BABYMETAL - Babymetal

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VÖ: 29.05.2015
Bandinfo: BABYMETAL
Genre: Metal
Label: earMusic
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Lineup  |  Trackliste

Singende kleine Mädchen & harte Musik = BABY & METAL = BABYMETAL = WTF IS THAT!?

Ich muss gestehen, ich fand es noch nie so schwierig, ein Review zu schreiben.

Einerseits ist das, was man mit dieser CD aus dem Land der aufgehenden Sonne geliefert bekommt, etwas ganz Anderes, als man sonst zu hören bekommt, und man ist eigentlich nicht darauf vorbereitet. Das Ding überrascht, polarisiert, erzeugt einen „Aha“-Effekt, dann einen „Wow“-Effekt und als nächstes kommt der „Kotz-Brech-Würg“- Effekt.

Die Mädels und ihre harten Jungs im Background tun im Prinzip alles, was eigentlich verboten ist. Ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Rücksicht auf die Zuhörer, ohne Rücksicht auf den guten Musik-Geschmack. Da werden Genres gemischt und kombiniert, dass es zum Haare zu Berge stehen ist. Oder ist es doch eine Freude?

Wie gesagt, nach den ersten Songs war ich gefährdet, das Album meinen Sohn reviewen zu lassen. Für mich zählt er deutlich zur Zielgruppe: nicht ganz so alt wie die Sängerinnen aber interessiert an Girls und Metal. Tja – keine Chance. Der verweigerte beinhart. Also doch selbst ran an das Girl-Gequietsche und Gefiepe sowie die beinhart-rasanten Riffs und Death-Growlings.

Und plötzlich – nach dem sechsten oder siebten Mal anhören oder so - passierte es. Plötzlich findet man diese gecastete Girl-Group, die eine musikalisch hochqualitative Metal-Band im Hintergrund hat, gar nicht mal so schlecht. Und freut sich, wenn man das Gekreische und Geröhre im Auto voll aufdrehen kann und einen die anderen ansehen als .. naja… könnt ihr euch denken. Die frech-witzige Kombination aus Metal, NU-Metal, Death-Metal, sonstigem Rock/Metal, Japan-Pop, Disco und Frauenstimmen, die von piepsig bis zur Goth-Lady alles drauf haben, (noch dazu fast alles in japanischem Originalton), fährt auf eine ganz spezielle Art ein.

Dem hartgesottenen Metaller wird natürlich der Brechreiz hochkommen, wenn er Songs wie „Gimme Chocolate!!“ oder „Iine!“ hört, und das ist auch irgendwie verständlich. Andererseits darf man nicht vergessen, dass dies eine Band aus Japan ist, wir es mit einem vollkommen unterschiedlichen Kulturkreis zu tun haben, und daher das Songwriting unter völlig anderen Gesichtspunkten stattfand, als es hier oder in Amerika geschehen würde.

Schauen wir uns also das Material auf „Babymetal“ mal näher an. Es sind 14 + 1 Song („Gimme Chocolate!“ gibt es einmal als Studio-Aufnahme und einmal live).

Der Opener „Babymetal Death“ stimmt eigentlich nur ein, von den Girls ist fast nichts zu hören, sangtechnisch höchstens ein wenig Growling von einer Männerstimme. Musikalisch hingegen wird einiges geboten. Die Band ist echt nicht schlecht und zeigt, was sie alles drauf hat, sie lassen uns in diverse Richtungen schnuppern: es gibt Double-Bass-Attacken, Death, NU-Metal, Speed, Thrash…

Als nächstes dann „Megitsune“. Ein richtig schöner „Ich-kotz-mich-an“ Song für den Metal-Freak. Warum? Weil hier Metal mit japanischen Klängen und Elektro gemischt wird, sodass man nach einige Zeit nicht mehr weiß, ob das jetzt Pop mit Metalklängen ist oder umgekehrt. Auch die Mädels klingen nach Disco und wenn man den Gesang alleine anhören würde, würde man nie auf Metal tippen. Für alle, die nun ihr Japan-Musik-Wissen aufpeppen wollen – dieser Stilmix hat sogar einen Namen: Kawaii Metal.

