26.04.2015, GEI

SICK OF IT ALL + ANGEL DU$T

Veröffentlicht am 03.05.2015

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Die Anfrage der rasenden Stormbringer-Fotografin Tina führte uns an einem lauen Sonntagabend im ansonsten wetterkapriolenreichen April mitten in die oberösterreichische Provinz. Timelkam hieß die zumindest dem ortskundigen Schreiberling bekannte Ortschaft, den dort ansässigen Club GEI kannte man jedoch bestenfalls vom Hörensagen. Schon nach kurzer Zeit wusste man dann auch warum - doch der Reihe nach! Für SICK OF IT ALL und ANGEL DU$T war Fotografin Tina (die mit dem hier berichtenden Schreiberling die Liebe zum exzessiven Konzertgehen verbindet, und die genauso wenig lange Distanzen scheut) frei nach dem Motto "Stormbringer West goes East" bereits bis nach Budapest gefahren. Nach einer Wahnsinnsshow im A38, einem auf der Donau liegenden Schiff, sollte heute im ländlich-idyllischen Oberösterreich der Tourabschluss stattfinden. Doch es gab zunächst noch Stolpersteine aus dem Weg zu räumen - so wurde die Akkreditierungsanfrage ans GEI leider nicht bearbeitet, doch das über Jahre gewachsene Netz an nützlichen Bekanntschaften sorgte dafür dass man sich schlussendlich doch auf der Gästeliste wieder finden konnte. Bist du nicht willig, so brauch ich Gewa... ach nein, falsches Thema! Gewaltig dafür die Leistung des Tourbus-Fahrers, der es irgendwie geschafft haben musste die enge, sehr steile Auffahrt zum GEI zu meistern - selbst den Herren von ANGEL DU$T die zum Zeitpunkt der Ankunft noch schliefen, war es ein Rätsel wie der nicht unerheblich große Bus sich in das enge Gässchen gequetscht hatte. Sei es drum - if it fits, it sits! Wie der Bus anschließend wieder herauskam, wissen wir leider auch nicht. Nachdem es keine Berichte über eine Invasion Timelkams mit ganzkörpertätowierten Amerikanern gab, dürfte der Bus schon wieder herausbugsiert worden sein. Notfalls mit Gewa... ach nein, auch hier fehl am Platz. Gewaltig war dann auch das GEI an sich - eine eigentlich richtig coole, gemütliche Location - mit seinem Riesentresen, Sitzecke und Poledance-Stange (hrhr!) eher eine Bar, die in dieser Form schwer an die Konzertkultur in Finnland erinnerte. Suboptimal jedoch die Beleuchtung - schummrig und extrem finster offenbarte der im Keller liegende Club so manche Stolperfallen. Massig Absätze und Treppen die weder beleuchtet noch gekennzeichnet waren machten die Begehung vor allem im stärker bevölkerten Zustand zu einem Abenteuer - ein übriges dazu taten die im Verlaufe des Abends herumstehenden und -liegenden Bierflaschen die zu wahren Stolperfallen wurden. Ein kaum erkennbar gekennzeichneter Ausgang (zumindest nicht bei dieser "Beleuchtung"!) tat das Übrige zu einem etwas mulmigen Gefühl. Persönlicher Killer des Abends allerdings für die Stormbringer-Fraktion, dass trotz Nichtraucher-Schild am Eingang gefühlt drei Viertel des Publikums fröhlich drinnen vor sich hin pofelten, Hauspersonal inklusive. Pfui deibel, da nutzte auch die leistungsstarke Lüftung nichts - so sie denn auf voller Leistung in Betrieb gewesen wäre. Auch der Merchandiser von SICK OF IT ALL war wenig begeistert darüber, dass die komplette Ware am letzten Abend der Tour so eingenebelt wurde.

Die äußeren Umstände versöhnend dann allerdings die Show die geboten wurde.

