Machine Head - Unto The Locust

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VÖ: 23.09.2011
Bandinfo: MACHINE HEAD
Genre: Thrash Metal
Label: Roadrunner Records
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Zu dieser Veröffentlichung haben wir 2 Meinungen:

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Man mag mich ja als Ignoranten bezeichnen, aber bis auf das grenzgeniale Debütalbum „Burn My Eyes“ (und vielleicht noch eine kleine Brise von „The Burning Red“) wurden die Maschinenköpfe aus dem sonnigen Kalifornien stets überbewertet. Ganz im Gegensatz zu Frontmann Robb Flynn’s früherer Spielwiese VIO-LENCE, fehlte mir bei MACHINE HEAD immer die nötige Dosis Aggression und der letzte Punch, der einen an sich passablen Song eben zur durchschlagenden Granate gedeihen lässt. Doch als sich der kalte Winter 2007 zu Ende neigte, stellte das Quartett sein sechstes Album „The Blackening“ in die Regale und lieferte damit nicht nur das absolute Jahreshighlight im Hartwurstsektor, sondern drehte Millionen Begeisterte mit Krachern wie „Aesthetics Of Hate“ oder „Halo“ durch den akustischen Fleischwolf.

Viel Zeit ist seitdem ins Land gezogen. MACHINE HEAD haben zahlreiche Touren rund um den Globus ausverkauft, ihre Drogenprobleme längst ad acta gelegt und wieder recht lange am Nachfolger dieses fulminanten Groove-Thrash Monsters geschraubt. Dass viele Bands mit dem immensen Erfolgsdruck, ein Bombenalbum bestätigen zu müssen, nicht umgehen können, ist Fakt. Frag nach bei METALLICA (was war nach dem „Black Album“?), frag nach bei SLAYER („Seasons In The Abyss“ – danach die langjährige Sintflut). Nicht so hier. „Unto The Locust“ biegt nicht nur mit einem wirren Albumtitel um die Ecke, auch das Cover-Artwork erinnert mehr an die tuntigen PAPA ROACH, als an die Band, die uns das heißeste Thrash-Manifest des letzten Jahrzehnts kredenzte.

Aber, liebe Leute – let the music do the talking! Mehr braucht dazu eigentlich nicht gesagt zu werden. Lauscher aufsperren, Mucke einfließen lassen, staunen, huldigen, Repeat-Taste. Schon der opulente, in drei Kapitel aufgesplitete Opener „I Am Hell (Sonata In C#)“ treibt Fans beider Geschlechter das dickflüssige Klebesäftchen ins Höschen. Besinnlich choraler Sprechgesang als Einleitung, bretthartes Mosh-Geriffe zum Aufwärmen, melodiöse Licks samt tightem Drumming als Hauptgericht und Schädelspalter-Soundkaskaden vor dem akusisch-soloverzierten Epik-Ende. Chapeau!

Gleich darauf „Be Still And Know“. IRON MAIDEN lugen keck um die Ecke und das Gitarrenduo Flynn/Demmel beweist, dass man für einen amtlichen Breitwandsound weder Keyboardkitsch noch lieblose Samples benötigt. Anschließend schießen MACHINE HEAD das pulsierende „Locust“ in den Orbit, das die Reifeprüfung bei den Die-Hard Lunatics als Vorab-Auskoppelung schon recht souverän bestanden hat. Die bandtypischen Licks und die fast schon melancholische Eingängigkeit des Quasi-Titeltracks gleiten durch die Gehörgänge, wie das Messer durch die Butter. Trotzdem noch einer der schwächeren, weil berechenbaren Tracks auf dem Album.

Die getriebene Langsamkeit ausnutzend, lassen MACHINE HEAD „This Is The End“ beruhigt akustisch einfaden, bevor sich ein verspielter Grooveteppich samt Clean-Vocals Einlagen um den Hörer wickelt, um endgültig zu sagen: „Wir machen, was zur Hölle wir wollen!“ Dieses Statement führen die Amis auf dem ungewöhnlichsten Song des Albums weiter. „The Darkness Within“ ist eine obskure Mischung aus Spoken-Word Passagen, gitarrenlastige Ballade für Frauen mit dicken Eiern und BULLET FOR MY VALENTINE-Trendanbiederung. Bitte trotzdem nicht abschrecken lassen – das ungewöhnliche Liedgut besteht zumindest den profunden Langzeittest.

„Pearls For Swine“ vereinbart als einziger Track des Albums alle bekannten Stärken der Flynn’schen Truppe: eine massive Groovewand, knackig-fetzende Riffs und eine latent aggressionsgeladene, jedoch niemals wirklich angepisste Stimmlage, die sich mit dem wohl durchdachten Material gut vermischt. Vielleicht ist der Song gerade deswegen so berechenbar. Das wahre Highlight gibt’s zum Schluss. „Who We Are“ beginnt mit einem an PINK FLOYD erinnernden, gruselig-atmosphärischen Kinderchor, verwandelt sich dann in einen offensiv-thrashigen Dampfhammer, dessen Grundbotschaft „This is who we are / this is what I am / we have nowhere else to go / divided we will stand“ mannigfaltig interpretiert werden kann. Memorable Soloeeinlagen und die spartanisch, dafür aber wirkungsvoll eingestreuten SlowMo-Parts verwandeln den Album-Closer zum Übersong.

„The Blackening“ war ein Befreiungsschlag und Lebenszeichen, mit dem niemand rechnen konnte und der gerade deswegen seine einzigartige (Langzeit)Wirkung entfachen konnte. Der Überraschungsmoment ist nicht mehr auf der Seite MACHINE HEADs, aber „Unto The Locust“ hat – doch unerwartet – die zwei wichtigsten Voraussetzungen für ein weiteres Topalbum erfüllt. Es ist kein zweites „The Blackening“ und die Qualität ist vom Songwriting, über Produktion bis hin zur Umsetzung der Ideen erneut überdurchschnittlich geraten.

Da stellt sich doch die Frage, wie die Jungs fast zwei Drittel ihrer bisherigen Karriere mit austauschbarem Geschrammel zubringen konnten, wenn man innerhalb von nur vier Jahren, zwei völlig konträr zueinander stehende, aber beiderseits grandiose Alben in die Erdumlaufbahn schnalzt? Egal. Freuen, kaufen, hören – kein „The Blackening“-Fan mit Toleranzlevel wird’s bereuen.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Robert Fröwein (16.09.2011)

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