Prosperity Denied - Escape

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VÖ: 20.11.2015
Bandinfo: Prosperity Denied
Genre: Grind Core
Label: Eigenproduktion
Lineup  |  Trackliste

Das Setting des kultigen Cyberpunk-Films "Die Klapperschlange" (die, in ihrem Tattoo auf Snake Plisskens Haut, eigentlich eine pro­me­th­ischere Kobra ist) ist bekannt: New York, im Jahr 1997 - das Verbrechen hat in den 80er-Jahren derart zugenommen, dass herkömmliche Gefängnisse nicht mehr ausreichen. Ganz Manhattan wurde 1988 aufgegeben und in ein Hochsicherheitsgefängnis umgemodelt. Umgeben wird dieses Gefängnis von einer 20 Meter hohen Mauer, welche entlang der Küste von New Jersey über den Harlem River bis zur Küste von Brooklyn führt. Alle Brücken und Wasserstraßen sind vermint. Die Polizei der Vereinigten Staaten ist wie eine Armee um die Insel herum stationiert. Abgeschottet von der Außenwelt werden die Gefangenen sich selbst überlassen und haben eine eigene Gesellschaftsform entwickelt - an ihrer Spitze steht der Duke, der mit eiserner Hand regiert. Blöd nur, dass die Air Force One mit ihrer wertvollen Fracht, dem Präsidenten Amerikas, über selbigem Areal abgeschossen und er als Geisel genommen wird. Nun liegt es am Sträfling und Ex-Elite-Soldaten Snake Plissken - der von Kurt Russell impersoniert wird -, ihn wieder rauszuboxen und eine Audiokassette, die Informationen zu einer neuartigen Energiequelle, der Kernfusion, enthält, wiederzubeschaffen, denn: es herrscht drohender Kriegszustand, gleich mit China und der Sowjetunion. Für diesen nicht gänzlich honigschleckenden Wandertag bleiben Plissken gerade einmal 22 Stunden Zeit.


In genau jenes dystopische Setting versetzt sich das niederösterreichische Elite-Kommando PROSPERITY DENIED auf ihrer neuen EP "Escape", jagt sich freiwillig explosive Miniaturkapseln in die Halsschlagadern und schreitet munter zur Tat. "What do you think you are doing?", ist man geneigt, NY-Police-Commissioner Bob Hauk zu zitieren, und gleich darauf in leicht abgewandelter Form schnippisch Snake antworten zu lassen: "We're going in." Wer das Trio kennt, weiß, die guten Herren haben noch viel weniger Zeit für einen dramaturgischen Aufbau - und von daher setzt man sich das durchaus respektable Ziel, in lediglich 15 Minuten rein-raus zu marschieren und zwischendrin scheinbar nebenher quasi im Alleingang für eine mittelgroße Spur an Verwüstung in unwirtlichem Gelände und mit überlegener Kontrahentenzahl zu sorgen.


Filmkennern und all jenen, denen übliche Hollywood-Handlungsstränge des Genres vertraut sind, dürfte klar sein, dass Plissken im Zuge seiner Mission nicht nur ein paar ziemlich lässige Sprüche klopft, sondern bei dem einen oder anderen Gegenspieler für einen mittelschweren Anfall von lethaler Demontage sorgt. Ähnlich, wenngleich auch konzentrierter, PROSPERITY DENIED: Es benötigt gewaltige Eier, nicht auf Nummer sicher zu gehen und auf die schnöde A-Prominenz von Schwarzenegger oder Stallone - oder gar auf die kalte Maschinerie eines Van Damme - zu setzen, sondern auf die räudige B-Kategorie eines Russell, der sich - ähnlich wie Seagal oder Willis - mit etwas mehr bissigem Rotz, Haudraufwienix-Gestus und derbem Schmäh seinem Auftrag widmete. PROSPERITY DENIED sind keine klinischen Kampfmaschinen, die mit reichlich Arsenal für ein Armageddon sorgen, das mit sofortiger Wirkung Widersacher dazu bringt, sich übers Kreuz hinauf anzuscheißen. Nein - das Geballer ist ebenso spielerisch wie lethal, es ist dies kein mit Nuklear-Geschoßen bestückter Elefantentöter, der lediglich das "Ziel zum Ziel" hat, sondern vielmehr rasende, infame Agitatoren aus Fleisch und Blut, die mit MAC-10 bewaffnet auch durchaus Spaß am "Weg zum Ziel" haben und mit schierer Leidenschaft metzeln.


