21.6. - 24.6.2018, Dessel,

GRASPOP METAL MEETING 2018 - Samstag/Sonntag

Veröffentlicht am 02.08.2018
Durchgehalten? Sehr gut! Dann geht es hier weiter mit dem Samstag und Sonntag der GRASPOP METAL MEETING Festival-Reise. Erneut haben wir die Feinheiten und Besonderheiten herausgepickt und auf Vollständigkeit verzichtet. Also los geht's!


Samstag, 23. Juni: Von Feuerzeugen und dem singenden Wecker

Nach der großartigen Idee, sich vor dem Schlafengehen noch einen heißen Kaffee zu gönnen, um sich ein wenig zu wärmen, war die Nacht zwar immer noch furchtbar kalt, aber dennoch mit vielen Schichten und der nötigen Müdigkeit ertragbar und komischerweise die Stimmung fast schon zu gut, als dass man sich zu BATUSHKA wagen hätte können. Szenischer Black Metal würde uns erwarten, haben sie gesagt. Tief, tragend und böse, haben sie gesagt. Eine wahre Black Metal-Messe in Bild und Ton, haben sie gesagt. Dabei hätte das alles gar nicht funktioniert, hätte man BATUSHKA einfach das Feuerzeug geklaut. So, und mit diesem Satz sollte man schon erahnen, mit welcher finsteren Ernsthaftigkeit man sich dem Konzertvergnügen hingegeben hat. Zugegeben, BATUSHKA sind eine Erscheinung! Optisch wie auch musikalisch machen sie was her. Sind die Kapuzen- und Roben-tragenden Herrschaften soundtechnisch klassisch im schwarzmetallischen Bereich verwurzelt, so zelebrieren sie auf der Bühne eine sehenswerte Messe. Andächtig werden Kerzen entzündet, die Fackeln gekreuzt, der Opferaltar vorbereitet. Jede Bewegung ist geflissentlich ruhig, die Szenerie getragen von Theatralik und Hingebung, wäre da nicht meine fiese, zweite Hälfe, die sich ein "Ob die sich so langsam bewegen, damit ihnen die Fackeln nicht ausgehen?" nicht verkneifen wollte. Stimmung kaputt. 

Jeder kennt sie wohl: Die Bands, zu denen man geht, um sie mal gesehen zu haben. Von denen man weiß, dass man die Erwartungen nicht zu hoch schraubt, die man wahrscheinlich nicht von Anfang bis Ende durchhalten wird. Die einen aber dennoch interessieren. Am Graspop 2017 durch eine Überschneidung (immer diese Prioritäten) versäumt, stand dieses Jahr AMARANTHE auf meiner Liste ebensolcher Bands. Oft genug wird man genau von diesen Bands positiv überrascht, immerhin sind die Erwartungen nicht zu hoch. Im Falle von AMARANTHE muss ich gestehen: Nein. AMARANTHE besticht durch das Konzept mit den drei Vocal-Parts und ihrem sehr Synth-lastigen Sound. Das kommt an. Das Marquee, das bis zum Anschlag voll war, feierte die ausgelassene Partystimmung, sang, sprang und feierte mit und gab der Band somit natürlich Recht. Doch gerade weil die drei Sänger schon gewaltig Druck in den Stimmbändern haben und die Soundwolke durch die vielen Überlagerungen fast schon zu elektronisch auf einen zurollt und richtiggehend überwältigend erschlägt, mindert sich der Spaß relativ schnell durch den zunehmend verschwimmenden Bombast des Sounds. Selbst bei den Vocals beschlich mich mit der Zeit das Gefühl, dass Genauigkeit und Treffsicherheit der Töne zulasten von Power und Schnelligkeit vernachlässigt wurden, sodass der Gedanke gar nicht mehr so abwegig wirkte, dass die Growls definitiv das Beste an der stimmlichen Aufmachung von AMARANTHE waren. Schade eigentlich, denn bekanntlich kann die Truppe durch diese Mischung absolut punkten, wirkte live auf der Bühne bei dem ein oder anderen Song aber wie ein Dreigestirn von Einzelkämpfern.

