FLYING COLORS - Second Flight: Live At The Z7

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VÖ: 13.11.2015
Bandinfo: FLYING COLORS
Genre: Rock
Label: Mascot Label Group - Music Theories Recordings
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Lineup  |  Trackliste

Bei den meisten Bands dieses Planeten würde man jetzt gleich wieder schreien: "Was? Schon wieder eine Live-Scheibe?" FLYING COLORS sind nun aber nicht irgendwer und man wünscht sich bei der Supergroup möglichst nach jedem Studioalbum ein Live-Dokument. Der Fanschar insgeheimer Wunsch war der Band offenbar Befehl, et voilà: auf geht's zum "Second Flight" mit dem sympathischen Haufen. Abgefilmt im schwer ausverkauften Z7 im schweizerischen Pratteln, möchte dieses CD/DVD-Package vor allem eines: das größtmögliche Live-Erlebnis in größtmöglicher Perfektion bieten. Also kübelt gleich mal die beiden CDs und fetzt die DVD in den Player. Denn ein FLYING COLORS-Gig ohne Optik ist nicht nur nur halb schön, sondern eigentlich sinnlos.

Es ist wirklich schon fast unheimlich, wie die fünf so unterschiedlichen Protagonisten mittlerweile miteinander harmonieren, welch enorme Spielfreude gepaart mit unerbittlicher Präzision diese Musiker antreibt. Und der Funke springt nicht über, nein, er springt ständig zwischen Band und Fans hin und her, und gegenseitig stachelt man sich zu Höchstleistungen an. Die Setlist umfasst eh beinahe das gesamte Schaffen der Combo, die Höhepunkte sind reichlich und ich konnte auch beim zehnten Durchlauf keinen einzigen Spielfehler ausmachen. Unheimlich, wie gesagt. Herausgehobene Gänsehautmomente sind das mit erhabenem Dreigesang gespickte "One Love Forever" mit seiner schönen Folk-Hookline, die Single "Kayla", die gigantische Prog-Achterbahnfahrt "Cosmic Symphony" oder der akustische Casey McPherson-Tränenmoment "Colder Months", der direkt in das nicht minder augenwässernde "Peaceful Harbor" übergeht. Eine Kleenex-Box in Reichweite schadet also nicht.

Überhaupt ist es der eher schüchtern wirkende Texaner mit seiner eindringlichen Stimme irgendwo zwischen Marcus Mumford und Jeff Buckley (für dessen Reinkarnation ich ihn mittlerweile auch halte), der dem manchmal doch recht artsy-fartsy daher donnernden Prog-Rock die nötige Erdung gibt. Basser Dave LaRue zupft in stoischer Ruhe (ich nenne ihn nur noch den "LaRue-Pol") die abstraktesten Bassläufe aus dem Holz und brilliert bei "One Love Forever" mit schickem Slap-Solo. Über Steve Morse braucht man sich nicht mehr den Mund fusselig reden und sein Namensvetter Neal an den Tasten kann niemals schlecht gelaunt sein und veredelt so manchen Song mit seiner unverwechselbaren Stimme. Und dann ist da eben Mike Portnoy.

Ich möchte jetzt nicht unbedingt behaupten, man käufe sich diese DVD ausschließlich, um dem Supertrommler bei all seinen Fitnessübungen genau auf die Griffel zu schauen, tue es aber trotzdem: Ich nämlich jedenfalls könnte dem Mann stundenlang zuschauen. Hier und in all seinen anderen zweiunddrölfzig Bands. Die Präzision und der pure Wille zum perfekten Spiel lassen nicht nur mich tiefsten Respekt zollen, es wird einmal mehr klar, was DREAM THEATER da wirklich an Charisma verloren gegangen ist. Mike stellt sich aber trotz aller Überpräsenz artig in den Bandkontext und weil Trommeln alleine nicht genug ist, singt er auch noch fleißig mit. FLYING COLORS funktionieren so wunderbar - besser noch als die nicht minder genialen TRANSATLANTIC - weil hier das Beste vom Besten zusammenfusioniert wurde und sie funktionieren ausschließlich in dieser Besetzung und nicht anders.

Ach ja, als DVD-Specials gibt's alle vier offiziellen Videos der Band und beim Audio-Setup kann man sich nicht nur zwischen Stereo oder 5.1 Digital Surround entscheiden, sondern bei Zweiterem auch noch, ob man lieber den Front-Row-Sound oder den vom Mischpult aus hätte. Also vorzugsweise die Kopfhörer umgeschnallt und abgeflogen! FLYING COLORS bleiben für mich die beste Live-Band der letzten Jahre, man kann sich dieses Teil (so wie übrigens auch den ersten Live-Wurf) hunderte Male antun und findet immer noch seine helle Freude daran. In schierer Ekstase fische ich am Ende die Höchstnote aus einem Berg vollgerotzter Kleenex-Tücher, nicht weil ich es kann, sondern weil alles andere hier einfach nur unlogisch und unangemessen wäre.



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Mike Seidinger (25.01.2016)

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