The Agonist - Eye Of Providence

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VÖ: 23.02.2015
Bandinfo: THE AGONIST
Genre: Melodic Death Metal
Label: Century Media Records
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Lineup  |  Trackliste

2014 war ein turbulentes Jahr für THE AGONIST: Nach dem doch überraschenden Wechsel von Fronterin, optischem Aushängeschild und Ober-Tierschützerin Alissa White-Gluz zu ARCH ENEMY haben wohl viele (mich eingeschlossen) die kanadischen Modern-Deather schon abgeschrieben. White-Gluz ist nämlich nicht nur stimmlich, sondern auch charismatisch und optisch nur schwer zu ersetzen.

Nach langem Suchen und Zweifeln wurden sie mit der vormals unbekannten Vicky Psarakis fündig und „Eye Of Providence“ ist das erste Album mit der neuen Fronterin. Und die erste und wichtigste Frage war natürlich, ob Psarakis die gute Frau White-Gluz annähernd ersetzen kann.

Und die Antwort wird AGONIST-Fans freuen: ja, sie kann! Psarakis kann sowohl clean als auch mit Growls überzeugen, wobei sie tiefere Growls an den Start legt, die eher an Angela Gossow (ex-ARCH ENEMY) erinnern. Was dann doch abgeht, ist die Wut und Kraft, die White-Gluz ausgezeichnet haben – das zeugt aber weniger von Schwäche von Psarakis, sondern spiegelt einfach das Ausnahmetalent von White-Gluz wieder. Bei den ganz hohen Passagen (TARJA, schau obe!) geht ihr auch gefühlt etwas die Luft aus (bei „Danse Macabre). Aber ansonsten gibt es nix zu meckern, auch weil die Vocal-Lines sich im Vergleich zu ihrer Vorgängerin nicht allzu sehr verändert haben.

Insgesamt erinnert die Situation bei den Vocals an AC/DC: Brian Johnson kann für viele Fans Bon Scott nicht ersetzen, aber so ganz unerfolgreich waren die Australier mit dem „neuen“ Sänger ja auch nicht…

Was aber die eigentlich erstaunliche Neuerung an „Eye Of Providence“ ist, ist überraschenderweise nicht der Gesang, sondern das Songwriting. Im Vergleich zu den von den Kollegen weniger enthusiastisch beurteilten Vorgängern „Lullabies For The Dormant Mind“ oder „Prisoners“ hat sich das Songwriting nämlich deutlich verbessert.

Ironischerweise haben THE AGONIST nämlich auf die meisten Deathcore- bzw. Modern-Metal-Elemente früherer Alben verzichtet und legen auf „Eye Of Providence“ mehr Wert auf eine Mischung aus klassisch-melodischem Death Metal und eingängige Melodien und Refrains – und erinnern damit stark an ARCH ENEMY (da war doch was mit einer Sängerin…)!

Und dieser Kurswechsel zahlt sich aus – man hat den Eindruck, dass aller überflüssiger Ballast über Bord geworfen ist und man sich darauf konzentriert hat, gute Songs zu schreiben, ohne krampfhaft modern oder progressiv klingen zu wollen.

So zünden (fast) alle Songs auf dem Album – der erste unauffällige Track ist der achte („Architects Hallucinate“), davor sind nur Kracher zu finden. Diese begeistern teils gleich beim ersten Hören („Gates Of Horn And Ivory“, „I Endeavor“, „Disconnect Me“), teils springt der Funke erst nach einigen Durchläufen über („Perpetual Notion“, „Faceless Messenger“), dann aber auch richtig. Der einzige Track, der etwas aus dem Rahmen fällt, ist „As Above So Below“, der leicht alternativ-rockig ausgefallen ist und damit nicht ganz zum Rest des Albums passt.

Ansonsten verlässt man sich auf einen stimmigen Mix aus Up-Tempo-MeloDeath-Parts („A Necessary Evil“, „Disconnect Me”), ARCH ENEMY-Riffs („I Endeavor“ oder „Perpetual Notion“ hätten auch super auf „Khaos Legions“ gepasst und Tapping und Solo bei „Gates Of Horn And Ivory“ könnten auch vom guten Herrn Amott stammen), progressiven OPETH-Melodien („Perpetual Notion“, „A Gentle Disease“) und herrlichen Gänsehaut-Refrains („I Endeavor“, „Disconnect Me“).

Wenn man ein Haar in der Suppe finden will, bleibt eigentlich nur die etwas zu lange Spielzeit (bei 13 Songs fällt einem dann doch die eine oder andere Wiederholung, vor allem bei den Gesangslinien, auf), das unrunde Ende („As Above So Below“) und das etwas übertriebene „The Perfect Embodiment“ (geht schon sehr Richtung NIGHTWISH-Pathos) zu kritisieren. Damit bringen sich die Kanadier knapp um die Bestnote.

Davon abgesehen haben THE AGONIST mit „Eye Of Providence“ aber einen Volltreffer gelandet. Vielleicht war der Weggang von der überlebensgroßen Persönlichkeit von Alissa White-Gluz doch ein versteckter Segen für die Band...



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Luka (18.02.2015)

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