Deswegen war es nun höchste Zeit, sich ein paar Minuten gezielte Qualität abzuholen. ARCH ENEMY ist nach persönlicher Erfahrung immer ein Garant für einen herzhaften Arschtritt und so war es nun auch dieses Mal. Blauköpfchen Alicia tat ihre verdammte Pflicht, grölte die Mainstage und alles, was sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte, in Grund und Boden und brachte mit ihren Bandkumpanen den Rasen zum Glühen. ARCH ENEMY steht schon seit jeher für großartige Shows und da weder einer der Herren von der Bühne gefallen ist, noch Frontröhre Alicia während des Gigs ihre Haarfarbe verändert hat, müssen an dieser Stelle eigentlich keine weiteren Worte verloren werden. ARCH ENEMY geht immer. Punkt. 

Wieder einmal sollten sich die Wege der beiden Schreiberlinge trennen, denn während die andere Hälfte – die Feierwütige – sich aufmachte, um sich von KREATOR auf der Hauptbühne ein gesegnetes Thrash-Brett abzuholen, zog es mich erneut zur Kathedrale der guten Musik, zum Metal-Dome. Wenn sich nämlich Stimmengröße Jeff Scott Soto, MR.BIG-Basser Billy Sheehan, ein großer Klampfer wie Ron Dahl und DREAM THEATER-Virtuosen Mike Portnoy und Derek Sherinian als SONS OF APOLLO auf der Bühne versammeln, muss ich auch dabei sein! Nicht auf der Bühne zwar, aber davor auf jeden Fall. Die Zeltbühne in stimmungsvolles Licht getaucht, wurde auf das folgende Donnerwetter vorbereitet und tatsächlich bedurfte es nur des Intros und der ersten Töne durch das Mikro und es war um die versammelten Feierwütigen geschehen. Der Funke schlug sofort über und eine Power-Show wurde vom Zaun gebrochen, die sich zwischen drückenden, treibenden Riffs, der rauen Rock-Röhre und einem gedroschenem Solo nach dem anderen geradezu überschlug. Bemerkenswert aber auch das Vermögen dieser Spitzenmusiker, trotz ihres eigenen High-End-Könnens dennoch ein unglaublich klangvolles und stimmiges Miteinander zu kreieren und sich nicht – jeder einzeln für sich – ins Rampenlicht zu stellen. Großartige Show, ein schweißtreibendes Power-Erlebnis, das seinesgleichen sucht. Und durchaus mein Highlight des Tages!

So skurril wie der ganze Schaum und Schall rund um MARILYN MANSON war auch die Vorgeschichte dieser Show. Die Diskussion, ob man denn MARILYN MANSON nun gesehen haben muss oder nicht, hat meinereiner leider verloren. Dafür wurde mir eine halbe Stunde Ruhe zugesichert, da auch die Diskussion mit meinen Augenlidern, doch noch ein wenig durchzuhalten, nicht zu meinen Gunsten ausgefallen ist. Dies wäre nun keineswegs interessant, wäre da nicht die Tatsache, dass sich anstelle eines simplen Weckrufs, Rüttelns, Trittes oder wie auch immer man sonst aus dem Tiefschlaf gerissen wird, meine Partnerin in Crime einfach vor meinem Zelt platziert und aus voller Kehle geträllert hat. Davon wurde ich wach. Ob dies nun gut oder schlecht bezüglich der tönenden Stimme war, sei nun jedem selbst überlassen – oder man muss sich selbst von den vokalen Qualitäten der Stormbringer-Redakteure überzeugen –, jedenfalls schlugen wir beinahe pünktlich (einer nüchtern, einer nicht) bei MANSON auf, um uns erst einmal gepflegt in den interessanterweise sehr licht gestellten Massen zu verlieren. Persönlich konnte mich auch dieses Mal die Performance des Kult-Rockers nicht begeistern. Durchwegs zwar sauber und gut durchperformt, fehlte mir dennoch jeglicher Spaß an der Show. Jedes Lied endete in vollkommenener Dunkelheit, das nächste begann mit dem Erwachen der Bühnenbeleuchtung. CD abspielen, nur live – so war mein Eindruck. Zu distanziert, zu kalt, zu pflichtbewusst. Wenn dies wohl auch Status und Masche von MARILYN MANSON sein mag, sich überheblich und distanziert und ebenso professionell zu zeigen, es mag beim ein oder anderen (zumindest bei mir) nicht diese Empathie aufbauen, die es unweigerlich braucht, um eine Truppe richtig zu feiern. Dass man durchaus anderer Meinung sein kann, bewiesen die Feiernden in den ersten Reihen, wenn am Ende dann doch auch auffällig war, dass sich ein großer Teil der Festivalbesucher, die noch bis zum Schluss für MANSON durchgehalten hatten, recht still und leise an mir vorbei und vom Gelände schlichen. Vielleicht auch ein Zeichen?

