12.8.2016, Dom Im Berg, Graz

Metal On The Hill Festival 2016 Tag 1

Text: Kalti | Fotos: Kalti
Veröffentlicht am 18.08.2016

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Wenn man in Graz lebt, lebt man nicht nur in Graz, man erlebt. Jeden Tag, zu jeder Stunde und Minute. Graz ist nicht bloß die zweitgrößte Stadt Österreichs, sie hat auch einen Charme und ein Charisma, mit dem sie nahezu jeden in eine gewisse Chill-Out-Phase versetzt, der einen Fuß hinter das Ortsschild setzt. Was Graz NICHT hat, ist eine große Musikszene und schon gar keine metallische. Bis auf ein paar kleinere Gigs im Explosiv, im Q und vereinzelte Konzerte in PPC und Orpheum tut sich da relativ wenig. Ach ja DARKFALL gibt es auch noch – die sind ja quasi eine Institution mittlerweile, dazu aber mehr am morgigen Festivaltag.

Da gibt es allerdings doch etwas, es heißt Metal On The Hill und fand heuer das erste Mal statt. Die Damen und Herren vom heimischen Label Napalm Records haben sich etwas Spezielles für die steirische Landeshauptstadt überlegt – Metal IM Berg und AM Berg und rund um den Berg herum. Am ersten Tag wird die Innenseite des Grazer Schlossberges inspiziert. Herausgeschlagen im zweiten Weltkrieg, genutzt als Luftschutzbunker und Kommandozentrale, gibt es wohl keinen besseren Ort in Graz, um die zerstörerische Kraft von DEVILDRIVER und Anhang loszulassen.
 

Alpencore im Baywatch-Gewand
TUXEDOO, die sich selbst den Stilrichtungsnamen „Alpencore“ verpassten, durften das Festival im Berg eröffnen. Sechs Burschen in (Ober)Österreichischer Tracht oder, um es mit anderen Worten zu beschreiben: Metal im Gabalier-Gewand. Gleich drei Schlagwerke auf die Bühne gestellt, (ein Drum- und zwei Percussionsets) legen die Tuxnbuam mit Vollgas los und motivieren somit das Auditorium schon zu Beginn dazu, sich in die ersten Reihen vorzubewegen. Eine schnelle und energiegeladene Show wurde dem zu Anfang noch etwas verschlafenen Publikum geboten. Der extra angereiste Mitch von Baywatch war mit Six-Pack bestückt (oder war es doch eher die Kiste Bier?), sprang gleich nach wenigen Songs als „Gast-Act“ ins Publikum und ließ sich zum FOH (Front of House - Anm. d. Lektorats) und retour crowdsurfen. Was Baywatch mit oberösterreichischer Tracht zu tun hat, wurde mir dabei nicht bewusst. Musikalisch war das Ganze dann doch etwas primitiv, dem Publikum machte es aber nichts aus und es feierte die Tuxnbuam ab wie nichts. Man sieht selten, dass ein Opener vor vollem Publikum spielt – Hut ab dafür. Eine Erwähnung verdient haben definitiv die zwei Percussionisten, die auf der einen Seite beim Gesang aushalfen und auf der anderen Seite mit Milchkannen der Core-Musik einen eigenen Touch verpassten. Das Jodeln vom Band war dann irgendwie weniger authentisch. Jedenfalls ein gelungener Anheizer und endlich wieder jemand, der sich traut aus dem vorgegebenem Metalcore-Korsett auszubüchsen.


TUXEDOO

Dreschquetschen trotz Grippe
Vom Oberösterreichischen ins Niederösterreichische – DRESCHER, die gerade erst beim Veranstalter Napalm Records unterschrieben haben, zelebrieren per Eigendefinition „die härteste Volksmusik, die du je gehört hast“. Dies kann man so unterschreiben. Letztes Jahr am Maifest in Wien durfte ich das erste Mal in den Genuss von DRESCHER kommen. Damals enttäuschten sie mich eher mit einer mauen Performance und mittelprächtiger Leistung.

Obwohl Akkordeonist Filip Rado an einer Grippe bzw. Mittelohrentzündung litt (O-Ton von Sänger Bernd Wograndl: „Solang er erst nachn Gig umfallt, is alles guat“), droschen die Jungs aus dem Steinfeld gleich brutal nach vor. Nach der Gaudivorstellung von TUXEDOO war die Darbietung der Vollblutmusiker wohltuend für die Ohren. Sowohl vom ersten Album „Erntezeit“ als auch vom kommenden „Steinfeld“ wurden die Songs in die Menge gedroschen, als ob es kein Morgen mehr gäbe. Vor allem der neue Song „Adrenalin“ hat es mir persönlich besonders angetan und man darf gespannt auf das neue Album sein. Feinster Thrash/Death Metal mit deutschem Gesang und dem I-Tüpfelchen an Volksmusik, das es besonders und „österreichisch“ macht. Nur das Cover von „Rock Me Amadeus“ hätten sie sich sparen können. Man darf hoffen, dass dieser – doch schon sehr ausgelaugte – Falco-Hit mit steigender Songauswahl von der Setlist verschwindet.

