OPETH - Pale Communion

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VÖ: 22.08.2014
Bandinfo: OPETH
Genre: Progressive Rock
Label: Roadrunner Records
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Lineup  |  Trackliste

"Heritage" war sicher kein schlechtes Album. Aber der abrupte Stilbruch und die teils sehr fordernden Songs haben einen Großteil derer vergrault, für die OPETH immer Death Metal mit progressivem Einschlag war. Aber gut, dass es noch Bands gibt, die auf Erwartungshaltungen scheißen, sich auch nach zwanzig Jahren immer noch weiterentwickeln und aus ihren Fehlern lernen. Chefdenker Mikael Akerfeldt ist sich mittlerweile klar, dass er mit seinem Ausflug in jazzig-retrorockige Sphären kreativ in eine Sackgasse gefahren war und ist nun bemüht, den Karren möglichst ohne Kollateralschaden wieder retourzusetzen. Das gelingt ihm - wie immer - relativ charmant, denn "Pale Communion" ist stilistisch zwar meilenweit von unsterblichem Zeug wie "Ghost Reveries" entfernt, hat aber mehr mit "Damnation" oder "Watershed" gemeinsam als mit dem ungeliebten "Heritage", von dem nur die guten Ansätze weiter verwurstet werden. Die Produktion ist angenehm warm und transparent, nichts wirkt überladen und jeder Part in den Songs ist schlüssig, man spart sich bewusst die psychedelischen Zickzack-Fahrten. Martin Axenrot hat sich hier mit seinem fragil-groovigen Spiel endgültig in die Unsterblichkeit getrommelt, Keyboarder Joakim Svalberg feiert einen tollen Studio-Einstand und steuert ein paar Orgeleien für die Ewigkeit bei, und auch sonst hat das Quintett mittlerweile keine Schwanzvergleiche mehr nötig. Hier die Songs im einzelnen:

Eternal Rains Will Come: Mit Augenzwinkern schocken OPETH den Hörer mit einem Intro im "Heritage"-Style, aber keine Angst - der Song führt über entrücktes Piano und ein Retro-Hammond-Riff zum Niederknien in eine mehrstimmige Gesangskaskade. Dass der Track keinen Refrain hat und auch sonst nicht gerade nach Nullachtfuffzehn strukturiert ist, ist typisch, stört aber bei einem Opener dieser Bandbreite nicht weiter.

Cusp Of Eternity: Dieser flotte und relativ eingängige Song ist erstaunlich straight und hat trotz einiger progressiver Hooklines einen klar nachvollziehbaren Aufbau. Dadurch entwickelt sich der im Gesamtkontext "härteste" Track fast im Handumdrehen zum Ohrwurm, den man immer und immer wieder hören mag.

Moon Above, Sun Below: Das mit knapp elf Minuten längste Stück ist auch gleichzeitig das zentrale Meisterwerk von "Pale Communion". Mysteriös gemahnt der Anfang, mit harter Hammond/Gitarren-Hook und groovigem Unterbau. Die immer schlüssigen Melodiefolgen sind ein Beispiel dafür, wie ausgreift Akerfeldts Songwriting mittlerweile ist, das Auf und Ab verschiedener Stimmungen ist urtypisch OPETH. Der unerwartete Bruch in der Mitte macht die Sache noch mal spannend und verpasst dem Stück so zwei verschiedene Teile. Großartiger Song!

Elyisian Woes: Der traurige, getragene Track, der unter die Haut geht, schließt stimmungsmäßig an das Ende von "Moon Above..." an und ist der Prototyp einer OPETH-Ballade. Einige Parallelen zu "Burden" vermag man auszumachen, insgesamt geht der Song angenehm und erstaunlich unspektakulär ins Ohr, ohne dabei aber an Klasse einzubüßen.

Goblin: Das witzige Instrumental ist eine Hommage an die italienische Prog-Band gleichen Namens und verknüpft perfekt die psychedelische und die progressive Komponente von OPETH. Ab und zu erinnert der Parforceritt in seiner Virtuosität ein wenig an EMERSON, LAKE & PALMER (auch das Covermotiv lässt einen an "Pictures At An Exhibition" des Power-Trios denken) und ist trotzdem flockig locker anzuhören.

River: Die positive Stimmung bleibt auch bei diesem Siebeneinhalb-Minüter aufrecht, fast schon beiläufig plätschert der von Akustik-Klampfen getragene Song mit ein wenig Folk-Touch vor sich hin, bis sich Akerfeldt in einer GENESIS-Gedenk-Veranstaltung ergeht, "River" zwischenzeitlich in gediegenen Retroprog-Bombast mündet, und von dort in ein Finale, wie es eben nur OPETH zustande bringen.

Voice Of Treason: Der wohl ungewöhnlichste Song auf dem Album, denn hier arbeitet die Band mit Orchester und kreiert so einen Sound, der Kriminalfilmen aus den Siebzigern auch gerne als Backgroundmusik gedient hätte. Hier trägt Mikaels Gesang - der übrigens immer besser wird - den halben Song. Spätestens hier sollte man verstanden haben, dass Death-Growls bei OPETH nichts mehr verloren haben - und das ist gut so. "This Is Treason!" orakelt der kauzige Akerfeldt entrückt und mit massig Hall am Mikro, und der unkonventionelle Takt, der durchaus vereinnahmende Groove und ein paar orientalische Versatzstücke erfüllen diesen Achtminüter schnell mit Räucherstäbchenduft und Lavalampen-Optik.

Faith In Others: Getragen endet "Pale Communion", nachdenklich und melancholisch - und gottlob nicht schräg und dissonant. Auch hier kommen Streicher zum Einsatz und ein gar herzallerliebstes Klavier, auch hier ist der GENESIS-Einfluss nicht zu überhören. Ein wunderschöner, fast schwebender Abschluss, der am Ende vor Pathos fast noch mal kurz überzugehen droht. Steven Wilson, fast schon so etwas wie das sechste Bandmitglied, hält den Song übrigens für das beste, was Mikael je geschrieben hat.

"Pale Communion" - bereits das elfte Studioalbum in der abwechslungsreichen Diskografie der Schweden - ist am Schluss weder ein Kompromiss, noch ein Spagat zwischen zwei Alben, und schon gar nicht die Schnittmenge aus irgendwas. Es ist einfach nur das beste Album, das OPETH an dieser Stelle ihrer Karriere machen konnten, und jeder Song ist ein Volltreffer. Es bleibt also spannend.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Mike Seidinger (28.08.2014)

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