Foto: Daria HoffmannSonntag, 24. Juni: Das Grauen am Morgen – Ausnüchtern mit Johnny Depp und Ozzy Osbourne

Dröhnende Kopfschmerzen, Schüttelfrost und ein verdächtig nach Lungenpest klingender Husten. Das sind genau die Umstände, unter denen man mit hundert weiteren Schatten ihrer selbst vor den sanitären Anlagen warten möchte, während man realisiert, dass einem ganz wesentliche Dinge fehlen: Ausweis, Geld, Token, Smartphone und Jacke. Dazu noch alle Aufzeichnungen und Fotos der bisherigen Festivaltage. Sie alle befinden sich dummerweise in genau dem Rucksack, der jetzt einen neuen Besitzer gefunden hat. Während die eine Reporterhälfte also erst einmal eine verzeifelte Befragung aller Nachbarn und des Lost & Found startet, geht es für die etwas schlauere Hälfte ins Marquee zu TYR.

Kaum in den vorderen Reihen angekommen, begannen die vier Mannen von den Faröer-Inseln auch schon ihren musikalischen Lobpreis auf vergangene Tage und des Wikingers Freud und Leid. Auch wenn man TYR nicht die aufregendste Bühnenshow zusprechen kann, bedurfte es nur ein paar Takte und einer ersten, kurzen Stimmfindung durch ein paar gezielt verschobene Regler und schon war die Halle bereit für einen genüsslichen Siegeszug. Und zwar die ganze Halle! Bis in die hintersten Reihen wurde zu jedem einzelnen Song text- und taktsicher mitgesungen, gesprungen, crowdgesurft und im Kreis rotiert. Die ganze Halle war in Bewegung. Die aufgeheizte Stimmung behagte TYR, die sich ordentlich ins Zeug legten, um das Niveau auch zu halten, sichtlich. Hätte sich ein gediegener Raubzug angekündigt, das Feierpublikum hätte sich nach Verklingen des letzten Tons mit Herzensfeuer umgedreht und wäre in die Schlacht gestürmt!

Nach einer Stärkung durch koffeinhaltige Erfrischungsgetränke begaben wir uns klareren Hauptes in den Metal-Dome zum Proggen. TESSERACT muss man unbedingt noch einmal gesehen haben und fürs Rumheulen bleibt keine Zeit. The Show must go on! Und das tat sie auch. TESSERACT beamten uns mit dem Opener "Luminary" vom aktuellen Album "Sonder" gleich ab der ersten Sekunde in eine sorgenfreiere Welt. Dort verweilten wir gern noch ein wenig, sangen die Ohrwurmzeilen von "Of-Mind:Nocturne", "King" und "Smile" mit, während uns eine laserlastige Lightshow geboten wurde.

Die Italiener von LACUNA COIL wurden als nächstes zur ausgiebigen Begutachtung freigegeben. Wobei es meistens anders kommt als gedacht. Nicht nur, dass bei den ersten beiden Songs durch ein zu eigenwilliges Vibrato (das bisher noch nie so ausgiebig bei ihr vorgedrungen ist) in der Stimme von Frau Scabbia und die fehlende Stimmung der Funke einfach nicht überspringen wollte, wurde der Truppe kurz darauf einfach der Stecker gezogen. Wo schon letztes Jahr AMORPHIS durch technische Probleme einen halben Song unwissentlich ohne Vocals performt hat, wurde es um LACUNA COIL nun vollkommen still. Die "erfindungsreiche" Fronterin versuchte sich dann zwar gekonnt als Alleinunterhalterin und trieb die Massen vor der Bühne zu diversen "Oh oh oh"-Chants an, doch verbesserte dies den Eindruck keineswegs. Professionell genug, dass Cristina Scabbia direkt eingesprungen ist, um die Lage zu retten und das Publikum bei Laune zu halten, sah meine Wenigkeit dies allerdings als Zeichen, doch etwas verfrüht zur nächsten Band aufzubrechen. 

