Grift - Syner

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VÖ: 18.09.2015
Bandinfo: GRIFT
Genre: Melodic Black Metal
Label: Nordvis Produktion
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Lineup  |  Trackliste

Erik Gärdefors, der Mann hinter dem schwedischen Ein-Mann-Projekt GRIFT, ist ein moderner Eremit. Ein Mann, der das karge, rurale Leben inmitten der westschwedischen Provinz nicht nur glorifiziert, sondern auch lebt. Ein Musiker, der eine klare Vision von seiner Kunst hat, dessen erstes Album denn auch so betitelt ist und der konsequenterweise auf seinem Vollzeitdebüt auch vom Schlagzeug bis zum Harmonium - bis auf einige Gastbeiträge - alles selbst gespielt, gesungen und produziert hat.

Deshalb ist "Syner" auch ein Album wie aus einem Guss und noch viel schöner, als es die bereits großartige EP "Fyra Elegier" vor zwei Jahren versprochen hat. Ein nachdenkliches Stück Musik, irgendwo zwischen der stillstmöglichen Spielart des Black Metal, melancholisch-erdigem Rock, traditionellem Folk und auch ein wenig Post-Flair. In den sechs recht schlicht gehaltenen, aber dennoch teils ausschweifend langen Stücken kann man sich genauso gut verlieren wie in den weiten Wiesen und Wäldern von Gärdefors' Heimat. Sie klingen auch, wie ich mir die westschwedische Natur vorstelle: Schön und erhaben, aber auch trist und auf eine schwelgerische Art traurig, gerade im niedrigstehenden Licht, das das besungene "Aftonlandet" bescheint. "Syner" riecht dabei nach rauchigem Holz und schwelender Kohle, nach wehenden Gräsern und gemähtem Weizen, es schmeckt nach dem Staub der Feldwege und dem Schnee auf den Dächern der Holzhäuser, nach frischem Brot und warmer Milch und ist damit vordergründig alles, aber nicht Black Metal.

Die wildromantische Idylle wird aber auch immer wieder von Bitterkeit durchzogen, die dann doch klarstellt, aus welcher Schule Gärdefors kommt. "Syner" ist keine Musik, die im Überfluss schwelgt. Im Gegenteil badet sie in einer unbestimmten Sehnsucht, einem subtilen Hunger, wie er in dem wundervoll weltabgewandten "Svältorna" besungen wird und dessen Ausdruck todtraurige, bestechend schlichte Piano- und Harmoniumklänge sind, wie man sie sonst nur von den frühen TENHI kennt (ebenfalls sehr schön umgesetzt im meditativ angelegten "Slutet Hav"). GRIFT lebt, wie schon auf früheren Veröffentlichungen, vom Zusammenspiel von Reifung und Ernte, Hoffnung und Niedergang und von der Atmosphäre des unsteten Wanderns, der Heimatlosigkeit, die genau diese Ambivalenz ausdrückt. Zum Glück driftet die Stimmung nie zu sehr in etwas ab, das man noch "Depressive Black Metal" nennen dürfte. Denn "Syner" bemüht sich - mal mehr, mal weniger - um eine positive Wendung dieses grundmelancholischen Gefühls und endet mit "Eremiten Esaias" in einem von einer Lap-Steel-Gitarre gekrönten Stück, dessen Bibelbezug im Titel auf die Messias-Verheißungen des Exilpropheten Jesajah referiert. Vielleicht nicht umsonst, denn auch das Buch Jesajah lebt nicht unerheblich von seinem Spiel mit dem Grundmotiv von Licht und Dunkelheit.

GRIFTs Debüt ist weiß Gott kein schlichtes Stück Musik, auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen mag. Es ist intelligent, hat vielfache literarische Bezüge, bedient sich verschiedenster Genrequellen, ist mit viel Fingerspitzengefühl komponiert, gekonnt verewigt und macht insgesamt den Eindruck, ganz bewusst auf seine Grundmauern reduziert worden zu sein, um maximale Wirkung zu entfalten. Dabei ist es leider trotz seiner Kürze nicht in jeder Sekunde zwingend und lässt meinem Geschmack nach gerade in der zweiten Hälfte die großen Gefühle der ersten drei Tracks vermissen. Aber trotzdem: Wunderschöne schwedische Melancholie im Walzertakt, von der man sich übrigens auf den ersten GRIFT-Gigs im Oktober (auf der "Lex Talionis"-Tour von EIS und NEGATOR) auch live verzaubern lassen kann.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Florian Dammasch (14.09.2015)

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