Metallica - Some Kind Of Monster (10th Anniversary Edition)

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VÖ: 12.12.2015
Bandinfo: METALLICA
Genre: (nicht klassifizierbar)
Label: Universal Music Austria
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste

Es gibt sie, die Bands, die in ihrer eigenen Liga spielen, ihre Nische etablieren konnten, Legionen an Fans an sich binden konnten und kommerziell erfolgreich sind. Bands, die ihre Entwicklung nicht nur absolvierten, sondern gleichsam zelebrierten und ihren Fans in Zuge des Entwicklungsdrucks und -drangs einiges an Offenheit, Toleranz und Geduld abverlangten. METALLICA ist eine jener Bands, die diese Gratwanderung, diesen Spagat zwischen Genie und Kommerz, musikalischer Rohrkrepiererei und Geniestreichen meisterten und entgegen aller Unbill über drei Dekaden ihre riesige Fanschar konsolidieren und vergrößern konnten. Und selbst Couch-Kritiker und ewig gestrige Nörgler kann die Band durch ihre unbändige Spielfreude und Klasse auf den Bühnen dieser Welt bekehren. Jeder Fan, der in der Ära 1983-86 verhaftet ist, muss dennoch den Werdegang und die Entwicklung dieser Band zumindest im Zeitraum 1986-91 goutieren bzw. zumindest mitverfolgen und auch die letzten knapp 25 Jahre, in denen die Band traurige vier Studioalben zustande brachte (davon mit "Reload" ein äußerst durchwachsenes und mit "St. Anger" ein Versageralbum) zumindest ob ihrer Liveleistungen würdigen.

Dem Durchbruch mit "Master Of Puppets", dem sperrigen "...And Justice For All" und dem gleichnamigen Kommerzsenkrechtstarter in Schwarz folgend, schlitterte die Band im Zuge des immensen Erfolgsdrucks, dem zweifellos guten "Load" und dem weniger guten "Reload" in eine echte Identitäts-, Kreativitäts-, Sinn- und Bandkrise. Zeugnis darüber legte seinerzeit "Some Kind Of Monster" ab, das die Bandsituation und -befindlichkeit der größten der neuzeitlichen Heavy-Metal-Bands eindrucksvoll dokumentierte und nun als Re-Release auf den Markt kommt. Die Band, die ehemals stock und steif behauptete, nicht einmal einen Videoclip produzieren zu wollen, zog auf diesem einmaligen Zeitdokument emotional und seelisch blank.

Die Bandbreite der Gefühlspalette spiegelt dabei beim Zuschauen die Befindlichkeiten der Agierenden in erschreckender Weise wieder. Egal ob beim Seelenstriptease von Dave Mustaine, der viel dafür geben würde, die Zeit noch einmal zurückdrehen zu können oder beim wutentbrannten Zuknallen der Studiotür von James Hetfield - es ist faszinierend, wie einem als Voyeur bei diesen teils tiefen und berührenden Einblicken der sprichwörtliche Kloß im Hals stecken bleibt und man reflexartig aus dem zur Schau gestellten, mit physischer Nähe, teils verletzender Ehrlichkeit und beklemmender Betretenheit vollgepackten Psychogramm flüchten will. Gleichsam ist es zutiefst menschlich wie auch befremdlich, echte Rockstars und Megaseller als fragile, von Themen wie Kontrolle, Manipulation, Frustration oder Angst beherrschte Menschen zu erleben, die sich exponieren und gleichzeitig intime Einblicke in ihr Privatleben gewähren (so sieht man die Band etwa mit ihren Kindern oder erlebt sie bei der Ausübung ihrer Hobbies).



Im Zuge des Einspielens des damalig aktuellen Albums "St. Anger", das sich nicht nur ob seiner schrottigen Produktion zu einem Totalstinker mauserte, kommen auf dieser Dokumentation viele Bandinterna zu Tage. James' Alkoholprobleme, sein Ausstieg und der schwere Weg zurück in die Band werden dabei ebenso wenig ausgespart wie das delikate Bandgefüge, das seine Dualität insbesondere in der Beziehung und langjährigen Freundschaft zwischen einem schauspielenden Ulrich und einem redneckartigen Hetfield findet, die gleichsam Grundstein, wie auch Garant für den Erfolg und die Kontinuität der Band und andererseits auch Hauptkonfliktpunkt war.

Klar wird allerdings auch, dass gerade die Genannten über große Egos verfügen und sich Kirk Hammett in der Rolle sichtlich wohlzufühlen scheint, sich in gediegener Zurückhaltung zu üben. Sensible Themen wie Mustaine, die Napster-Debatte und auch das unfreiwillige Ausscheiden von Basser Jason Newsted (samt späterer Suche nach einem neuen Viersaiter) werden thematisiert, ein Mediator sorgt dafür, dass die Band halbwegs auf den Beinen bleibt und auch die restlichen Jahre bis zu heutigen Headlinergigs überstehen konnte. Der Schnitt des Film ist sehr gelungen, die Studio- und Diskussionssequenzen werden homogen und abwechslungsreich von Live- und sonstigen Aufnahmen ergänzt, den Regisseuren wurden seitens Presse und Fans eingeheimsten Lorbeeren nicht umsonst zuteil.

Der Re-Release dieser DVD zum zehnjährigen Veröffentlichtungsjubiläum kommt im Doppelpack mit zahlreichen, insgesamt rund 25 Minuten dauernden Features, Behind-The-Scenes-Material, dem "Some Kind Of Monster"-Videoclip bis hin zu völlig überflüssigen Regisseur-Biografien. Eher nur für Fans und Komplettisten ein Thema. Für alle, welche den Hauptfilm bislang noch nicht kannten, darf anlässlich der Neuauflage die unbedingte Empfehlung ausgesprochen werden, sich diesen tollen Einblick hinter die Kulissen einer der größten Metalbands der Welt nicht entgehen zu lassen! Die Doku zeigt eine Band an einem weiteren Scheitelpunkt ihrer Karriere, sowie einen echten Seelenstrip im Wechselspiel zwischen kommerzieller Vermarktung und intimem Einblick in das augenscheinlich fragile Bandgefüge, der gleichsam befremdlich wie faszinierend ausgefallen ist. "Some Kind Of Monster" macht aber auch erinnerlich, dass die Band zwar bühnentechnisch bis dato megamäßig abräumt, aber dennoch mit einem neuen Studioalbum mehr als säumig ist ("Death Magnetic" erschien immerhin vor sieben Jahren!).



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Thomas Patsch (29.01.2015)

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