FATES WARNING - Darkness In A Different Light

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VÖ: 27.09.2013
Bandinfo: FATES WARNING
Genre: Progressive Metal
Label: Inside Out Music
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Lineup  |  Trackliste

Neun Jahre sind eine lange Zeit, und der Metal-Sektor hat sich in dieser Zeit einmal mehr selbst umgekrempelt. Nichtsdestotrotz setzen die Ami-Prog-Haudegen von FATES WARNING mit ihrem elften Studioalbum in etwa da an, wo sie mit "FWX" (2004) aufgehört haben. Aber eben nur in etwa. Mastermind Jim Matheos hat sich zwischendurch die Zeit mit seinem O.S.I.-Projekt vertrieben und eine bemerkenswerte Platte mit Fates-Ursänger John Arch aufgenommen. Und von genau dieser Scheiblette zehrt auch "Darkness In A Different Light". Man hört bereits beim ersten Durchlauf , ja schon beim eröffnenden "One Thousand Fires", dass es diesmal wieder einen Zacken kompromissloser und Metal-lastiger zur Sache geht. Es wird aber trotzdem mehrere Abende bei Kerzenschein und Rotwein benötigen, um sich mit der etwa einstündigen Progressiv-Eruption hier auseinander zu setzen. Zur Feier des Tages hier die Songs im Detail:

One Thousand Fires
Erinnert gleich zu Beginn mal an die ARCH/MATHEOS-Sachen - so abrupt hat noch kein FW-Album begonnen. Eines ist hier gleich mal klar: der Metal ist zurück im Fates-Sound, und das ist gut so. Der Refrain ist zurückhaltend, der Song-Aufbau schon etwas offensiver: möglichst viel Facetten in möglichst kurzer Zeit unterbringen ist die Devise, aber darin war Jim Matheos ja immer schon gut. Das Solo im letzten Drittel ist kurz, aber delikat und typisch FW. Als Opener optimal, weil es den Hörer gleich mal in Medias Res zieht.

Firefly
Die Single, als Stream bereits vorab im Netz erhältlich. Irgendwie fühlt man sich in "Inside Out"-Zeiten zurückversetzt, als der Fates-Kosmos plötzlich zuckerlrosa war, die Smash-Hits den Amis nur so aus den Fingern liefen und Jim Matheos am Höhepunkt seines Kommerzes war. Gottseidank bildet der eingängige, unspektakuläre Groover hier die Ausnahme, denn bei aller Liebe - von diesem straighten Zeug haben wir in den letzten zwanzig FW-Jahren genug gehört. Hier rettet die geniale Gitarrenarbeit den Song grade noch vorm Mittelmaß.

Desire
Der erste Höhepunkt. Keine andere Band schafft es, Melancholie mit eingängigen Riffs und Hooks so zu vereinen, dass am Schluss kein Song entsteht, sondern ein Gefühl. Der Refrain ist absolut außerirdisch, obwohl im Prinzip eigentlich ziemlich einfach. Das in Moll gehaltene Feeling und die großartige Schlagzeugarbeit von Bobby Jarzombek, die wieder erstarkten Vocals von Ray - wir hören hier FATES WARNING in Reinkultur, progressiv, eingängig, einmalig und echt fett.

Falling
Gottseidank diesmal die einzige Ballade, ganze eineinhalb Minuten lang. Also eher ein Zwischenspiel, das den Boden für das folgende "I Am" bereitet und den ansonsten immer etwas düsteren Songfluss am Ende ein wenig versöhnlich auflockert. Und Ray schmachtet hier wie schon lange nicht mehr.

I Am
Der zweite Höhepunkt. "I Am" hätte auch auf "FWX" stehen können, das ist eines dieser typischen Songkonstrukte, an denen man eine Band eindeutig erkennt. Obwohl man in der Bridge ein wenig vom Thema abdriftet, der Refrain ist wieder mal kurz aber äußerst delikat. Mitunter die beste Gitarrenarbeit auf diesem Album, auch wenn sie ein wenig an "One" erinnert. Aber nach elf Alben darf sich auch ein Herr Matheos mal wiederholen. Klasse Nummer!

