01.11.2014, The Circus

LORDI + KORPIKLAANI

Text: Anthalerero | Fotos: Anthalerero
Veröffentlicht am 06.11.2014

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Verrückte Leute die eine verrückte Band mögen machen verrückte Dinge in einer verrückten Stadt. Dieser Satz umschreibt die Vorkommnisse in der in schwermetallischen Kreisen sattsam bekannten finnischen Hauptstadt Helsinki wahrscheinlich am besten. Nicht nur das Datum (der Tag nach Halloween) ließ sich einen in der finnischen Metropole vorkommen wie mitten in der Zombie-Apokalypse - die Finnen nehmen es nämlich mit dem Datum nicht so genau, so stiegen am Wochenende noch so einige Halloween-Partys, wodurch sich die extrem hohe Dichte an gruslig anzusehenden Gestalten erklärte. Einer der Hotspots für Gruselmaskeraden war an diesem Abend der Club "The Circus" in dem die Kostümrocker LORDI eine Party zum Release ihres siebten Studioalbums "Scare Force One" steigen ließen. Als Special Guest und Publikumseinheizer gaben sich KORPIKLAANI ein Stelldichein, die damit einen ihrer recht rar gesäten Finnland-Auftritte hinlegten. Und das zu einer selbst für unsere heimischen Verhältnisse frühen Zeit - bereits um kurz vor sieben wurden die Waldschrate rund um Sänger Jonne auf die Bühne gescheucht, da am gleichen Abend nach dem Konzert noch eine weitere Veranstaltung in der gleichen Halle auf dem Plan stand. Verrückt? Mitnichten. Mehr ein Synonym für den generellen Ablauf des Abends - denn in Finnland ist so einiges anders als bei uns. Das fängt schon beim Einlass an: dem geeichten internationalen Konzertgänger ist es nicht mehr fremd, dass man in nordischen Ländern beim Einlass erst einmal den Ausweis zücken darf um sein Alter zu bestätigen - auch ergraute Haare schützen nicht vor diesem Prozedere. Sodann werden die Konzertbesucher in Ü-18 und U-18 aufgesplittet - erstere dürfen Alkohol trinken, zweitere nicht. Dabei nehmen es die Finnen mitunter sehr genau, so gibt es heute Abend ein Gatter quer durch die Halle und einen dazugehörigen separaten Barbereich mit ausschließlich antialkoholischer Bestückung für die U-18-Fraktion. Dass einige aus dem Ausland kommende Besucher Probleme bzw Missverständnisse beim Erwerb von Tickets aus dem Internet hatten konnte man sehr schön sehen, landeten doch so einige klar der Ü-18-Gruppe angehörigen aufgrund von U-18-Tickets im alkoholfreien Bereich, worüber naturgemäß nicht jeder hellauf begeistert war. Auch der Altersnachweis mittels Ausweis half da nicht - beim Ticket sind die Finnen genau. Lockerer sieht es da schon beim Umgang mit den Fotografen aus - wo man hierzulande gemäß deutschsprachiger Gründlichkeit nach 3 Songs aus dem Graben gescheucht wird, oder bei der leisesten Andeutung von Pyrotechnik gar nicht erst den reservierten Streifen entern darf, kann man in Finnland mal eben das komplette Konzert über knipsen. Im Graben. Mit kommoden 1,20m Breite, und sechs fetten Batterien an Pyrotechnik direkt am Bühnenrand. Lapidare Sicherheitsanweisung der Security: "Passt ein Bißchen auf, es gibt Pyros und es kommen Flüssigkeiten von der Bühne". Das wars, und ab in den Graben, wo das Blut tropft und die Funken regnen! Zum ganzen Setup des Abends passend natürlich auch die Besucher: teils kostümiert und aus allen Teilen Europas angereist, schlugen nebst den Einheimischen auch noch Leute aus Schweden, Norwegen, Estland, Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien und Tschechien im Circus auf. Ein verrückter Haufen, der eine ordentliche Show erwartete und auch nicht enttäuscht wurde!