Der Einstieg ist episch - es ist das "Theme For An Escape", das der großartige John Carpenter als Hauptthema schuf und PROSPERITY DENIED nun in der genreüblichen Instrumentierung neu interpretieren. Es ist dunkel-düster, vermittelt Niederschlag und verhangene Sicht. Unrat, kleine Feuer hier und da - ein unwirtliches Setting, diese Dystopie.
Munteren Schrittes - zügig, aber vorerst noch nicht übereilt - zieht der kleine, aber feine Trupp voran: das ist "A Matter Of Fuct". Ein gezielter Schuss hier, ein frecher Spruch da - man ist drin, im tiefschwarzen Nukleus und hat bereits ein klares Zeichen gesetzt: Angeklopft wird nicht, den Dreck von der Sohle zu reiben, dafür fehlt die Zeit. Der Gast ist ausnahmsweise einmal nicht König, sondern Richter, Geschworener und vor allem Vollstrecker in einer Person. "Klopf, Klopf!" - "Wer da?" - "Volker." - "Volker? Wer?" - "Völkerwehr."
Dann: "10 Seconds Left" - das Tempo wird angezogen, die Sohlen trampeln plötzlich schneller, vor allem die von Rhythmuskommandant Georg, der nicht zum ersten Mal in der bewegten Geschichte Ungeduld beweist und sich unterwegs alles andere als mit Schaufensterbummeln aufhalten möchte, denn: I.A.C. wie auch die Klangfarbe haben Onlineshops, das spart Zeit. Kimme und Korn? Von wegen, wir schießen nach Gefühl.
Schließlich, der Schlagabtausch "Dead Eye Cobra". Es ist dies, wie zuvor bereits angedeutet, kein sauberer Schuss durch die Schädeldecke, der mit seiner Kernexplosion nicht bloß das arme Menschlein zunichte macht, sondern ein leicht zähflüssiger Schlagabtausch, ein rohes Gemetzel mit allerlei Tempiwechsel, die mal Hinz, mal Kunz die Oberhand gewähren. Der eine spuckt Blut, der andere verliert einen Zahn - zwischendurch: Schwanzvergleich. Die Old-School-Hardcore-Intermezzi, der generelle Grundtenor tun ganz klar kund: Der mit der frechesten Klappe siegt, der gute Ton wird mit erigiertem Mittelfinger demonstriert. Ein Schuss ins Knie, einer ins Schulterblatt? Wurscht.
Der Indianer kennt keinen Schmerz, zumindest so lange nicht, bis die Quotenprinzessin das Pflaster aufpickt - und dann wird gef...eiert, ist die Assel Plissken - oder PROSPERITY DENIED - doch trotz aller Ecken und Kanten ein "Weekend Patriot", mit harter Schale zwar, doch mit weichem Kern. So unangepasst er sich auch geben mag, so wenig er auch davon hält, einem guten Christen gleich auch "die andere Wange hinzuhalten", so bodenständig, grundehrlich gut ist er aber auch. Dank, monetäre Entschädigung, Ruhm oder Ehre braucht er nicht - viel wichtiger ist ihm ein breitbeiniger Abgang mit Waffe im Anschlag, während hinter ihm das Kampffeld in Flammen gehüllt implodiert, hier und da vielleicht noch ein finaler Todesseufzer der Verwundeten. Die Gewänder sind zerrissen, das Odeur schweißgeschwängert unnahbar, hier und da Narben und offene Wunden, fettig und zerzaust das Haar: Mission erfüllt, war doch eh klar.



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Stefan Baumgartner (05.01.2016)

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