28.04.2015, Zenith, München

BLIND GUARDIAN + ORPHANED LAND

Veröffentlicht am 04.05.2015

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Zu lange ist es her, dass sich die Menschen der Dunkelheit entgegen stellten, der dunkle Lord lässt seine Heerscharen wieder aufmarschieren und droht die Welt in Finsternis und Chaos versinken zu lassen. Doch wo es Dunkelheit gibt, dort gibt es auch Licht und so marschieren wir heute geeint zur Schlacht gegen Orks, Trolle und allem was die verbrannte Erde Mordor hervorgebracht hat. Menschen, Zwerge und Elben treffen sich vor den Toren des Zenith in der Tiefebene der bayrischen Hauptstadt, um gemeinsam unter der Führung von BLIND GUARDIAN Schwerter, Äxte und Hämmer zur letzten Schlacht zu erheben. Nicht einmal der ins tiefste Mark erschütternde Schrei der Nazgul hielt uns ab einen Anteil aus Stormbringer-Kämpfern zu stellen, um uns würdig am Kampf zu beteiligen. Ein Zwerg, eine Waldläuferin und eine Schildmaid reisten aus den unterschiedlichsten Teilen des Landes an, um sich dem Bollwerk gegen die Finsternis anzuschließen und für die Chroniken festzuhalten, was sich heute hier an den Toren der Zeitenwende zutragen sollte. Schild und Streitaxt zum Schädelspalten bereit, den Bart nach alter Zwergenart geknotet und den Helm festgezurrt stürmt man aufs Schlachtfeld... Baruk Khazâd! Khazâd ai-mênu! Doch bevor man mit BLIND GUARDIAN den ersten Ork zu Matsch zerhauen darf, muss man noch die Ouvertüre zum glorreichen Blutbad abwarten. So steht alles Spalier und erwartet den Moment wenn sich den das Schicksal entscheiden würde, während ORPHANED LAND uns am Weg in die Schlacht begleiten. Die Zeilen für die Chroniken in den Schreibstuben Gondors verfasste für uns Waldläuferin Anthalerero, während man sich selbst noch das Mithril-Hemd zurecht rückt und hofft, dass das Aufgebot doch nicht so spärlich bleiben würde wie es sich bis jetzt darbietet.

ORPHANED LAND:
Als Vorhut der großen Schlacht stößt eine Gruppe Ostlinge vor, die mit gar seltsamer Gewandung die Aufmerksamkeit der dreiköpfigen Stormbringer-Abordnung und ihrem Gefolge aus schlachterprobten Recken aller Völker auf sich zieht. Todesmutig stürzt sich Tina - ihres Zeichens Schildmaid von Rohan - den Anrückenden entgegen, um Kunde zu bringen von dem was da auf die kampferprobte Truppe zukommen möge. Zu aller Erleichterung kehrt sie unversehrt zurück und berichtet von gar seltsamen Gestalten, deren Anführer mit wallendem Haar, bloßen Füßen und einem weiten Kaftan mit bedeutungsschwangeren Gesten und fremdartigen Gesängen zu beschwichtigen suchte. Da dem anwesenden Zwergenvolk nur der Sinn nach Schlachtengemetzel stand, wird der kosmopolitischer veranlagten Waldläuferin das Amt übertragen mit den seltsamen Ostlingen, die sich augenscheinlich gesprächsbereit zeigen, zu verhandeln.

Derweilen erfährt man, dass es sich bei dem weitgereisten Häuflein um ORPHANED LAND handelt und es macht sich bereits erste Ungeduld beim Anführer der Zwerge bemerkbar, der unter dem fremdartigen Gesangsstil sowie der getragenen, doomlastigen und ebenso außergewöhnlich instrumentierten Musik augenscheinliche Qualen leidet. Wer kann es dem bodenständigen Volk, das sich durch seine ruppig-bierselige Folklore auszeichnet verdenken, wenn es mit dem eigenwilligen, östlichen Vokalstil nicht so ganz zurecht kommt - wo doch in umgekehrter Form für das Gegenüber das gleiche gilt? Wiewohl die musikalische Darbietung von akustischer Reinheit ist, lässt sich ein gewisser Leiereffekt nicht abstreiten. Es fehlt an Höhepunkten, an greifbaren Momenten in der fast entrückt zu nennenden Darbietung, die zwar den Kontakt zu den Zuhörern sucht, aber diese nur zum Teil erreichen kann. Das sich mehrende Gefolge misst ORPHANED LAND mit interessierten Blicken, hält sich aber zu großen Teilen mit Reaktionen zurück. Zwerg, Schildmaid und Waldläuferin, letztere verliert trotz des ihr übertragenen würdevollen Amtes irgendwann den Zugang zu der Darbietung, leiden jeweils auf ihre individuelle Weise und so kam es wie es kommen musste... Der Versuch des Anführers sich an der Intonation gutturaler Zwergensprache zu wagen, endet schließlich in der abzusehenden Katastrophe - einer Revolte des barttragenden, kriegerisch veranlagten Volkes. Die Waldläuferin zieht sich von ihrem Verhandlungsposten zurück, um mit ihren treuen Gefährten die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Pläne für Auspeitschungen und Kreuzigungen werden geschmiedet, können jedoch nicht mehr in die Tat umgesetzt werden, da sich ORPHANED LAND nach ihrem kurzen Intermezzo auch schon wieder zurückziehen. Ein interessanter Auftakt für eine Schlacht die verspricht episch zu werden...