ANGEL DU$T

machten den Anfang und knallten gleich einmal ein ordentliches Brett ins Publikum. In überraschend dezenter Lautstärke und noch überraschender richtig klar und druckvoll abgemischt knüppelten die Amis drauflos, dass es eine Freude war zuzuschauen. Beschwingt, leicht verdaulich und mit richtig Spaß an der Sache wurde da zu Werke gegangen und man ertappte sich schnell dabei unwillkürlich mitzuwippen, selbst wenn man der punkigen Musik auf Konserve ansonsten wenig abgewinnen konnte. Live natürlich, ist das wieder eine ganz andere Sache - da stimmt das Gesamtpaket. Das einzige was nicht so ganz stimmte war das Publikum, das bei ANGEL DU$T noch extrem zahm war. Lediglich drei unentwegte Punks lieferten ein wenig Pogo-Action vor der Bühne, ansonsten reagierte mehr die Zurückhaltung. Eher untypisch für das, was man mit einer Hardcore-Show assoziierte, aber der Band auf der Bühne schien das nicht viel auszumachen und die hängte sich stattdessen nur umso mehr rein. Ein Schwachpunkt in ANGEL DU$Ts Show war dann allerdings der Gesang - vielleicht gehört das ja so, aber der Sänger war teilweise schon sehr neben der Tonspur und schien einige Male überdies noch mit der Luft zu kämpfen. Ob es wohl an der verrauchten Luft lag? Man weiß es nicht, doch fest steht, dass die Amis nach bereits vier Wochen Tour ein wenig angeschlagen waren, wie sie nach der Show selbst zugaben. Das hinderte sie aber nicht daran allerlei Kapriolen auf der Bühne zu vollführen, für die sie vom Publikum mit lautem Applaus bedacht wurden. Musikalisch reagierte mit deutlichem Überhang Punk, Fehlnoten oder Timingschwierigkeiten konnten ohne Kenntnis des Songmaterials keine festgestellt werden und das trotz sagen wir mal... interessanter Bewegungen auf der Bühne. Das Wort "Bühnenaction" wird jetzt jedenfalls für den Einhorn-Metaller neu definiert. Auch Expertin Tina konstatierte eine sehr gute Show von Seiten ANGEL DU$T, für die der Beifall der ca. 200 Leute im GEI gerechtfertigt war.

Nach einer kurzen "Rauchpause" (sprich, Frischluftkur um dem dicken blauen Dunst aus dem man bald Würfel hätte schneiden können für eine Weile zu entfliehen) war es dann soweit - die NYHC-Veteranen von

SICK OF IT ALL

enterten die recht kleine Bühne im GEI. Der bereits von ANGEL DU$T positiv überraschte Einhorn-Metaller harrte gespannt der Dinge die da kommen mochten - und das Publikum ging steil. Im wahrsten Sinne des Wortes. Nach einer gesitteten Show der deutschen Metal-Veteranen U.D.O. als nächstes direkt so etwas in die Birne gepfiffen zu bekommen, das fährt richtig ein. Und zwar in die Beine und ins Blut. Okay, da unten vor der Bühne stehen möchte man nicht, wenn ein paar dutzend Leute sich gefühlt gegenseitig zu Brei stampfen, aber dafür sieht man sich den Wahnsinn doch gerne aus sicherer Entfernung und einer erhöhten Position an. Und selbst da ist es schwierig, alles auf einmal zu erfassen, in der entfesselten, gelebten Anarchie die da sowohl im Publikum als auch auf der Bühne tobte. Als ob es kein Morgen gäbe, holzten sich die Vier durch ihr etwa einstündiges Set. Zwar ließ die kleine Bühne nicht allzu viel Bewegungsspielraum zu, doch der zur Verfügung stehende Platz wurde mit aller Vehemenz genutzt. Luftsprünge und entfesseltes Gezappel inklusive - vor allem der ganzkörpertätowierte irokesenfrisierte Gitarrist zeigte seine körperliche Fitness deutlich - faszinierend bei solchen Bewegungen noch ein Instrument zu bedienen. Ehrlich gesagt, von der jetzt etwas härteren, aber dennoch flotten und punkig-melodischen Musik ist im Endeffekt wenig hängengeblieben (das darf jetzt aber bitte nicht als Beleidigung gewertet werden, das ist nämlich keinesfalls ein Zeichen dass die Musik unangenehm gewesen wäre!), dafür war die Show umso faszinierender. Der Abriss, den SICK OF IT ALL da in Timelkam hinlegten war ein ziemliches Statement - auch wenn Berichten der HC-Expertin Tina zufolge kein Vergleich zu dem Wahnsinn in Budapest. In Timelkam funktionierte das Ganze aber in kleinem Rahmen perfekt - Pogo-Action am laufenden Band, Circlepits rund um eine mitten im Zuschauerbereich stehende Säule (mit Spiegelmosaik im Discolook!), und massig Zuschauer auf der Bühne. Ja, Zuschauer AUF der Bühne - im Hardcore scheint es normal zu sein, dass sich so mancher Besucher mal kurz auf die Bühne schwingt, etwas ins bereitwillig hingehaltene Mikro des Sängers plärrt und sich anschließend todesmutig stagedivenderweise wieder zurück ins Publikum schmeißt. Todesmutig kann man das in Timelkam wahrhaft nennen, sind es doch gerade mal ein dutzend Leute die die Leute wieder auffangen - faszinierend, dass das ohne gröbere Blessuren abläuft. Das skurrile Bild von zwei Crowdsurfern gleichzeitig, die von jeweils sechs bis acht Leuten kurzerhand durch den Bereich vor der Bühne getragen wurden, während gleichzeitig eine leere, vom Hauspersonal getragene Bierkiste vorbeisurfte, markierte dann den schrägen Höhepunkt des Abends.

