Obsidian Chamber - Der Uhrwerkmann

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VÖ: 18.10.2013
Bandinfo: Obsidian Chamber
Genre: Dark Metal
Label: Terrasound Records
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Lineup  |  Trackliste

Heute versuchen wir uns bei STORMBRINGER.AT mal als Gentechniker, kreuzen wild zweierlei völlig unterschiedliche Bands und schauen, ob etwas gescheites dabei herauskommt. Alles für die werte Hörer- und Leserschaft, denen die herkömmlichen Genrekonventionen zu langweilig geworden sind. Nehmen wir mal CANNIBAL CORPSE und MANOWAR? True Metal mit "Corpsegrinder" Fisher an den Vocs? Neeein, wird verworfen... Wie wärs mit BEHEMOTH und HELLOWEEN? Vielleicht tut man ja den Deris-Hassern etwas Gutes damit. Aber Happy Metal mit Nergal? Nein, aussortieren, nicht gut. CRADLE OF FILTH und RAMMSTEIN?? Geht gaaaar nicht...oder doch?Abartig, aber irgendwie faszinierend, das behalten wir!

Was der Autor mit dieser merkwürdigen Einleitung zu sagen versucht, ist, dass anscheinend unmögliche Verbindungen tatsächlich funktionieren können. Denn OBSIDIAN CHAMBER erschaffen mit "Der Uhrwerkmann" ein absolut stimmungsvolles und knallendes Dark Metal Album, was den rasend schnellen Symphonic Black Metal von CRADLE OF FILTH mit astreinem RAMMSTEIN-Gesang verbindet. Zwei Elemente, die man sich eigentlich kaum als Einheit vorstellen kann, die aber doch besser miteinander harmonieren als vermutet.

Im Detail: Die musikalischen Grundstrukturen könnten tatsächlich aus einem Örtchen namens Suffolk stammen und von einem Herrn Allender komponiert worden sein. Die Stücke sind meist im blastaffinen Uptempo gehalten und werden von überaus dominanten Keyboard-Orchestrierungen getragen, die melodisch genau das düster makabere Wechselspiel zwischen simpler Eingängigkeit und Horrorfilmästhetik zelebrieren, welches CRADLE ab "Midian“ aufwärts als eines ihrer Markenzeichen etabliert haben. Möchte man ein CRADLEsches Gegenstück zu dem "Uhrwerkmann" nennen, so darf es ob der durchgängig hohen Geschwindigkeit am ehesten "Darkly Darkly Venus Aversa" sein. Dabei schaffen es die Österreicher wie ihre britischen Vorbilder eine solche Menge Details in ihren Song- und Klanggerüsten zu verstecken, dass es auch nach dem zwanzigsten Durchlauf immer noch etwas neues zu entdecken gibt. Darüber hinaus orientiert man sich zu weil an der Wiener Klassik wie beim absolut herrausragenden "Erlkönig", nimmt diese aber im Gegensatz zu der atmosphärisch ähnlich gelagerten österreichischen Band ANGIZIA lediglich als Ergänzung anstatt als Grundlage. Ein Vorteil im Songwriting von OBSIDIAN CHAMBER ist, das man im Vergleich zu anderen Black-Bands deutlich refrainorientierter zu Werke geht. Bei aller Komplexität bietet also jeder Song ein beeindruckendes Maß an Wiedererkennungspotential. Und diese Refrains haben es in sich: Große Melodien wie beim Übersong "Hunger" oder beim epischen Abschluss "Wiedergänger" treffen auf Aggression wie beim Titelstück oder selten benutztes, aber dafür um so wirkungsvolleres Gekeife wie in "Die Schleimgeborene". Ob der dadurch resultierenden Härte rückt man hier und da in die Nähe von EISREGEN oder dessen seichteres Pendant NACHTBLUT, ohne jedoch lyrisch zu arg über die Stränge zu schlagen. Dennoch bietet man keine leichte Kost, Themen wie Sklaverei und Kannibalismus finden sich in fast jedem Stück.

Und dann ist da noch Sänger Grym, der sich tatsächlich wie ein Stimmenzwilling Till Lindemanns anhört. Wirklich, jede dritte NDH-Band orientiert sich stimmlich an RAMMSTEIN, is klar, aber Grym ist vom Timbre, Melodik und der Intonation so nah am Vorbild, dass es schon fast gruselig ist. Auch wenn er sich eher an der Exzentrik eines Stückes wie "Wiener Blut" (pun intended?) orientiert als an den industriallastigen Frühwerken. Die Parallelen sind dennoch omnipräsent, gesanglich wie lyrisch, und auch wenn man ihm bis zu einem gewissen Maße Plagiatvorwürfe entgegenbringen kann, so muss man ihm dennoch zugestehen, dass seine Performance ebenso Weltklasseniveau erreicht wie die Lindemanns.

Passen beide Extreme also Zusammen? Sie bilden zumindest eine makaber-faszinierende Einheit, die nach wenigen Durchläufen schon süchtig macht. Und mehr. Denn wenn man sich an die Fakten "RAMMSTEIN-Stimme ohne Industrial und CRADLE-Geballer ohne filthiges Gequietsche, aber unisono" erst mal gewöhnt hat, so kommt man in den Genuss eines der besten Dark Metal Alben des Jahres.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Christian Wilsberg (01.12.2013)

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