12.05.2015, Backstage (Werk)

SONATA ARCTICA + FREEDOM CALL + TWILIGHT FORCE

Text: Anthalerero | Fotos: Anthalerero
Veröffentlicht am 15.05.2015

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Schon lange kein Bericht mehr aus dem Backstage München... nein, keine Sorge, Stormbringer West wird seinem Wohnzimmer nicht untreu! Schon ist man wieder zurück , dieses mal im großen Werk, um hingebungsvoll episch-kitschigen Schwermetallklängen zu huldigen. Ein fast nostalgischer Abend lag vor einem recht gut besuchten Backstage, dem vom zeitgleich stattfindenden FC-Bayern-Spiel wohl einige Besucher abgezogen wurden. Sei's drum, das Dreierpaket aus Finnen (SONATA ARCTICA), Deutschen (FREEDOM CALL) und Schweden (TWILIGHT FORCE) konnte sich trotzdem über angemessenen Zulauf freuen! Umso besser, zumal der Abend wie angesprochen unter einem fast nostalgisch zu nennenden Stern stand. Jede Band an diesem Abend konzentrierte sich auf genau ein Album - gut, bei TWILIGHT FORCE gezwungenermaßen, da die Schweden mit "Tales Of Ancient Prophecies" vom Vorjahr überhaupt erst ein Album am Markt haben! Doch bei den alten Haudegen SONATA ARCTICA und FREEDOM CALL konnte man wirklich von Nostalgie sprechen, spielten doch die Finnen an diesem Abend ihr komplettes 1999 veröffentlichtes Debütalbum "Ecliptica" und das auch noch in Originalreihenfolge der Titel! FREEDOM CALL sprangen auf diesen Zug auf und ließen es sich nicht nehmen zum Re-Release von "Eternity" ebenfalls ausschließlich Songs dieses Albums zu zocken.

Von einem epischen Intro eingeleitet, erstürmte als erstes die

TWILIGHT FORCE

die Bühne. "Erstürmen" dürfte man hier sogar wörtlich nehmen, so agil wie sich die beiden gut gerüsteten Gitarristen - einer davon augenscheinlich mit elfischem Blut - präsentierten! Die Kampfäxte seit ihrem letzten Besuch im kleinen Backstage Club mit GLORYHAMMER inzwischen mit Wireless-System ausgestattet, war die Saitenfraktion der Schweden auf der Bühne kaum zu bremsen. Obwohl unter Rüstung bzw. Gewandung im bereits zu Beginn enorm heißen Werk schwitzend, ließen TWILIGHT FORCE nichts anbrennen und gaben richtig Gas. Mit Songs wie "Enchanted Dragon Of Wisdom" oder "Gates Of Glory" wurde der Theatralik, passend zu den martialischen, teils mittelalterlichen Outfits, viel Raum gegeben. Da wurden Schwerter und Fahnen geschwungen und auf der Bühne kniend dem Zeremonienmeister am Keyboard gehuldigt - ein stattliches "In Your Face" gegenüber allen bierernsten Schwermetalljüngern mit Stock im Arsch. Ein Highlight des Auftritts die vom Keyboarder gesprochenen (oder doch vom Band eingespielten?) Interludes, die vor Pathos geradezu trieften und dem Publikum, das zu der überzeugenden Darbietung sehr schnell auftaute, ein ums andere Mal ein Grinsen ins Gesicht tackerte. Viel zu kurz war demnach der Kreuzzug der Schweden, der mit dem Ohrwurm "The Power Of The Ancient Force" bereits nach nur fünf Songs sein Ende fand. Die locker-lässige Ohrwurm-Keyboardmelodie des Rausschmeißers blieb wohl so einigen Zusehern noch länger im Gedächtnis haften, während sich doch schon gar überraschend viele Leute bei TWILIGHT FORCE sehr textsicher zeigten. Entsprechend laut auch der Jubel als sich die sechs Schweden nach vollbrachtem Werk von der Bühne verabschiedeten - bestimmt nicht zum letzten Mal auf deutschem Boden, denn ein neues Album von TWILIGHT FORCE ist bereits in Arbeit... Als sodann der Abend durch die wackeren Recken gerettet worden war, konnte er weitergehen! Der heroische Sieg über das Böse musste gefeiert werden und zwar mit einer Happy-Metal-Party! Bevor diese aber startete, konnte man die furchtlosen Kämpfer noch am Merchandise-Stand in voller Kampfmontur bewundern und sich mit den teils verhüllten Kriegern ablichten lassen. Das nahmen dann auch nicht wenige Besucher in Anspruch...