Neben der vom Vortag reichlich zerstörten Stimme des Sängers (Kommentar Tina: "Okay, die Stimm' is wirklich fertig!"), gab es dann leider doch noch ein "Opfer" zu beklagen: Ein bereits zu Beginn des Konzertes ziemlich alkoholisierter Zuschauer schätze die räumliche Situation beim Circlepit falsch ein und rammte seinen vernebelten Quadratschädel mit voller Wucht gegen angesprochenen Disco-Pöller. Nachdem er mehrmals zusammengebrochen und wieder aufgerichtet wurde, musste er von den zwei Mann Security durch das Gedränge aus dem Club eskortiert werden - was mit ihm weiter geschah ging in der exorbitanten Party im GEI unter. Zumindest eine Gehirnerschütterung war wohl drin. Nach diesem Vorfall ermahnten SICK OF IT ALL bei der Wall Of Death die Zuseher noch einmal doch bitte nicht in den "Disco-Pole" zu laufen. Mit Erfolg, denn das Getümmel lief planlos und verletzungsfrei ab. Nach so einer Party konnte der Schlussapplaus nichts anderes als laut und anhaltend sein! Für den Geschmack eines Einhorn-Metallers mit knapp zwei Stunden für zwei Bands war der Abend zwar ungewohnt kurz, was aber anhand der schweißtreibenden Show sowohl auf der Bühne als auch im Publikum verständlich war. Zwar konnte das Ausmaß des Vortages in Budapest nicht erreicht werden, aber dennoch war Timelkam ein würdiger Tourabschluss für SICK OF IT ALL, der auch dem Berichterstatter noch einige Zeit im Gedächtnis bleiben wird.

Puh, ja... was soll man als Freund von eher zuckrigen Klängen nun sagen? Wie ihr herauslesen konntet, ist die Show zu der dieser Schreiberling als Gegenzug zu so manchem für Fotografin Tina zähem Event verdonnert wurde definitiv auf der "Gefällt Mir"-Seite zu verbuchen. Zusammen mit der Feststellung, dass das was man sich so als stiloffener Schreiberling auch mal aus dem Black- und Death-Bereich reinzieht um einiges härter ist, als der beschreibungstechnisch wohl für viele irreführende Hardcore. Das "Hard" im Core sucht der unbedarfte Szeneneuling vergebens, denn die Bezeichnung Hardcore-Punk trifft es schon viel besser: Punkige Musik mit richtig Pfeffer im Arsch. Der Ausflug des Schreiberlings in stilistisches Neuland wird somit vermutlich nicht bei einem einzelnen Intermezzo verbleiben - beim nächsten Mal nur bitte mit etwas weniger Rauchanteil, dafür darf's gerne noch ein Portiönchen Anarchie mehr sein - danke! P.S.: Übrigens: Hardcore-Acts und ihr Gezappel zu Fotografieren ist nicht so einfach wie es aussieht. Der ebenfalls öfters hinter der Kamera zugegene Schreiberling durfte es mit Tinas Equipment (um einiges besser als das eigene!) versuchen - und scheiterte kläglich. Die Schere von brauchbaren Fotos zu Ausschussware ging sehr weit auf, in der Relation zu anderen Konzerten. Wenn es um Bilder geht, überlässt man das Feld dann doch lieber wieder der HC-Expertin - wovon ihr euch in der Galerie überzeugen könnt...


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