt, nicht von einer schönen Frau – nein von gefühlten 50 Grad Celsius, die sich durch die Zeltwand brennen. 
Nicht so dieses Mal: Aufgrund etwas kühlerer Temperaturen, leichtem Regen in der Nacht und starker Bewölkung, ist es doch die schöne Frau, die einen zu einer vernünftigen Zeit mit einem Kuss weckt, oder aber auch die lieblich-grausige Stimme von BRITNEY SPEARS, die aus dem Lautsprecher eines Abspielgerätes dröhnt.
Naja egal, auf jeden Fall ist die Anzahl der Schlafstunden beim heurigen Nova Rock dementsprechend hoch und die Motivation, mehr Bands zu sehen, ungetrübt:

Prognutten soweit das Auge reicht
Der Weg vor die Bühne führte mich am späten Nachmittag zur ersten Band des Tages: TESSERACT. Eigentlich als Soloprojekt vom (mittlerweile) Gitarristen Acle Kahney angedacht, formte sich in den Jahren eine ansehnliche Band, die aus außergewöhnlichen Musikern besteht.  Bassist Amos Williams zum Beispiel, spielte während des gesamten Sets barfuß und teilweise einen Bass ohne Kopf, was ziemlich lustig anzusehen war und neben Sänger Daniel Tompkins die Aufmerksamkeit auf sich zog. 
Durchwegs perfekter Sound (und das als zweite Band am Nova Rock!), passend zur technisch versierten Musik ein glamouröses Klangerlebnis der Sonderklasse.

Mit Vollgas durch den Abend
Nach dem eher entspannenden, progressiven Auftakt folgte eine 180-Grad-Drehung. Die Amerikaner ATREYU enterten die Bühne und zeigten gleich von Anfang an,  wie man ein Publikum in seinen Bann zieht. Sänger und Rampensau Alex Varkatzas hüpfte gleich des öfteren in den Fotopit, um seinen Fans näher zu sein und seine Texte direkt auf die Traube zu schmettern, die sich um ihn gebildet hatte. Schon seit 1999 beständig, sind ATREYU eine der ersten Metalcore Bands und spielen dabei in einer ähnlichen Liga wie KILLSWITCH ENGAGE. Zielgerichteter, harter Metal, mit typischen Wechsel zwischen Screaming und Klargesang, den Varkatzas perfekt meisterte. Zum Schluss gab es noch das bekannte Cover „You Give Love A Bad Name“, das meiner Meinung nicht besonders gut gelungen und eigentlich einer stilprägenden Band wie ATREYU unwürdig ist. Egal, der Menge hat es gefallen und das ist wohl das Wichtigste.

Nach dem Vollgas-Metalcore-Auftritt geht es gleich weiter mit der Party. Die aus Britannien  stammenden SKINDRED, sind keinem Stil wirklich zuzuordnen. Der Stimmumfang von Sänger Benji Webbe reicht von Reggae-Rap bis zu tiefen Metal-Growls. Musikalisch ist vom DJ bis zum Gitarristen alles vorhanden und wird dementsprechend ausgekostet. Für mich eines der Highlights des heutigen Tages, so wie die immer gut gelaunten Amerikaner durch ihre Lieder grooven. Diese könnten nicht unterschiedlicher sein, jeder einzelne Song wird mehr oder weniger zur Albumversion verändert. Zwischen dem Gassenhauer „Trouble“, das sowieso schon mit „Sad But True“ gemischt wird,  fordert Benji zum Beispiel das Publikum auf „Lemmy-Bowie-Prince“ zu singen. Er bindet die Menschenmenge immer wieder ein, lässt sie T-Shirts schwingen oder am Boden knien. Diese ist hellauf begeistert, folgt seinen Anweisungen und singt brav die Refrains. Ein kurzer Blick retour bestätigt, dass die Red Stage bis zum Bersten gefüllt ist. Das in fünf Akte geteilte Set wird durch Einspieler vom eigenen „Rat Dub“,  HOUSE OF PAIN, JUSTIN BIEBER und BLACK SABBATHs „War Pig“ getrennt und erntet dabei zumeist einige Lacher. Nach dem bekanntesten Lied „Nobody“ gibt es noch „Warning“ vom „Union Black“-Album als „Zugabe“ und beendet damit einen fulminanten Auftritt.

Abbrenner und Neuerfinder
Aufgeheizt vom SKINDRED-Auftritt rüber zur Blue Stage zu marschieren, um den EDITORS zu lauschen, war möglicherweise nur die zweitbeste Entscheidung. Aber CHILDREN OF BODOM sind halt einfach nicht meins. EDITORS, die in die Schiene Indie-Rock fallen, haben hier auf Strombringer nichts verloren. Genauso wenig wie auf der Blue- Stage, diese war nämlich leer. Und zwar wirklich leer. Kompletto. Nur gaaanz vorne im Wavebreaker befand sich eine kleine Menschentraube, die die Show von Tom Smith und Konsorten halbwegs abfeierte. Die EDITORS selbst schienen wohl auch dementsprechend angepisst gewesen zu sein und spielten ihr Set lieblos herunter. Gute, aber definitiv unpassende Musik für ein Rock Festival. Naja auch PARKWAY DRIVE am Frequency Festival ist kaum passend. Da wurde wohl gepokert bei der Bandauswahl. Endlich wieder Zeit, genüsslich ein Bier zu trinken und diverse Freunde zu treffen, die auf einmal alle aufkreuzten. Beim Abschlusshit „Papillion“, musste ich dann doch lautstark mitsingen – ist halt doch auch eine Phasenband meinerseits.