Setlist:

- Forest Of Destiny - Enchanted Dragon Of Wisdom - Gates Of Glory - Twilight Horizon - The Power Of The Ancient Force

Und für ebenjene angekündigte Happy-Metal-Party sorgte der fränkische Schlager-Export, Verzeihung, Exportschlager

FREEDOM CALL

. Entweder man mag sie oder man mag sie nicht, diese vor Kitsch geradezu triefenden Hymnen, die den sprichwörtlichen Dorn im Auge eines jeden ultratrven Metalpuristen versinnbildlichen. Von spaßbefreiten Kuttenpredigern war an diesem Abend glücklicherweise nichts zu sehen, so fielen die wunderbar klebrigen Kompositionen von FREEDOM CALL in München auf äußerst fruchtbaren Boden. Zudem waren die vier Mannen rund um Fronter Chris Bay auch noch unter dem Motto "666 Weeks Beyond Eternity" unterwegs, zur Feier des Re-Releases ihres Kultalbums "Eternity" von 2002. Von selbigem stammten dann auch alle Songs des Auftrittes, was so einigen Leuten im Publikum augenscheinlich großen Spaß bereitete. Zahlreich waren die Münder die textsicher "The Eyes Of The World" und andere, man ist schon fast versucht zu sagen "Klassiker", mitgrölten und Sänger und Gitarrist Chris bereitwillig aus der Hand fraßen. Fehlnoten waren keine zu vernehmen und ein topfitter Rotbart Ramy Ali (zu Jahresbeginn übrigens bereits als Ersatzmann an der Schießbude von SERIOUS BLACK gesichtet) prügelte mit geradezu manischem Grinsen auf sein Drumkit ein, sodass der eine oder andere Song gefühlt schneller als auf dem Original-Release durch die Boxen gedonnert kam. Für den Donner sorgten dann (nein, kein aufziehendes Gewitter, trotz schwüler frühsommerlicher Hitze!) schon die Boxen im Backstage selbst - einen Tick zu laut aufgerissen rüttelte der Sound auch die letzten noch nicht amtlich abgehenden Besucher wach. Zu "Bleeding Heart" stürmte der Stormbringer-Fotograf kurzzeitig aus der Halle, um das von den Kreuzzüglern TWILIGHT FORCE signierte Poster vor der Luftfeuchtigkeit des schon beinahe zur Tropfsteinhöhle avancierenden Backstage-Werks in Sicherheit zu bringen. Ein schwerer Fehler wie sich herausstellte, denn als man während "Ages Of Power" verspätet zurückkehrte (Public Viewing irgendeines FC-Bayern-Spiels am Vorplatz des Backstage - den Schimpftiraden nach stand es nicht allzu gut für die Rot-Blauen...) und fragte, was man dann verpasst hätte, kam die Antwort "Metal Invasion". Ausgerechnet! Ausgerechnet den wohl kitschig-epischsten Track in der FREEDOM CALL-Diskografie, dessen Fanfaren (DÄ-DÄÄÄÄ-DÄÄ!) vom Publikum immer wieder inbrünstig mitgesungen werden! Doch das kurz darauf gezockte, nicht minder epische "Warriors"- vermutlich einer, wenn nicht DER bekannteste Track von FREEDOM CALL - entschädigte für den berichterstattungstechnischen Ausfall, denn hier gingen Publikum sowie Stormbringer-Abgesandter so richtig steil. Manisch grinsende Gesichter rundherum - der Funke sprang auch bei "Land Of Light" mit weiteren ultra-kitschigen Fanfarenstößen so richtig über. Leider war das dann auch schon der Schlusspunkt der Happy-Metal-Party, denn die Franken mussten die Bühne schweren Herzens räumen, um dem finnischen Hauptact Platz zu machen. Nicht nur der Stormbringer-Abgesandte hätte heute gerne noch mehr von FREEDOM CALL gesehen, auch das Publikum sah das mit tosendem Applaus ähnlich.

Setlist:

- 666 Weeks Beyond Eternity - The Eyes Of The World - Flying High - Island Of Dreams - Bleeding Heart - Metal Invasion - Ages Of Power - Warriors - Land Of Light