Für die Freunde weniger lyrischer Umschreibungen hier noch einmal in Kurzzusammenfassung: ORPHANED LAND lieferten einen soliden Auftritt ab, der vor allem mit seiner guten Soundqualität punkten konnte. Die schwere, teils doomlastige Kost im Verband mit der orientalischen Instrumentierung und arabisch geprägtem Gesang konnte jedoch nicht bei allen Zuschauern wirklich punkten. Die Israelis sind auf jeden Fall eine aus der Masse heraus stechende Abwechslung im Bereich der harten Musik, sind aber wohl für Europäer genauso schwer fassbar, wie Zeltfest-Romantik für Personen aus dem nahöstlichen Raum. Alles in allem ein solider Auftritt, die Musik ist und bleibt - schlicht und ergreifend - Geschmackssache. Damit übergibt die Waldläuferin wieder an den Zwerg, der bereits ungeduldig mit den Füßen scharrt und in Erwartung des kommenden Gemetzels seine schwere Streitaxt umklammert hält. Doch bevor es an die Berichte der noch kommenden Ereignisse geht, seien hier der Vollständigkeit halber noch (ohne Gewähr!) die fremdländischen Schlachtenfanfaren der Ostlinge vermerkt:

- All Is One
- The Simple Man
- Barakah
- The Kiss Of Babylon (The Sins)
- Brother
- El Meod Na'Ala
- Sapari
- In Thy Never Ending Way
- Norra El Norra (Entering The Ark)

[Anthalerero]

BLIND GUARDIAN:
Schon ganz zappelig in Erwartung des epochalen Blutfestes, gegen welches die Schlacht um Minas Tirith nur der Aperitif war, ist die Seele des Bergbewohners doch sehr erleichtert als uns der Aushilfsjesus nun verlässt und man endlich den wahren Göttern huldigen kann. Umbaupause, die letzte Stille bevor der Sturm losbricht, die Waldläuferin schärft noch ein letztes Mal ihr Schwert und unsere Schildmaid von Rohan wird wieder an die Front beordert, um das Ereignis für die Nachwelt ins rechte Licht zu rücken. Der Chor setzt ein, das Intro zu „The Ninth Wave“ vom wieder einmal einzigartigen, wenn jedoch technisch extrem überladenen „Beyond The Red Mirror“ – Album (zum Review) setzt ein. Schwerter und Äxte zum Himmel und der Allianz-Heerführer Hansi Kürsch betritt die Bühne, um uns durch zwei epochale Stunden zu führen. Der Opener des neuesten BLIND GUARDIAN-Werks zeigt sich leider nicht gerade als Live-Brecher, zu überladen wirken die Soundstrukturen und eine würdige Umsetzung des auf Vinyl genial atmosphärisch wirkenden Songs schafft man leider nicht. Doch davon lässt sich das Zwergenherz nicht trüben, denn schon mit „Banish From Sanctuary“ vom stilbildenden „Follow The Blind“-Longplayer erringt man den ersten großen Sieg in der Abenddämmerung und der erste Bergtroll fällt unter einem lauten Todesschrei zu Boden.