„Gimme Chocolate!“ – dazu möchte ich eigentlich gar nichts sagen – schaut euch einfach das Video auf youtube an. Sagt alles. Zeigt alles. Und trennt die Spreu vom Weizen, will heißen den Feind vom Freund.

„IIne!“ Wieder Disco/Pop mit Keyboard. Okay, hier und dort härtere Gitarren und Growling. Der Singsang der Damen klingt gehetzt, als wäre Godzilla hinter ihnen her.

Hat man es bis hierher geschafft, wird es von Song zu Song besser bzw. man wird – wenn man nicht vollkommen auf Anti ist – überzeugt, dass die bisherigen Songs auch was konnten und eben andere Seiten bzw. Schaffensperioden von BABYMETAL zeigten. Man darf nämlich nicht übersehen, dass dies eine Ansammlung von Singles und B-Seiten aus mehreren Jahren ist – die Mädchen haben sich entwickelt, die Stimmen sind reifer geworden und das ist eindeutig aus den Songs zu hören. Wenn man die Songs besser kennt, kann man ihnen bald die Schaffensperiode aufgrund der Stimmlage zuordnen.

„Akatsuki“ hat zwar noch immer Keyboard dabei, klingt aber sehr heavy und der Gesang ist entsprechend gut. „Doki Doki Morning“ schlägt in eine ähnliche Kerbe, krass, schräg, Extrem-Keyboard, geile Riffs. „Onedari Daisakusen” fällt noch mal kurz ein wenig zurück, aber dann kommt “Song 4“ mit Speed und Wumm, oder das mit Double-Bass und fetzigen Solis voranpeitschende „Uki Uki Midnight“.

„Catch Me If You Can“ hat mich dann so richtig überzeugt. Diese Kombination aus deftigem Metal und dem Pieps-Girlie-Sound ist so krass und abwegig, dass er einfach schon wieder gut ist und im Endeffekt Metal-Party-Stimmung macht.

„Rondo Of Nightmare“ ist cool, ein wenig langsamer, nicht die volle Party-Stimmung, dafür mit vollem Double-Bass-Einsatz und tief gestimmten Gitarren. Gesang – ja, polarisiert, ich find ihn aber wirklich nicht schlecht. Erzeugt halt einfach eine andere Stimmung als üblich.

Sehr japanisch beginnt „HeadBangeeeeerrrr!!!!“ bevor der Song mit Vollgas loslegt. Irgendwo eine Mischung aus Industrial, ein wenig Thrash und was weiß ich noch. Einfach anhören – unten ist der Link.

Song Nr. 13 - Softe Piano Klänge und damenhaft-weich die ersten Takte gesungen. Da glaubt man an einen Schmusesong – falsch. Nach keiner Minute glühen die Finger bei den Gitarristen und beim Schlagzeuger die Füße. „Ijime, Dame, Zettai“ ist wie die anderen ein Fetzer. Abschließend hören wir noch „Road Of Resistance“ und die Live-Version von „Gimme Chocolate!!“ – ja, jetzt kann man bald selbst mitröhren oder –fiepsen und hat einiges gelernt.

Summa Summarum: Aufgehende Sonne trifft auf Westen – und der Westen schluckt mal und versucht das einzuordnen. Wird im Endeffekt zu einigen Feinden, aber auch vielen Freunden führen. Mittelweg gibt’s hier nicht, dieser Stoff polarisiert. Entweder man wird die Kombination aus Metal, Girl-Gepiepse, und Disco/Synthesizer lieben, oder das musikalische Ergebnis lässt einen schreiend davon laufen. Wer mit schräg, verrückt, abgefahren oder unmöglich kann, der wird hier voll auf seine Rechnung kommen, denn dieser Stoff ist nicht alltäglich und schon gar nicht westlich. Dass mehrere Schaffensperioden auf diesem Album zu finden sind, mag stimmlich auffallen, aber wir haben es eben mit dem Wachsen und Gedeihen eines Phänomens aus Japan zu tun.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Lady Cat (27.05.2015)

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