Der Schweiß rann beim Publikum bereits in Strömen als

SONATA ARCTICA

die Bühne des Backstage in Beschlag nahmen. Nach dem Intro ging es zunächst einmal mit "White Pearl, Black Oceans" und "X Marks The Spot" los, ehe es dann an das eigentliche Kernstück des Konzertes ging. Das 1999 veröffentlichte Debütalbum "Ecliptica" wurde nämlich von den Finnen komplett und in Originalreihenfolge dargeboten. Gut, zwar wurde bis auf Sänger Tony und Schlagzeuger Tommi schon die komplette Besetzung durchgetauscht, aber das schmälerte die Performance keineswegs. Einzig leichte Schwächen bei den höheren Vocals waren auszumachen ("Blank File", "Kingdom For A Heart"), bei den richtig hohen, schnellen Passagen wurde die Stimme dann doch schon etwas dünn. Verglichen allerdings mit der Zeit, die seit dem Release von "Ecliptica" vergangen war (das war immerhin vor 16 Jahren!), kann man an der gesanglichen Leistung nicht meckern - da gibt es so einige Bands aus dem gleichen Genre die Songs ihres Debüts live nicht mehr so überzeugend rüberbringen können wie das SONATA ARCTICA vorexerzierten. Auch der Spaß kam auf der Bühne nicht zu kurz, so wurden zum ersten Song der unter dem Namen SONATA ARCTICA geschrieben wurde ("Letter To Dana") kurzerhand Riffs von MEGADETH ("Symphony Of Destruction") und SPIN DOCTORS ("Two Princes") in die Menge geschleudert und nach "UnOpened" gab es dann die Bandvorstellung, in deren Zuge auch noch jedes Bandmitglied zu einem kurzen Solo kam. Und dann, ganz am Ende der Darbietung von "Ecliptica", kam das, worauf der mit fettem Grinsen im Gesicht diese Zeilen hier tippende Stormbringer-Schreiberling gewartet hatte: "Destruction Preventer"! Man konnte dem Publikum ansehen, dass viele im Werk mit dem eher progressiven, mit vielen Tempowechseln verbrämten Titel nicht viel anfangen konnten, doch Fans der älteren Alben freuten sich wie die Schneekönige den nur selten gespielten Titel endlich einmal live sehen zu können! Womit wir auch den Bogen zum Thema Publikum schlagen - halloooo, was war da mit den Leuten los? Teilweise hatte man das Gefühl, dass die Leute die Songs von "Ecliptica" gar nicht einmal kennen (abgesehen von dem abgefeierten Klassiker "Full Moon"), so mäßig begeistert folgten sie der Darbietung! Da war ja zu den Vorbands mehr Stimmung im Saal, was soll das bitte? Eine mögliche Quelle dieser streckenweise eher gedämpften Stimmung lag vielleicht doch in dem teilweise extrem düsteren Licht, das auf der Bühne ungewollt Grabesstimmung verbreitete. Viel Blau, und kaum Licht von vorne muteten sehr seltsam an und passten so überhaupt nicht zur Stimmung der Songs und auch zur Band selbst. Sehr, sehr seltsam. Nach der Darbietung des kompletten "Ecliptica"-Albums war das Konzert aber selbstredend noch nicht vorbei - es gab natürlich auch die obligatorische Zugabe. Mit "Mary-Lou" und "The Wolves Die Young" wurde hier auf neueres Material gesetzt, ehe als krönender Abschluss noch einmal die Klassiker-Keule ins Publikum geschwungen wurde. Zumindest bei "Don't Say A Word" zeigte sich das Publikum angemessen textsicher und laut genug - aber nicht laut genug um die gegen Ende hin wieder ein bisschen zum Übersteuern neigende PA im Werk zu übertönen. Als Rausschmeißer fungierte der bereits altbekannte Vodka-Singalong-Song, auf den die Zuschauer natürlich auch einstiegen. Ob Tony's Rufe nach Vodka letztendlich belohnt wurden wissen wir nicht - Stormbringer zog sich, um dem Trubel am engen Nebeneingang zu entkommen (der Haupteingang des Werks war durch das Public Viewing des Fußballspiels blockiert), schon bei den letzten Takten des Konzertes aus der Halle zurück.

Setlist:

- White Pearl, Black Oceans... - X Marks The Spot ----------- (Ecliptica) - Blank File - My Land - 8th Commandment - Replica - Kingdom For A Heart - FullMoon - Letter To Dana - UnOpened - Picturing The Past - Destruction Preventer ----------- - Mary-Lou - The Wolves Die Young - Don't Say A Word Was nach dem heißen, und konzerttechnisch fast perfekten Abend als erstes auffiel als man zu den letzten Tönen von SONATA ARCTICA das Werk verließ, war die Stille die draußen herrschte. Der zuvor noch gut gefüllte, mit Bierbänken vollgestellte Vorplatz des Backstage präsentierte sich so ziemlich menschenleer, lediglich einige klägliche Häufchen an Fußballfans diskutierten im Beisein einiger Biere noch ziemlich hitzig. Ohne das Ergebnis zu kennen, konnte man wohl annehmen, dass der Abend für Fußballfans nicht so ganz wunschgemäß gelaufen war. Tja, hättet ihr mal lieber zu den Metalfans ins Werk reingeschaut, die gerade einem tollen Konzert mit drei perfekt aufgelegten Bands lautstark applaudierten, da wärt ihr vermutlich besser unterhalten worden und würdet jetzt mit dem gleichen fetten Grinsen nach Hause gehen wie der Pulk an Leuten, der das Backstage verschwitzt aber glücklich verließ.


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