Das Talent großer Reden erbte unser Heerführer bekanntlich ja nicht von seinen Ahnen und auch heute ist so ziemlich jeder Song „etwas ganz besonderes für euch“ und in Sachen Stageacting war wohl immer noch kein Schauspielkurs am Programm. Doch all das ist nebensächlich, den Meister Kürsch macht das was er kann in voller Perfektion. Er führt uns mit glühender Stimme durch die Dunkelheit! In ebensolche fiel das Elbengeschlecht der Noldor vor langer Zeit und „Nightfall“ lässt uns wie immer die Gänsehaut stehen, welch todtraurige Romantik im Angesicht des Todes. Daraufhin folgt eine Überraschung, nicht dass der Balrog sich so leicht bezwingen ließ und unsere Waldläuferin sich aus seinem Kopf eine neue Lampe schnitzen möchte. Nein, „Fly“ vom unverständlicherweise von vielen Bewohnern Mittelerdes verschmähten „A Twist In The Myth“ (zum Review) erklingt von der Bühne und zeigt, dass dieses Album live all den Klassikern in keiner Weise nachsteht… No one ever dares to speak, it's, nothing else but fantasy, but one day it all will come to life! Nach einem kurzen Ausflug zu Michael Moorcock mit „Cry For Tanelorn“ zeigt „Phropecies“, dass „Beyond The Red Mirror“ doch auch trotz der technischen Ansprüche auf der großen Bühne funktioniert und siehe da unsere Schildmaid kehrt von der Front zurück. Im Blut des Feindes getauft und sichtlich genervt von den Künsten der Lichtorks, welche die ganze Front in Nebel und blendendes Licht tauchen und es ihr so nahezu unmöglich machten das Geschehen für die Nachwelt festzuhalten und als ob das noch nicht genug war, wurde sie auch noch nach schon zwei Liedern von einer Horde Security-Trollen verjagt. „Guardian, guardian, guardian of the blind…“ und egal ob Menschen, Elben oder Zwerge, jeder weiß was nun folgt. „The Last Candle Burns“ ist immer wieder ein Highlight in jeder BLIND GUARDIAN-Setlist. Knochen splittern, Köpfe rollen und als der Barden Spiel endet, verstummt auch kurz der Schlachtenlärm, es wird Zeit für eine äußerst seltene BLIND GUARDIAN-Akustik-Session.

Egal ob in voller Rüstung oder Akustik-Sechsaitiger und Minischlagwerk, die Qualitäten der Krefelder Power-Metal-Instituion sind heute wieder einmal überragend. „Miracle Machine“ entwickelt ganz neue Seiten und „A Past And Future Secret“ mutiert mit melancholischer Stille zu einer hoch atmosphärischen Erfahrung. Man kämmt sich das verkrustete Orkblut aus dem Bart und nutzt die Ruhe sich für die nächste Angriffswelle zu sammeln. „Welcome To Dying“ heißt es also für die Schergen Mordors auf unserer „Journey Through The Dark“ über die Tiefebene Gorgoroths hin zum Barad-dûr. Doch Licht bricht durch die schwarze Wolkendecke und zu „Imaginations From The Other Side“ stürzen sich die Adler auf Mordors Drachen, die Schlacht ist geschlagen und der dunkle Lord wieder einmal geschlagen. Doch kein Erfolg im Krieg ohne Triumphzug und so zieht unsere Allianz zu den majestätischen Klängen von „Wheel Of Time“ zur Zugabe ein. Fehlen uns doch noch einige Essentials aus dem Schaffen von BLIND GUARDIAN und unter dem Motto: „Das Beste kommt zum Schluss!“, bekommt das tapfere Heer noch ein Fressen zum Feste serviert, das die Herren Morias vor Neid erblassen lassen würde. „Valhalla“ lässt wie immer das Heer im Chor singen, der unverzichtbare „The Bards Song“ versprüht wieder seine einzigartige Magie und „Mirror Mirror“ bildet den krönenden Abschluss einer wieder einmal hervorragenden BLIND GUARDIAN-Show.

Setlist:
- Ninth Wave
 Banish From Sanctuary
- Nightfall
- Fly
- Cry For Tanelorn
- Phropecies
- The Last Candle Burns Acoustic 
- Miracle Machine
- A Past And Future Secret
- Welcome To Dying
- Journey Through The Dark
- Imaginations From The Other Side
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- Sacred Worlds
- Twillight Of The Gods
- Valhalla
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- Wheel Of Time
- The Bards Song
- Mirror Mirror

Allen BLIND GUARDIAN-Bashern und Krawallfetischisten sei am Ende noch gesagt: Egal wie schlecht man diese Band auch reden mag, die Power-Metal-Macht BLIND GUARDIAN ist nicht tot zu kriegen. Ob es um bombastische Alben oder perfekt inszenierte Shows geht, hier sind die ganz großen des Business am Werk und es bleibt zu hoffen, dass wir auf den nächsten Longplayer nicht wieder vier Jahre warten müssen!

Untertänigster Dank für die ins Bildsetzung des Schlachtengetümmels geht an unsere Schildmaid Tina. Weitere Kupferstiche könnt ihr in der Bildchronik zur Schlacht sehen!


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