MASTIC SCUM - Live & Rage

Artikel-Bild
VÖ: 13.05.2016
Bandinfo: MASTIC SCUM
Genre: Death Metal
Label: Grindwork Production
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste

MASTIC SCUM waren irgendwie schon immer da. Und werden es wohl auch noch länger bleiben. Respekt.

Natürlich ist das Auseinandersetzen mit einer 1992 gegründeten österreichischen Metal-Band auch ein Stück weit eine Abgleichung mit dem persönlichen Werdegang, ein Herumstochern in den eigenen Erinnerungen (bzw. was davon noch so da ist…). Vor allem wenn man, so wie ich, ebenfalls Anfang der Neunziger seinen aktiven Einstieg in die lokale Szenerie zelebrierte.  

Wobei: Wann und wo genau der junge Andi Appel das erste Mal mit MASTIC SCUM in Berührung kam – sorry, keine Ahnung. Nix da mit der einen großen, sagenumwobenen Begegnung der dritten Art in irgendeinem anrüchigen Alkohol-und-Drogen-benebelten Loch, wie man sie vielleicht von anderen Treffen aus dieser Ära erzählen könnte. (Spontan fällt mir etwa ein, wie der geschätzte Bruder Cle bei KRABATHOR(!) als Support von IMPALED NAZARENE(!) im Chelsea(!) von der „Stage“ ins Publikum divte… nur leider war da kein Publikum. Autsch.)

Nö, irgendwann las man halt einfach das erste Mal das MASTIC SCUM-Logo auf irgendeinem Flyer, die damals noch zuhauf in einschlägigen Hütten herumlagen (Ja. Herumlagen. Körperlich. Ausgedruckt. So richtig. Zum Angreifen, weitergeben, wegschmeißen, Filter bauen. Digitale Flyer gabs nämlich noch nicht, weil das www war noch WorldWideWeg). Man sah ihre Platten (das muss ich gottseidank den jungen Menschen jetzt nicht erklären, das gibt´s ja jetzt wieder, nur sagt heute jeder Vinyl dazu, früher sagte kein Mensch: „Ich hab mir die neue Priest auf Vinyl gekauft“ und wenn er es gesagt hätte, dann… egal, ich schweife ab) und Kassetten (das…äh… wuarscht) im Taschengeld-Bermuda-Dreieck Why Not, Heavy Records und Rocktiger, zumindest als ostösterreichischer Metal-Freak – die norddeutschen Leser werden jetzt eher hilflos mit der Achsel zucken, womit ich aber leben kann. (Anm. d. Lekt.: Dafür gibt's ein Bonussternchen für die Satzkonstruktion ins Aufgabenheft!)

Tja, und irgendwann habe ich dann auch mein Erstes von mittlerweile doch einigen MASTIC-SCUM-Konzerten gesehen. Metal-Gigs in Wien fanden damals in Locations wie Rockhaus, Tüwi, Arena, Manchester, Shelter, Weberknecht, Rock In statt – ein paar davon gibt es immer noch, ein paar nicht mehr; was daran gut oder schlecht ist, möge jeder für sich bewerten – oder aber einfach in versifften Kellern und Proberäumen. „Kummst om Somstog in´ WUK-Kölla obe? Do spün drei Deff Meddl Partien. Leiwaund, Oida!“.  Engagierte Musiker und andere Freaks veranstalteten Festln wie „Knüppel aus dem Sack!“, den „Zombiezirkus“ oder das „Monsters Of Death“, bei denen neben lokalen Bands wie SARDONYX, ENDOCRANE (Grüß Sie, Herr Seidinger!), SEEDS OF SORROW - und andere, bei denen ich mich jetzt wegen Nichtnennung entschuldige – oder eben MASTIC SCUM (die btw irgendwann ihren Hauptsitz von Salzburg nach Wien verlegten, aber das nur am Rande) immer wieder auch Truppen aus dem, hüstel, ehemaligen Ostblock gern gesehene Gäste waren. Es gab Jahre, in denen der durchschnittliche ostösterreichische Metaller zb die polnische Band VADER 27 mal live sah – und da hat er sie schon 13 mal versäumt.

Man zeichnete Plakate, tradete Tapes, gab Fanzines wie „Taub!“, „Paternoster“ oder „Schädelspalter“ heraus (die billige Eigenwerbung in Sachen „Marterpfahl“ erspare ich uns an dieser Stelle) oder gründete „Labels“ mit so herrlichen Namen wie „Stuhlgang“, „Demonware“ (´Tag, Herr Dorn!)  oder „Rodel Records“. Auf Letzterem erschien dann 1993 auch die erste offizielle MASTIC SCUM Veröffentlichung, eine 12”-EP mit dem für damalige Verhältnisse fast schon wieder schlichten Titel "Ephemeral Cerebral Butchery" (wir sprechen von einer Band aus Pungent-Disastrous-Disharmonic-Country). Ein schöner Firmenname ist auch „Ohne Maulkorb Prod.“, hierauf erschienen u.a. SCUM-Split-VÖ's mit den Tschechen FLESHLESS oder C.S.S.O. aus Japan!