Das Einheizen übernahmen, wie schon eingangs erwähnt vergleichsweise früh, die finnischen Folklore-Metaller von

KORPIKLAANI

. Bei einem ihrer wenigen Auftritte in Finnland, und der eher durchwachsenen Reputation der Hauptband in ihrem Heimatland, hätte man meinen wollen dass viele Leute extra für die spaßig-schrägen Waldschrate den Gang in den Circus angetreten hätten. Was aber überraschenderweise nicht der Fall war. So ging das Publikum zwar zu den Violin- und Akkordeongeschwängerten Klängen schon sehr gut mit, aber der letzte Zacken zur ausgelassenen Partyatmosphäre wie man es von KORPIKLAANI-Gigs hierzulande kennt, fehlte einfach. Das lag aber weder an der Band die sich in bester Laune präsentierte, noch an der Songauswahl bei der ausschließlich auf finnischsprachige Lieder zurückgegriffen wurde (kein Wunder, man war ja auch in Finnland!) - sondern vielmehr daran dass die Anhängerschar der Monster zahlenmäßig eindeutig überlegen war, und von diesen nicht jeder mit der stilistischen Ausrichtung der Supportband zurechtkam. Eines fiel aber bei den schon einige Male von Kritikern sehr zerrupften KORPIKLAANI auf - es wurde auf der Bühne so gut wie kein Alkohol konsumiert. Vielleicht wegen der exorbitanten Preise in Finnland...? Auf jeden Fall wirkte sich das sehr positiv auf die Performance aus, die Mannen rund um Jonne Järvelä gingen nicht nur mit richtig Spaß an der Sache zu Werke, sondern agierten auch an den Instrumenten ausnehmend professionell - was man ja in der Vergangenheit nun nicht immer von ihnen behaupten konnte. Und Jonne, der wie ein Derwisch über die Bühne fegte, schien sich beim Stageacting ein wenig von SABATON abgeschaut zu haben... Es war noch nicht einmal halb acht Uhr, als KORPIKLAANI ihr kurzes und knackig-flottes Set aufgrund des straffen Zeitplans auch schon wieder beenden mussten. Die inzwischen deutlich mehr gewordenen Besucher spendeten kräftigen Applaus, den die Band aber kaum genießen konnte, da sie schon zwecks Umbauarbeiten von der Crew von der Bühne komplimentiert wurden.

Zackig ging der Umbau vonstatten, und dann gingen auch schon die Lichter aus. Das Outro des Albums "Scare Force One", dessen Release bei diesem Konzert gefeiert wurde, bildete das Intro der Show, bevor

LORDI

mit dem Party-Track "Nailed By The Hammer Of Frankenstein" energisch loslegten. Der erwartete Zuschauerschwund nach KORPIKLAANI war nicht eingetreten - im Gegenteil schien der Großteil der Leute extra für die Monstershow angereist zu sein, wie die euphorischen Publikumsreaktionen vermuten ließen. So konnten es sich Lordi auch leisten ihren bekanntesten Song, das Eurovisions-Siegerstück "Hard Rock Hallelujah" gleich einmal als zweiten Song in der Setlist zu verbraten. Bei der pyrotechnischen Eskapade mit Funken spuckenden Instrumenten gingen die Fotografen im Graben schnell in Deckung, da vieles davon direkt auf ihren Arbeitsplätzen niederging. Ein besonderer Konzertabend schrie natürlich auch nach einer besonderen Setlist - so fand sich dort auch einer der Songs den LORDI zuletzt bei den Shows zu ihrem allerersten Album gespielt hatten - das Alice Cooper-Cover "He's Back (The Man Behind The Mask)", das von den Hardcore-Fans mit großem Jubel begrüßt wurde. Mit dem regulären Albumintro, zu dem ein weiblicher Roadie den Bühnentod durch die Hände von Jason Vorheeres starb, startete man danach in den Titeltrack "Scare Force One", bei dem sich bereits bemerkenswert viele Leute textsicher zeigten - und das einen Tag nach Release des Albums! Da Publikum und Fotografen trotz der ersten Gore-Einlage noch viel zu sauber erschienen, spritzte gleich beim nächsten Titel "How To Slice A Whore" das nächste mal Blut von der Bühne - Monsterchef Mr. Lordi sägte und sezierte während des Songs am seit der "Deadache"-Tour nicht mehr im Einsatz gewesenen Autopsietisch munter vor sich hin. Herrlich schräg auch, dem armen Autopsie-Opfer nebst Schlachtermesser außerdem noch mit einer funkensprühenden Handkreissäge zu Leibe zu rücken, mit deren pyrotechnischem Output beinahe Bassist Ox in Brand gesetzt wurde. Doch damit nicht genug der Einlagen - bei "Sir, Mr. Presideath, Sir!" bekam das Obermonster auch noch von einer vertrauensvollen Verehrerin ein Baby gereicht - dem es natürlich prompt den Kopf abbiss, was für die nächste Blutdusche sorgte. Dagegen wirkte das Konfetti aus dem "Blood Red Sandman"-Sack geradezu wie Kindergeburtstag - der dann in Form von bösartigen Clowns auf der Bühne bei "Hell Sent In The Clowns" auf LORDI-Art zelebriert wurde. Dreimal dürft ihr raten was sich in den bunten Kübelchen befand die die Clowns über dem Publikum entleerten... Aber abgesehen von spaßig-blutigen Einlagen, verstehen es die Monster auch ihre Instrumente amtlich zu bedienen. Schlagzeuger Mana bewies sich erneut als echter Gewinn für die Band, und trieb seine Kollegen mit bitterbösem Blick und exaktem Drumming durch das aufgrund der Umstände sehr kurz ausgefallene Set. Gitarristen-Energiebündel Amen lieferte trotz Posingexzess keine Fehlnote, und zum Drüberstreuen fuhren Lordi auch noch, anstatt die Backings vom Band einzuspielen, zwei Backgroundsängerinnen des Albums als Live-Unterstützung auf. Mit dem gut gemischten und höllisch lauten Sound ergab das ein rundes Konzertpaket.