Nach ein paar Liedern CHILDREN OF BODOM, die nur vermuten ließen, dass es technische Problme gab und Alexi Laiho nicht besonders gut drauf war, wartete man sehnsüchtig auf den nächsten Höhepunkt des Tages – TRIVIUM Is On The Way. 

Nicht wenig Kritik hatten TRIVIUM einstecken müssen, als Matt Heafy beim Letztling „Silence In The Snow“ beschloss, ab sofort nicht mehr ins Mikro zu schreien, sondern nur mehr wie ein Glöckchen zu singen. Auch ich selbst konnte mich anfangs mit dem neuen Album wenig anfreunden, nach mehrmaligem Durchören wusste man aber: Das ist ganz große Klasse. Der typische TRIVIUM Stil war nicht vergessen, er wurde nur erweitert. 
Als Liveband hatten sie mich noch nie enttäuscht, an diesem Tag sollte es nicht anders sein. Gleich mit der Hymne „Strife“ beginnend und voll Druck durch die Setlist gewetzt, gab es dann erst nach „Down From The Sky“, bei „Until The World Goes Cold“, eine Verschnaufpause vom 2015er Album. Um dann mit „Pull Harder on the Strings of Your Martyr“ gleich wieder mit Vollgas weiter zu fahren. Einen kleinen Wermutstropfen gab es bei meinem Lieblingslied „In Waves“, als Gitarrist Corey Beaulieu die beiden Worte ins Mikro brüllte, anstatt Heafy.
Ein fantastischer Auftritt, bei dem das Publikum gerade mit den neuen Songs „Until The World Goes Cold“ und „Dead and Gone“ noch nicht ganz so viel anfangen konnten, wie mit alten Klassikern – ich bin zuversichtlich, dass das noch besser wird.

Oldschool Punk und Amerikas größte Coverband
Zum Auftritt von THE OFFSPRING gibt es kaum etwas zu berichten, diese gehören schon zum Inventar des Nova Rock Festivals und bestätigen jedes Mal wieder, dass sie leben. Abshaken bei allen Klassikern war angesagt. Ein stimmlich perfekt aufgestellter Dexter Holland hat sich in den Jahren kaum verändert – naja ein paar Falten sind schon dazu gekommen. OFFSPRING hatte dabei das selbe Problem wie KORN am Vortag: Alle alten Klassiker wurden gespielt, die neueren Songs (zum Beispiel vom 2012er Album „Days Go By“) wurden nicht bei der Setlist bedacht – eh klar, kennt ja auch keiner – außer mir. Mit „Coming For You“ wurde dann doch ein neues Lied präsentiert, dass aber, wie erwartet, schlecht ankam – die Zeiten von American Pie und Co. sind halt auch vorbei.

Eine Metalband, die gerade Nummer 1 der österreichischen Singlecharts belegt? Natürlich, die Rede ist von DISTURBED, die mit ihrem SIMON & GARFUNKEL-Cover „Sound Of Silence“ anscheinend den Nerv der österreichischen Popbevölkerung getroffen hat. Früher eine meiner Lieblingsbands, stehe ich dem Projekt seit einigen Jahren schon sehr kritisch gegenüber. Das neue Album „Immortalized“ setzt den „Uwahwahwah“ – Stil fort, dabei ist keine Entwicklung ersichtlich.

Zur Vorbereitung habe ich mir den Auftritt vom Rock am Ring Festival angesehen, dieser ließ mich Schlimmstes befürchten: Neben komplett verfehlter Töne und mauer Performance, ließ die Songauswahl auch zu wünschen übrig. Begonnen hat der Nova Rock Auftritt gleich einmal mit „Ten Thousand Fists“  - jegliche objektive Haltung war somit wie weggeblasen – Fäuste in die Luft und lautstark mitgegröhlt. Nach ein paar weiteren Liedern und Abklingen der anfänglichen Jugendeuphorie, kam dann doch die Analyse: Stimmlich okay und bedeutend besser als Rock am Ring. Jedoch von Perfektion war man weit entfernt. Nach dem genialen „Another Way To Die“, folgte dann das (erste) GENESIS-Cover „Land Of Confusion“, das ich textsicher heruntersingen konnte, waren doch PHIL COLLINS und GENESIS, geprägt durch meinen Vater, eine meiner Kindheitsbands. Nach „Stupify“ dann das „Muss“ – Cover „Sound Of Silence“ mitsamt Dankesrede an die Österreicher, dass sie diesen Schrott auch kaufen. Die Darbietung war dann gar nicht so schlecht, anstatt der Feuerzeuge (die kommen dann noch bei TWISTED SISTER), gab es hauptsächlich emporgestreckte Handys – Gänsehaut pur *Sarkasmus off*. Doch nicht genug der Cover-Singerei, nach zwei DISTURBED-Songs folgte ein Reigen aus Kopierscheiben: „I Still Haven't Found What I'm Looking For“, „Baba O’Riley“ und „Killing In The Name Of“. Da stellt sich die Frage: Warum muss eine Band die sechs Alben in 15 Jahren produziert hat, knapp ein Drittel der Setlist mit Liedern füllen, die Andere geschrieben haben und dafür bekannt sind? Der Auftritt von Benji Webbe (SKINDRED Sänger), bei „Killing In The Name Of“ ist zwar ganz nett, nachdem das Mikro aber quasi nicht eingeschalten war, auch nicht mehr.

„Indestructible“ und „Down With The Sickness“ stimmen dann versöhnlich, es war besser als bei manch anderen Auftritten. Einen Preis bekommen sie dafür aber nicht und mehr eigene Lieder wären beim nächsten Mal auch wieder schön – es gibt ja genug.


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