Annihilate(!) - Krude Theorien & Bizarre Rituale
Bandinfo: Annihilate(!)
Genre: Grind Core
Label: Eigenproduktion
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Lineup | Trackliste
Im Zuge der Berichterstattung über "()" von SIGUR RÓS fragte sich ein Rezensent, "warum sie diese Musik machen", "was das überhaupt für komische Musik sei" und "warum man automatisch mit dieser Musik Schmerz assoziiert". Wenngleich die Antworten auf Fragen wie diese ins Leere laufen, so kann man bei SIGUR RÓS sicher gehen: Es ist nicht Fake oder Fashion, keine clevere Erfindung oder Kokettiere, ähnlich wie bei THE CURE oder PORTISHEAD. Die Isländer passen in eine Matrix der neuen Weltschmerzgeneration, eine Generation, die wie jede Generation vom dereinst sich nährt, in der Gegenwart sich aufsplittet, und in der Zukunft weiter darbt. Weltschmerz ist eine permanente Metamorphose.
Am Anfang wie ein sich verpuppender Körper, der sich nicht direkt verweigert oder versteckt, aber sich doch so weit, fast bist zum eigenen Verschwinden, zurückzieht, um dann in immer neuen, immer gewaltigeren und bombastischeren Wellenbewegungen Gestalt anzunehmen, eine Gestalt, die immer nur bis zum nächsten Zusammenbruch Gültigkeit hat. Das alles hat eine unfassbare Sound- und Gefühlswucht und besitzt daher wohl auch ein derart immenses Maß an irritierendem Pathos.
Aber es ist nicht nur Trance wie dieser nebulöse, kristallklare aus Island, oder das lavaartige Mäandern wie bei BOHREN & DER CLUB OF GORE- "Midnight Radio", wo man sich am liebsten über einem Dekanter genüsslich die Pulsadern schlitzen wollen würde. Auch das hektische Genre der "Krach- und Sachgeschichten" - THE LOCUST, ELEKTROKILL, M.A.C. OF MAD und andere - passt in diese strömende Matrix aus Nullen und Einsen, Ottos Mops kotzt. Anna Blume trägt den Hut auf den Füßen, hat einen Vogel.
"Dada bedeutet nichts. Wir wollen die Welt mit nichts ändern." sind zwei der Leitsätze des Dadaismus, sie machen ratlos und provozieren damit. Ein Stammellaut als Symbol des Ursprungs, ein Zynismus des großkotzigen Bohemiens gegenüber, Dada als Weltseele.
Eine ähnliche Antikunstrevolte liegt bei den österreichern ANNIHILIATE! vor, die, seit kurzem zwar mit Doktor Avalanche entmenschlichter als noch am Debüt "them", dafür mit Dr. Seus Narcotikovic um einen Tiefton reicher mit "Krude Theorien & bizarre Rituale" ihre persönliche Gegenbewegung zu Häppchen-und-Champagner-Vernissagen abliefern (wodurch beinahe immanent ist: Im Auditorium publicum funktioniert es besser als vereinsamt, in den eigenen vier Wänden.).
Der Ton - Sprache und Musik - wird hier zerstückelt und neu zusammengesetzt, während bei den Dadaisten "Verse ohne Worte" entstanden, weil man einen "eigenen Unfug" treiben wollte, so ist es hier nur die Akustik, die vorgaukelt, Lärm bar jedweder Worte oder Strukturen vorliegen zu haben und klingt dann nach einem geschrienen "Wolken" von Hugo Ball.
Schöpfung ist Zerstörung, ANNIHILATE! ist die Collage, die aus Fetzen entsteht, die Neu-Welt zirpt, gischt, gurrt. "Wenn die Ausführung dieser Klangkonstrukture andere Leute vor den Kopf stößt - umso besser", gibt man sich in einem älteren Interview fordernd, und vergleicht beinahe im selben Atemzug sich als Künstler mit Erbrochenem aus Schweineblut, Tabasco und Magensaft. War "them" dahingehend beinahe noch zögerlich - oder zumindest zugänglich - so ist der Zweitling schon weitaus verstörender, eine vergleichbare Entwicklung, die vor Jahren auch von Monolith zu Noisebazooka zu beobachten war. "Häng doch mal ein Bild auf" heißen 22 Sekunden dieses Deliriums, man fühlt sich unweigerlich an den einen Sketch von Loriot erinnert, wo ein schief hängendes Bild für allerlei Unruhe sorgt.
Das "Kind Gottes" kann nur ein Cherub sein, ein "Archetyphus" zwischen Mensch und Misere, der mit jedem neuen Leben den Samen des Unheils nur etwas tiefer ins Erdreich drückt und wassert. Das Ergebnis: Missklang inwendiger Unstimmigkeiten, die akustisch geformt und durch den Äther gepresst werden und Raum und Zeit in Form von Seifenblasen fluten.