DESPAIR - Decay Of Humanity (ReRelease)

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VÖ: 28.09.2015
Bandinfo: DESPAIR
Genre: Progressive Metal
Label: Punishment 18 Records
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Mit „Decay Of Humanity“ darf wieder ganz tief in der Metalgeschichte gewühlt werden. Das italienische Punishment 18-Label gönnt uns mit der Wiederveröffentlichung dieses Kleinods einen Flashback ins Jahr 1990. Death Metal löste in punkto Bedeutung gerade den Thrash Metal ab, als dennoch immer noch gute Thrash-Alben (wie vorliegendes) erschienen, die zu einem Gutteil der Tech-Thrash-Szene zuordenbar waren. Die Dortmunder DESPAIR gründeten sich in den Achtzigern und präsentierten 1988 mit „History Of Hate“ ihr Debüt. Die Zeiten standen gut für die fünf Jungspunde, der Erstling fand auch Anklang beim Publikum. Am Mikro Robert Kampf, der Gründer von Century Media Records, welches nicht zuletzt für den (Eigen-)Release jenes Erstlings gegründet wurde. Zwei Jahre später hatte das neue Label bereits solche Dimensionen angenommen, dass sich Kampf nicht mehr in entsprechendem Maße um seine Belange als Frontmann kümmern konnte, sodass mit Andreas Henschel ein neuer Vokalist präsentiert wurde. Century Media avancierte dank Acts wie ICED EARTH, ASPHYX, UNLEASHED, GRAVE, MORGOTH oder TIAMAT innerhalb kürzester Zeit zu einem der bedeutendsten Independent-Metal-Label jener Tage und trat in die Fußstapfen der früheren Kultschmieden Noise Rec. oder Roadrunner, der Rest ist bis heute andauernde Geschichte. Neben Schlagzeuger Markus Freiwald, der viele Jahre später bei SODOM trommeln sollte, fand sich ein weiterer illustrer Name der deutschen Metalszene in den Reihen der technisch angehauchten Thrasher. Waldemar Sorychta bediente nicht nur die Gitarre bei DESPAIR, sondern war auch zum größten Teil für das Songwriting zuständig. Dass er in Zukunft bei GRIP INC. zocken würde und als Hausproduzent für CM tätig sein wird, war seinerzeit noch nicht vorhersehbar.

Vorliegendes Album erschien damals gleichfalls wieder bei CM und präsentierte eine gereifte Band, die sich auch inhaltlich fernab von damals gebräuchlichen Kriegs-, Alkohol- und Spaßgeschichten im Thrash Metal bewegte. Auch soundmäßig standen die Dortmunder ähnlich gelagerten, anspruchsvolleren Techno-Thrash-Acts wie ihren damaligen Mitstreitern POLTERGEIST, CORONER oder HEXENHAUS in nichts nach. Wie bei vergleichbaren Genre-Releases spürbar, verbreitete auch dieses Album eine eigenartige, trocken-minimalistische, irgendwie hermetisch abgeschlossen klingende Soundatmosphäre. Spieltechnisch konnten die Deutschen mit den bekannten Genreacts jener Tage mithalten, wenngleich sie in punkto spielerischem Wahnsinn Bands wie etwa WATCHTOWER oder MEKONG DELTA nicht das Wasser reichen konnten bzw. eher als Bindeglied zwischen herkömmlichem Thrash Metal und der Komplexität jener Soundhexer fungierten. Mit dem Opener „Decay Of Humanity“ sowie dem folgenden „Cry For Liberty“ brannten sich seinerzeit kleine Underground-Hits ins Gehirn, deren Refrains bis heute nachhallen. Doch auch „Delusion“ bestach mit seinem packenden Stakkatoriffing, während etwa „Victim Of Vanity“,„A Distant Territory“ oder „Silent Screaming“ die proggige Seite der Band dokumentieren. Henschel entlockte seinem genreadäquaten Organ auch spitze Screams („Cry For Liberty“ oder „Radiated“) sowie gefühlvolle Passagen („A Distant Territory“), während das trockene Schlagzeug den Hörer über Albumlänge begleitet, bevor das Instrumental „Satanic Verses“ (Salman Rushdie war damals noch jedermann ein Begriff) diesen gelungenen Longplayer beschließt, dessen Songs anspruchsvoll das Ohr kitzeln, ohne aber jemals in die zusammenhang- und planlose, frickelige Belanglosigkeit abzudriften.

„Decay Of Humanity“ ist kein Überklassiker oder Meilenstein, jedoch ein Must-Have für Genrefans und jeder verständige Metaller, der technisch-anspruchsvolleren Thrash Metal zu schätzen weiß, sollte hier ein Ohr riskieren. In gleicher Besetzung nahm die Band 1992 noch Album Nummer drei, “Beyond All Reason” auf, danach strichen die Dortmunder aufgrund des ausbleibenden größeren Erfolgs die Segel. Zurück blieb eine weise Lebensentscheidung des einstigen Sängers Robert Kampf, der sie bis heute wahrscheinlich nicht bereut hat.

[Nachsatz: In diesem Falle wurde der Traum tatsächlich wahr und die Entscheidung zur Gründung des Labels manifestiert sich nunmehr in Zahlen. Die Realität hat das CD-Review mittlerweile überholt, es übernahm - wie vor kurzem bekannt wurde - SONY Music CENTURY MEDIA (und Subdivisionen) um kolportierte 17 Mio. US-$!]





Ohne Bewertung
Autor: Thomas Patsch (21.09.2015)

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