LORDI wären aber nun einmal nicht LORDI, wenn trotz des mehr als soliden, sich stellenweise allerdings selbst limitierenden musikalischen Grundstocks nicht auch die Optik eine große Rolle spielen würde. So gab es zu "Devil Is A Loser" erneut funkensprühende Spielereien die die Fotografen noch einmal aufscheuchten, und Mr. Lordi klappte wieder einmal seine altbekannten Fledermausflügel aus. Als Zugabe gab es dann noch den Klassiker "Would You Love A Monsterman" auf die Ohren, sowie zum Abschluss eine ausgiebige Konfettidusche für alle Anwesenden. Für die Die-Hard-Fraktion gab es zum Drüberstreuen noch ein besonderes Schmankerl: der Song der bis dato jede einzelne Clubshow von Lordi eingeleitet hatte, wurde zum ersten Mal von der Band selbst als Cover dargereicht. Man konnte richtig sehen wie viel Spaß es den Monstern bereitete den KISS-Klassiker "God Of Thunder" einmal selbst vor Publikum zu zocken - auch noch unterstützt von KORPIKLAANI-Drummer Matson, der dem Drumset gemeinsam mit Mana einen ordentlich fetten Sound entlockte. Entsprechend laut und ausdauernd fiel dann auch der Schlussapplaus aus, den LORDI nach ihrem einstündigen Set bereits zur frühen Stunde von neun Uhr Abends entgegennehmen mussten.

Setlist:

- Nailed By The Hammer Of Frankenstein - Hard Rock Hallelujah - He's Back (The Man Behind The Mask) (Alice Cooper Cover) - Sincerely With Love - Scare Force One - How To Slice A Whore - It Snows In Hell - Sir, Mr. Presideath, Sir! - Blood Red Sandman - Hell Sent In The Clowns - Devil Is A Loser - Would You Love A Monsterman? - God Of Thunder (KISS Cover)

Entweder man mag LORDI, oder man mag sie nicht. Aber einer Band die soviel Spaß auf der Bühne hat, und für ein Konzert Fans aus verschiedensten Nationen ein paar tausend Kilometer von ihren jeweiligen Heimatländern weglockt, kann man ihre Daseinsberechtigung nicht absprechen. Und die Monster wissen auch was sie ihren Fans schuldig sind - so standen sie, obwohl unter ihren Kostümen bereits komplett durchgeschwitzt, nach der Show noch fast eine dreiviertel Stunde für Fotos und Autogramme bereit. So lange bis die Security anfing die Besucher aus der Halle zu kehren, weil das nächste Event bereits in der Startlöchern stand. Man mag darüber lachen, doch die Reise in ein nach der Aftershow-Party um drei Uhr morgens postapokalyptisch anmutendes nebeliges Helsinki war es vollauf wert. Selbst die morgendliche Begegnung mit einem Kehrmaschinen-Fahrer der sich augenscheinlich unter Restalkohol-Einfluss für einen Ralleypiloten hielt, und die von der Partynacht in Mitleidenschaft gezogenen Gehsteige im Turbotempo säuberte und dabei einige Fußgänger zu gewagten Hechtsprüngen animierte, passte ins Bild dieses verrückten Trips. Finnen sind schräg, und finnische Bands noch viel mehr - doch wenn man das Land und so einige seiner Bands einmal ins Herz geschlossen hat, dann kommt man so schnell nicht mehr davon los. Auch wild gewordene Kehrmaschinenfahrer ändern daran rein gar nichts!


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