Funfact am Rande:
Unsere redaktionsinterne Interview-Maschine Mike Seidinger drosch damals, vor gefühlt 100 Jahren, in der ersten Band von Sänger Bernd Wograndl, ENDOCRANE, auf das Schlagzeug ein. Davon gibt es jetzt auch hier ein kleines „Retrovideo“.


DRESCHER

Grenzgenialer ukrainischer Wahnsinn
Nach der fetten Dreschquetschen-Vorstellung sind die Ukrainer JINJER an der Reihe. Frontfrau und Rampensau Tatiana Shmailyuk (den Namen soll sich einer merken) zog gleich von Beginn an die Blicke auf sich. Stark geschminkt mit langer Dreadlock-Mähne begeisterte sie von der ersten Minute an. Auch die musikalische Untermalung ließ nichts zu wünschen übrig: Mit ihrer Mischung aus groovigen Lines bis hin zu typischem schwedischen Melodic Death Metal verwursten die Ukrainer eine Vielzahl an Einflüssen in ein passende Soljanka. Die wahnsinnig geniale Stimme Tatianas als Draufgabe kann einen nur mehr verzücken. Gerade wenn es um die Clearparts geht, liegt ein Vergleich zu Sandra Nasic (von GUANO APES) nahe, allerdings überragt die Professionalität Tatjanas wohl jene von Nasic. 

Von der ersten bis zur letzten Minute durchgezogene Professionalität und eine Spielfreude, die man allen Mitgliedern ansah. Dies imponierte nicht nur mir, sondern auch dem Publikum, das den Höhepunkt der Freude erreicht hatte. Definitiv ein Tipp für alle Fans des Groove und Melodic Death Metal. Leider konnten die vermehrten „One More Song“-Rufe des Auditoriums aus Zeitgründen nicht erhört werden. Bassist Eugene Avdiukhanov ließ es sich dann nicht nehmen, den Leuten auf Deutsch zu danken. Chapeau liebe Ukrainer!


JINJER

Hassobjekt Tontechniker
Bisher war der Sound annehmbar gewesen: Bei TUXEDOO hatte die Gesangseinstellung etwas länger gedauert (was bei drei Mikros und dem Gewölbe auch kein Wunder war), DRESCHER hatte durchwegs gepasst und bei JINJER hatte man ebenfalls nur anfangs Probleme gehabt.
Bei den nun folgenden DEVILDRIVER aber gab es Momente, wo man versucht war, gezielte Mordanschläge auf den Mann am Mischpult zu planen. Die Gitarren waren zumeist gar nicht zu hören, Dez Fafaras' Stimme schnalzte dafür durch die Ohropax hindurch und erzeugte ein Unbehagen an der Gesamtsituation. Zum Schluss gab es dann Momente, wo nicht einmal mehr das Schlagzeug ansatzweise passte – Blastbeat im Triangel-Style.

Das Konzert an sich überzeugte mich auch eher wenig, war Mike Spreizer im Interview zuvor noch guter Dinge gewesen, dass DEVILDRIVER Location und Format des kleinen Festivalgigs gefallen würden, sah es beim Auftritt eher anders aus. Zumindest Dez Fafara wirkte irgendwie angepisst (möglicherweise der Tontechniker?) und dürfte keine Freude am Gig gehabt haben. Das Set wurde ohne großes Tam-Tam heruntergespielt. Von „End Of The Line“ über „I Could Care Less“ bis hin zum Klassiker „Clouds Over California“ und dem AWOLNATION-Cover „Sail“ wurde ein Lied nach dem anderen lustlos runtergezockt. Der Versuch, dass Publikum bei „I Could Care Less“ einzubinden misslang auch, da irgendwie niemand den Text konnte. Das abgefeierte Cover „Sail“ wirkte platt und Dez schaffte es nicht mal ansatzweise, die Kraft auf Platte live rüberzubringen.


DEVILDRIVER

DEVILDRIVER war für mich eher eine Enttäuschung, JINJER dafür definitiv der Sieger des Tages. Die Ukrainer machten den ersten Tag des Metal On The Hill-Festivals zu einem großartigen – ebenso die beiden österreichischen Vertreter DRESCHER und TUXEDOO, die dem Publikum wohl ebenso positiv im Ohr bleiben wie mir.

Ab 19.08. gibt es hier den zweiten Teil des Festivals zu lesen. Dann geht es vom inneren des Berges auf den Gipfel, um mit der Kasemattenbühne eine noch imposantere Location zu begutachten. Unter anderem mit Größen wie MANTAR, MOONSPELL, SATYRICON und ARCH ENEMY im Programm.


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