Lighthouse
Ähnlich wie bei "River Wide Ocean Deep" fehlt hier komplett der Rhythmus - und genau das macht diesen Song aus. Jim Matheos beherrscht die Kunst, in einem Lied solange Spannung aufzubauen, bis man vor lauter Erwartung beinahe durchdreht - nur um ihn dann entweder plötzlich enden zu lassen, oder uns einfach die Pointe vorzuenthalten. Beides passiert hier, und trotzdem ist "Lighthouse" mit seinem tiefsinnigen Text einer der besten Songs des Albums. Ich weiß nicht warum, vielleicht ist es einfach nur die pure Magie?

Into The Black
Dieser eher unspektakulär erscheinende Track entpuppt sich nach mehreren Durchläufen als echter FW-Standard. Nicht nur wegen des Refrains, der sofort hängen bleibt. Es ist einer dieser Songs, den man nach einmal Hören bereits mitsummen kann, und es ist einer der metallischsten Tracks, den die Burschen seit langem abgeliefert haben. Keine Experimente, keine Kompromisse, einfach geradeaus auf die Glocke - und trotzdem immer schön neben dem Mainstream.

Kneel And Obey
Der dritte Höhepunkt. Besser kann man FW anno 2013 eigentlich nicht definieren: groovy, geniale Gitarren, irgendwo mittendrinnen diese ALICE IN CHAINS-Vibes, ein Refrain der einem abseits der regulären Taktparameter trotzdem voll reinfährt. Düster orakelt Ray Alder über allem "bow down and pray" - und insgesamt ist es wahrscheinlich der härteste Song hier, vor allem gemessen am Solo und dem PANTERA-Riff das danach folgt.

O Chloroform
Dieser auf den ersten Blick eher niedliche Song geht eigentlich auf das Konto von Kevin Moore (ex-DREAM THEATER, O.S.I., CHROMA KEY). Das Riff klingt vertraut? Vielleicht. Hier zeigt sich, wie sehr sich Side-Projects auf die Haupt-Combo auswirken können, denn das alles könnte - die Vocals mal weggelassen - auch auf einem O.S.I.-Album gestanden haben. Aber letztendlich ist "O Chloroform" ein wenn schon nicht mitreißender, dann wenigstens charmanter Song mit genügend FATES WARNING-Trademarks .

And Yet It Moves
Was wäre ein FATES WARNING-Album ohne den obligatorischen Longtrack? Eben. Vom Aufbau erinnert der Vierzehnminüter ein wenig an "Still Remains", und im Endeffekt kommen hier alle Fates-Maniacs auf ihre Kosten: progressive, klassische Akustik-Tunes, ein eingängiger Song-Kern, mittendrin plötzlich die Wende, dann der zweite Akt, der den ARCH/MATHEOS-lastigen Song dann doch noch in die richtige Richtung kippen kann. Ganz großes Kino, und der vierte Höhepunkt.

Fazit: Die Experimente mit O.S.I. und John Arch haben dem FW Sound hörbar gut getan. Trotzdem können FW auch heute noch innovativ arbeiten, ohne den eigenen Sound zu verleugnen. Die Rückkehr von Frank Aresti ist zweifelsohne eine Offenbarung, und Bobby Jarzombek bringt nicht nur frischen Wind in die Band, sondern dreht das Rad von jazzigen Prog-Experimenten wieder dorthin, wo es eigentlich hingehört: in den Progressive Metal, an dessen Erfindung FATES WARNING ja nicht ganz so unschuldig sind. Eine bessere Scheibe hätten die Burschen aus Connecticut unter diesen Umständen nicht abliefern können, auch wenn "Firefly" ein wenig im Niveau absackt. Deswegen - und nicht etwa wegen irgendeiner Voreingenommenheit - gibt's auch die volle Punktezahl!



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Mike Seidinger (16.09.2013)

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