Schon früh also warfen die Herren ihren Köder auch in internationale Gewässer und so durfte das Quartett in den bisherigen 24 Jahren seines Bestehens weltweit mehr Bühnen – vom grindigsten Club bis zum größten Festival – bespielen und nicht zuletzt dadurch auch mehr Tonträger verkaufen, als es vermutlich alle bisherigen ORF-Casting-Show-Teilnehmer zusammen je tun werden (ja, ok, Christina Stürmer vielleicht ausgenommen. Aber auch die ist wohl noch nie beim „Bizarre Leprous Open Air“ in Olomucany aufgetreten, oder?).

Lustig auch die Wahrnehmung der MASTIC SCUM'schen Mucke im Laufe der Jahr(zehnt)e. Natürlich wurde die Combo mit zunehmender Existenz besser und professioneller, no na, aber ihren Sound haben sie jetzt nicht so wahnsinnig geändert; eventuell weiterentwickelt, um Nuancen verfeinert… Trotzdem hatte der Vierer anfangs im Metal Lager durchaus Exoten-Status, galt selbst bei Death Metal Veranstaltungen oft als härteste, intensivste, wahnsinnigste Gruppe und wurde eher dem Hardcore-Grindcore-Sektor zugeordnet, auch was Einstellung, Auftreten, Attitüde betraf. Ähnlich wie etwaige Einflüsse der Marke NAPALM DEATH oder AGATHOCLES. Mit denen man auch die gesellschaftskritischen, „politischen“ Lyrics teilte, während das Gros der Mitbewerber vom Zombies-Abschlachten, Leichen-Zerlegen, oder möglichst blutigen Beischlaf-Ritualen sang (einige auch von möglichst blutigen Beischlaf-Ritualen mit den zerlegten Leichen abgeschlachteter Zombies).

Mit der Zeit aber öffneten und vermischten sich die Schubladen und wie viele andere grundsätzlich unsympathische Trends hatte auch der unselige Metalcore/Deathcore Hype seine – vermutlich einzige – gute Seite, in dem er nebst einer Flut von Kopien von Kopien von Kopien auch langjährige Bands aus dem Underground emporhob und Acts wie etwa MASTIC SCUM einer noch größeren Audienz zuführte. Gemeinsam mit der von der Band schon seit jeher engagiert betriebenen Aufbauarbeit, führte das zu einer verdienten – auch medialen - Aufmerksamkeit auf breiter Ebene: Das dritte Album „Mind“ erschien 2005 bei Cudgel, das vierte „Dust“ 2009 bei Twilight und das fünfte und aktuelle „CTRL“ 2013 auf Massacre. Im Einklang mit vielen guten Reviews und Stories in der internationalen Fachjournaille oder gemeinsamen Tourneen mit etwa MARDUK und – history repeats! – VADER.  

Natürlich, und da kehren wir gegen Ende (Echt? Jetzt schon?) nochmal auf die persönliche Ebene zurück, dreht eine Band in 24 Jahren auch das eine oder andere Mal am Besetzungs-Karussell. Ok, die Gründungsmitglieder Harry und „Man“ Gandler hielten und halten die MASTIC SCUM Flagge stetig in den Sturm. Andere Musiker und Sänger kamen und gingen, manche leider auch für immer von uns (mögen sie in Frieden ruhen - oder aber mit Lemmy und Co. lustige Partys schmeißen), auch das „Personal“ rundherum – bei den Labels, in den Clubs und im privaten Umfeld, Fans und Freunde – erfuhr in zweieinhalb Dekaden seine Veränderungen. So manch' früherer Wegbegleiter ward nie wieder gesehen. Einige tauchen hin und wieder aus der Versenkung auf. Andere waren nie weg.

So wie MASTIC SCUM selbst. Sie lösten sich nicht auf, um ein Jahr später lautstark ein „Comeback“ zu feiern. Inszenierten keine Pseudo-Skandälchen und hielten sich mit peinlichen PR-Aktionen vornehm zurück. Ließen, welch Wohltat in Zeiten wie diesen, einfach ihren Sound für sich sprechen. 24 Jahre lang auf Demos, Split-EPs, obskuren Compilations, immerhin fünf Full-Length-Alben und vor allem immer wieder live on stage. Wie auch jetzt auf ihrer – so formuliert es der Untertitel – „Live & Rare – Official DVD“.

Selbstverständlich erfüllt die auf „Rage“ gebotene Show vom 10.01.2014 in der Szene Wien, genauso wie das „Extra Live Footage“ - u.a. Kaltenbach, Donauinsel, Fuck The Commerce - oder die neun(!) offiziellen Videoclips alle Qualitäts-Ansprüche. Zumindest die des Verfassers, der sich dann auch gerne nochmal mit einer, äh, einem kühlen Blonden durch die ebenfalls hierauf enthaltene „Photo Gallery“ (liab woarns) oder den Bonus-Teil (Amadeus Awards, hmpf) klickt.

Weil, wie der liebe Leser – sofern noch einer hier ist, Hallo?? – eventuell schon mutmaßen durfte, stellt dieses Review eher keine klassische DVD-Kritik, keine analytische Auseinandersetzung mit Inhalt, Produktion und schlag-mich-tot-Fakten-Wahnsinn dar. Sondern viel mehr eine persönliche Huldigung alter.., nein, junggebliebener Weggefährten, liebgewonnener Partner im metallischen Crime.

MASTIC SCUM waren irgendwie schon immer da. Und werden es wohl auch noch länger bleiben. Respekt.



Ohne Bewertung
Autor: Andi Appel (21.05.2016)

ANZEIGE
ANZEIGE