Satyricon - Satyricon
Bandinfo: SATYRICON
Genre: Black Metal
Label: Roadrunner Records
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Lineup | Trackliste
Der Sommer 2013 ist eine wahrlich gute Jahreszeit für Freunde des innovativen Black Metals. Kaum haben uns die schwedischen Teufelsschergen WATAIN mit ihrem neuen Opus Magnum „The Wild Hunt“ versorgt, legen SATYRICON ihr lang erwartetes, achtes Studioalbum nach. Wobei „nachlegen“ natürlich total falsch formuliert ist, denn im Endeffekt kann bereits jetzt gesagt werden, dass die beiden genannten Bands in diesem Jahr um das beste Black-Metal-Werk streiten werden. Was sie eint? Beide Combos haben sich einem Richtungswechsel hingegeben und versuchen das oft zurecht als langweilig kritisierte Genre zu erweitern, zu verbessern, interessanter zu gestalten. Satyr hat mit „The Age Of Nero“ eine Duftmarke im Mainstream gesetzt, sich aber fünf Jahre Zeit gelassen und die Ruhe genützt, um erstarkt zurückzukehren.
Wie man es vom Hobby-Weinhändler gewohnt ist, wiederholt sich das neue Album nicht. „Satyricon“ als Albumtitel strotzt vor Selbstvertrauen und dem Glauben an das eigene Tun. Das mit monotonen Kickdrum-Schlägen einleitende „Voice Of Shadows“ verkündet Epik, Erhabenheit und Grazilität. Die sich durch die Gehörgänge wühlende Gitarrenmelodie könnte dem Klischee-Black-Metal ferner nicht sein und gerade darin liegt wohl auch das Geheimnis des SATYRICONschen Erfolgs – das bewusste Gegensteuern gegen Genre-Dogmen erzielt den gewünschten Erfolg. Anhänger der Norweger werden sich aber speziell mit der ersten Hälfte des Albums erst warmlaufen müssen. Das auf Norwegisch vorgetragene „Tro og Kraft“ ist verdammt bedrohlich. Slow-Tempo-Gitarren, Satyrs semiaggressives Gekeife und die stark nach Blumentopf-prügeln klingende Doublebass von Drummer Frost (optisch mittlerweile übrigens ein Quasi-Double des mexikanischen Action-Helden Danny Trejo) versprühen eine unangenehme und gerade deshalb eindringliche Atmosphäre.
Satyr wollte stärker zurück zum Ursprung und dass „Satyricon“ in einer abgeschiedenen Waldhütte aufgenommen wurde, ist nicht nur verdammt Old-School-Black-Metal (m/!), sondern auch zu jeder Sekunde hörbar. Auf „Our World, It Rumbles Tonight“ ziehen die Jungs erstmals an der Temposchraube und galoppieren mit feurigen Riffs durch die akustische Botanik. Verdammt böse. „Nocturnal Flare“ ist dann schon so etwas wie ein richtiges Band-Masterpiece. Wieder sehr langsam und bedrohlich, mit massenhaft Doom-Anleihen ausgestattet kann Satyr einer gewissen Trendanbiederung hier nicht gänzlich entkommen. Die hymnischen Chöre und herrlich sperrige Gitarrensoli sorgen für besonders hohes Aufsehen. Unglaublich, dass diese Band einst für „The Shadowthrone“ verantwortlich zeichnete. Für offene Münder wird mit Sicherheit auch „Phoenix“ sorgen – hier sorgt MADRUGADA-Sänger Sivert Høyem für Alternative-Rock-Feeling. Ein immens druckvoller und verdammt mutiger Song der Band.
Interessanterweise verzeichnen SATYRICON dann ab „Walker Upon The Wind“, dem Beginn der zweiten Albumhälfte, eine komplette Stilwandlung und rücken sogar in die eigene Vergangenheit zurück. Zuvor genannter Track gehört nämlich zu den absoluten Album-Highlights, stößt bewusst in rasant-memorable Schwarzwurzel-Gefilde und könnte eine Melange aus „Volcano“- und „Nemesis Divina“-Material sein. Vor allem die schnitten Gitarrenriffs und die allgemein puristische Instrumentierung werden Old-School-Fans zum Sabbern bringen. „Nekrohaven“ ist dann der perfekt auf den vorhergehenden Song aufgebaute SATYRICON-Stampfer der Marke „K.I.N.G.“. Rollend, eingängig und mit einem rotzigen Punk-Vibe ausgestattet, werden auch hier die Fahnen der alten Zeiten hochgehalten. Nicht genug von Geschwindigkeitsausritten hält sich auch „Ageless Northern Spirit“ nicht lange mit Sperenzchen auf, sondern geht gleich in die Vollen. Rohe Doublebass-Teppiche, unrhythmische Klampfenläufe und die bedrohliche Aura des Geheimnisvollen.
„The Infinity Of Time And Space“ ist gegen Ende hin noch einmal das epische Trademark dieses genialen Werkes. Hier ist genug Platz für ausuferndes Geprügel, als auch für wohlig-entspannendes Akustik-Gejamme. Es ist im Endeffekt eine perfekte Zusammenfassung der letzten zehn SATYRICON-Jahre. Eine Band, die sich bewusst zwischen alle Stühle setzt und dabei so innovativ und gedankenvoll agiert, dass selbst aus den größten Risiken Erfolge entstehen. Das abschließende Instrumental „Natt“ geleitet den Hörer schließlich sanft aus dem musikalischen Abenteuer hinaus, hat aber auch so manch überraschende Wendung zu bieten. „Satyricon“ ist tatsächlich das abwechslungsreichste und – erneut – mutigste Album des norwegischen Kult-Duos. Mehrere Hördurchläufe seien dringend empfohlen, denn leicht zu konsumieren ist hier so gut wie gar nichts. In der Entwicklung der Band ein interessanter nächster Schritt. Bleibt nur zu hoffen, dass Satyr wieder mehr Lust auf Livekonzerte kriegt, sonst enden die beiden noch wie DARKTHRONE (darüber lest ihr am besten in unserem ausführlichen Interview mit Satyr). Viel besseres als dieses Album gibt’s für aufgeschlossene Schwarzheimer zur Zeit aber nicht zu kaufen. „Satyricon“ ist eine monumentale Reise in eine sphärische Abwegigkeit. Schwer, aber stark.