Eskimo Callboy - Crystals

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VÖ: 20.03.2015
Bandinfo: ELECTRIC CALLBOY
Genre: Electro Metal
Label: Universal Music Austria
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Lineup  |  Trackliste

ESKIMO CALLBOY und ich, wo soll ich da bloß anfangen? Wohlwollend formuliert war das nie eine sonderlich innige Liebesbeziehung. Nicht mal eine Freundschaft oder dergleichen. Der abgrundtiefe Hass, der aus den Mündern einer Vielzahl von Geschmackspolizisten geiferte, war's allerdings auch nicht. Im Vorfeld zu "Crystals" hat die Castrop-Rauxel-Truppe sogar Angst darum, jene verloren zu haben. Angst darum, nicht mehr schocken zu können. Gar nicht so verkehrt, denn Reizfiguren nutzen sich heutzutage immer schneller ab, werden zu etwas Gewöhnlichem. Für Vollzeit-Provokateure heißt das im Klartext: Ab jetzt wedelt der Schwanz mit dem Hund. Oder anders ausgedrückt: Was können Sushi und Co., wenn der wilde Stilmix kaum noch aneckt und der Affront in's Leere zielt?

Man gibt sich zumindest Mühe, das allmählich schwindende Badboy-Image aufrecht zu erhalten. Aber einen deutschen Rapper für eine Kollaboration anzuheuern, ist schon seit der Zusammenarbeit zwischen CALLEJON und K.I.Z. kein allzu erfolgsversprechendes, Anstoß erregendes Rezept mehr. Damit kann man höchstens noch die adoleszenten und "Anti-Hip-Hop Alliance"-Shirt tragenden Wannabe-Rebellen erhitzen. Warum also "Best Day" mit SIDO? Der Bursche hinkt seiner früheren Hochform ja selbst im eigenen Genrekosmos schon seit langer Zeit hinterher. Mit "Wenn aus Raubkatzen Hello Kitty's werden" könnte man dieses Zweigespann wohl passend untertiteln.

Fans von ESKIMO CALLBOY kommen allerdings trotzdem voll auf ihre Kosten. Wer beim vorab zur Schau gestellten Titeltrack noch zittrige Knie bekommen hat, weil seine Lieblingstruppe dabei kaum auf die Electro-Elemente gesetzt hat, darf sich beruhigt zurücklehnen und folgende Entwarnung einrahmen: Den bandtypisch-hemmungslosen Synthie-Overkill gibt's auch auf "Crystals". Egal ob trancelastige Autotune-Hooks ("Pitch Blease", "Walk On The Thin Line"), Dubstep-Einspieler ("Baby") oder Rap-Beats wie im bereits angesprochenen "Best Day": ESKIMO CALLBOY sind sich wirklich für gar nichts zu schade, zeigen häufig aber auch eine ordentliche Portion Selbstironie ("Fick' deine Mudda du Hurensohn") sowie ein gewisses Talent im Songwriting: Nahezu jeder Song geht ins Ohr, jeder Refrain sitzt ähnlich akkurat wie im zur Abwechslung mal eher ernsten "Monster", jedes Riff wird sich fix in die Gehörgänge vieler Core-Fans sägen. Letztere wurden übrigens wie schon bei den Kollegen von CALIBAN auf "Ghost Empire" in den Tiefton-Bereich gedrosselt. War zu erwarten, denn wer im Metalcore-Bereich etwas auch sich hält, scheint zu diesem Mittel greifen zu müssen.

Im Gegensatz zu ihren Kollegen allerdings kann man ESKIMO CALLBOY auch auf "Crystals" noch von amerikanischer Stangenware unterscheiden. Wie genau sie das schaffen, weiß ich zwar nicht, aber der völlig bekloppte Stil-Mischmasch, den die Westfalen seit ihrem Debüt aus dem Jahre 2012 pflegen, wird vermutlich einen großen Teil dazu beisteuern. Meinen Respekt dafür haben sie mittlerweile, denn auch wenn die Eskimostricher auf "Crystals" nach ihrer Art und Weise auf Nummer sicher gehen, stechen sie in ihrer Nische immer noch wie ein bunter Hund heraus und überzeugen 2015 mit einer kurzweiligen, durchaus amüsanten Mischung aus modernem Metal, allen möglichen Electro-Stilgattungen und unverschämt eingängigen Hooklines, die wahrscheinlich nur noch Randfiguren so richtig aufstößt, aber einfach vieles richtiger macht, als sich dem Einheitsbrei anpassende Kapellen à la ANY GIVEN DAY, die schon ein RIHANNA-Cover brauchen, um überhaupt wahrgenommen zu werden.



Bewertung: 3.0 / 5.0
Autor: Pascal Staub (09.03.2015)

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