Für die Reggae-Grooove-Metaller SKINDRED humpelten wir wieder zurück zum Dome, der sich schon bis weit vor den Eingang mit auffällig gut gelaunten Rauchern gefüllt hat. Die Projektion eines sonnenbebrillten Katzenkopfes als Background und der "Imperial March" als Intro ließen keinen Zweifel daran, dass hier gleich gnadenlos gebounced werden würde, bis sich die Bodenbalken biegen. Mit "Big Tings", "Machine" und "Sound The Siren" ging es auch musikalisch in die Vollen – immer wieder durchbrochen von artfremden Samples, die kollektives Grinsen hervorriefen. Benji Webbe ist nicht nur Sänger, sondern auch ein geborener Showman. Er beschimpfte und liebte das Publikum, er kontrollierte mühelos die Massen, kommandierte herum, ließ uns Albernheiten vorturnen – und alle liebten ihn dafür zurück. Beim brandneuen "That's My Jam" wurde der Raum kurzerhand zweigeteilt und der singende, springende Pulk schrie wechselseitig "Whoop whoop" – "That's my Jam!" ins stickige Zeltdach. Wer da nicht begeistert rausging wird wohl nicht reingegangen sein. Traurigkeit hat bei einem SKINDRED-Gig jedenfalls keine Chance. Dafür musste man sich schon vor die Mainstage begeben, auf der sich Johnny Depp, Alice Cooper und Joe Perry als alternde Supergroup HOLLYWOOD VAMPIRES gegenseitig die Ehre gaben – oder besser gesagt nahmen. Tatsächlich war die Setlist mehr ein Aneinanderreihen einzelner Egos, denn ein großes Miteinander-Rocken. Soundtechnisch bewegen sich die HOLLYWOOD VAMPIRES ohnehin eher auf einer mittelmäßig guten, aber nicht herausragend und nicht zwangsläufig mit erkennungsdienlichen Hinweisen ausgestatteten Attitüde. Keine Frage, einwandfrei performed, aber die Hütte haben sie nun nicht abgerissen. Gut also, um es gemütlicher anzugehen und die Kraft für das folgende Highlight zu sparen. 

PRIEST! PRIEST! PRIEST!
Es gibt ja immer diese eine Band: der Einstieg in die Szene, die erste Faszination zwischen E-Gitarre, Headbangen und kreischender Stimme, die erste belegte Tattoo-Fläche. In meinem Falle JUDAS PRIEST! Meine Helden, die sich zwischenzeitlich eher in Richtung "Musik fürs Altersheim" bewegt haben, ziehen seit zwei Scheiben wieder die Zügel an und nun ist es einfach pflichtig-wichtig, sich die persönlichen Rock-Götter live zu Gemüte zu führen. Trotz herber Verluste im monetären Sektor, trotz akutem Festivalbein und Kopfschmerzpein auf der einen Seite und überschwänglich nervender, fast schon kindlicher Aufregung auf der anderen: die Legenden haben wir uns natürlich komplett reingeschraubt. Vollkommen egal, ob Rob Halford nun schon zu den älteren Registern zählt, stimmlich sitzt er noch exakt in jungen Jahren fest. Jeder Song sitzt, musikalisch reißen sie alles ein. Die Show und Stage-Effekte, die heroisch in Flammen gebrannten Priest-Signaturen und die zu den Songs passenden Szenen tauchten die Bühne in die passende Stimmung und die Meute unter einen Mantel von Nostalgie und simpler Großartigkeit. Nicht müde werdend machte Halford auf der Bühne zwar etwas gemächlicher den ein oder anderen Meter, stimmlich überwand er allerdings jede Hürde mit Bravour und versetzte uns in Zeiten von Breaking the Law, Hell bent for Leather, lediglich durchwachsen von neuen Krachern, in die richtige Stimmung für die letzte Firepower. Lediglich die etwas zu aufgebüschelten Mädels neben mir, die gerade erst dem Ballermann entsprungen zu sein schienen und meinen obligatorischen "Zuckungen" Weg und Raum nehmen wollten, hätte ich gern die ein oder andere Faust entgegengestreckt. Aber Gewalt am Festival, wer macht denn sowas? Am Ende musste aber klar sein: Jeder, der sich nicht von PRIEST mitreißen hat lassen, war ohnehin schon lange tot. Ausnahmen ausgeschlossen! 

OZZY haben wir dann aber leider nur gehört – nämlich beim Rückzug zum Parkplatz. Wer weiß, ob wir jemals wieder die Gelegenheit bekommen, ihn so frisch und jugendlich zu sehen, bevor er das Zeitliche segnet. Die Verpflichtungen des Alltages waren leider größer als die Träne im Knopfloch, die uns der Abschied bescherte.


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