Deadlock - Hybris

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VÖ: 08.07.2016
Bandinfo: DEADLOCK
Genre: Melodic Death Metal
Label: Napalm Records
Lineup  |  Trackliste

Was DEADLOCK in den vergangenen Jahren für eine emotionale Achterbahnfahrt hinter sich gebracht haben, ist kaum in Worte zu fassen. 2014 verstarb der langjährige Drummer Tobias Graf an seiner Krebserkrankung und hinterließ eine große Lücke, obgleich er die Band bereits zuvor verlassen hatte. Insbesondere Songwriter Sebastian Reichl hatte unter dieser Situation zu leiden, was in der wunderbar ehrlichen Dokumentation "The Longest Road" sehr deutlich wird. Allgemein eine sehr schön inszenierte und niemals aufgesetzt wirkende Dokumentation, die ich jedem Fan nur wärmstens ans Herz legen kann. Neben dem tragischen Verlust von Drummer Tobias hat auch Sängerin Sabine der Band nach langwieriger Überlegung den Rücken gekehrt. Schon in ihrer Schwangerschaft wurde sie von Margie Gerlitz vertreten, die fortan die feste Position der Sängerin einnehmen sollte, da Sabine sich nun voll und ganz ihrem Familienleben widmen möchte. Grund genug, mit "Hybris" ein wütendes Monster zu schaffen, das den Hörer in eine Welt voller Hass führt und dennoch seine emotionalen Momente nach außen trägt, die zum Nachdenken bewegen.

Der Opener "Epitaph" stampft ohne Rücksicht auf Verluste nach vorn und präsentiert uns einen John Gahlert, der seine Stimme wie Fesseln um unseren Hals legt, die sich erst mit dem doch verhältnismäßig sanft daher kommenden Chorus langsam lösen, den Margie wunderschön veredelt. Für mich durchaus ein Stück, das den Kontrast zwischen Hass und Emotionalität perfekt nach außen trägt. An dieser Stelle möchte ich übrigens die gute Margie sehr lobend erwähnen, denn sie hatte nicht nur große Fußstapfen, die sie ausfüllen musste, nein, sie bekam von vielen Fans kaum eine faire Chance, sich als neues Bandmitglied zu integrieren und so wurden die Rufe nach Sabine immer lauter. In meinen Augen sind die beiden ohnehin völlig verschieden. Wo Sabine grundsätzlich mit einer sehr energiegeladenen Stimme ausgestattet war, zeigt sich Margie oft zurückhaltender und glänzt vor allem in den sanfteren Passagen, was einen noch schöneren Kontrast zu John's brachialen Vocals aufzeigt. Zurück zur Musik: "Carbonman" trägt melodische Gitarren nach außen, die von einem Drumgewitter ummantelt werden, das immer wieder Tempowechsel anstrebt und den Song so sehr variabel macht. Hier stampft uns ein extrem atmosphärischer Refrain entgegen, der toll in Szene gesetzt wurde und komplett hasserfüllt daher kommt.
Die erste Single "Berserk" wuchtet ebenfalls stürmisch auf den Hörer nieder und lässt kaum Luft zum Atmen. Insbesondere in den Strophen drischt man bedingungslos nach vorn und verdeutlicht, dass "Hybris" keine Platte geworden ist, die Verschnaufpausen gestattet. Im Chorus entfaltet sich, wie für DEADLOCK mittlerweile üblich, ein unfassbar hohes Ohrwurmpotenzial, das dem Song seine durchaus vorhandene Vielfältigkeit dennoch nicht nehmen kann. Ein perfektes Zusammenspiel zwischen Margie und John. Etwas langatmig zeigt sich "Blood Ghost", das mit knapp sieben Minuten ohnehin die längste Spielzeit der Songs offenbart. An und für sich ein extrem brutales Stück, das vom relativ belanglos wirkenden und zu lang geratenen Chorus leider unnötig ausgebremst wird. Innerhalb der Strophen strebt man wieder viele Tempowechsel an und drückt den Hörer hier und da auch mit ein paar fetten Blastbeats in den Sessel. Auch das lange Outro mit leichtem Chorgesang gefällt. Leider verkörpert der Refrain das Herzstück eines Songs und zieht diesen so leider ein stückweit runter. Wett gemacht wird dieser doch eher kleine Ausrutscher von der zweiten Single "Backwound Story", die sich ähnlich wie der Opener gestaltet. Einerseits schlägt uns Wut entgegen, andererseits eine gewisse Wärme, die Margie ein weiteres mal im seichten Chorus zum Besten gibt.
Deutsche Band, deutscher Song? Jap! Auch das kommt immer mehr in Mode und so präsentieren uns DEADLOCK mit "Ein Deutsches Requiem" ebenfalls eine deutsche Nummer, die Margie mal von einer anderen Seite zeigt. Hier offenbart uns das Mädel, dass sie auch den Operngesang in Perfektion beherrscht! Durch John's wuchtiges Organ schafft die Truppe auch hier einen sehr schönen Kontrast, der zu gefallen weiß. Erwähnenswert ist die Schweigeminute am Ende des Songs, die man in Gedenken an Tobias eingebaut hat. Eine tolle Geste! Mein persönliches Highlight folgt allerdings mit "Welcome Deathrow", das sicherlich zu den brutalsten Nummern gehört, die DEADLOCK je geschaffen haben. John tobt sich aus und versucht sich sogar an Clean Vocals! Die mit Blastbeats aus den Boxen dreschende Bridge veredelt er astrein und leitet den prägnantesten Refrain der Scheibe ein. Margie zeigt ihr ganzes Potenzial und versprüht ungemein viel Energie. Der ebenfalls gesungene Ausklang von John rundet die Sache perfekt ab und lässt mich zufrieden durchschnaufen.

So bietet "Hybris" vieles von dem, was der Vorgänger "The Arsonist" bereits mitgebracht hat. Schade finde ich persönlich, dass der Djent-Anteil wieder zurückgegangen ist, der den Songs auf dem Vorgänger nochmal eine andere Bandbreite verliehen hat. Allgemein ist für mich der größte Negativpunkt, dass die Gitarren soundtechnisch nicht so toll produziert sind. Sie übersteuern manchmal oder klingen zu schwach. Das zeigt sich zwar nur an vereinzelten Stellen, doch ist man genau das von DEADLOCK nicht gewohnt, zumal das selbe Produktionsteam am Start war. Letztlich sei es ihnen verziehen, denn nicht nur Margie feiert einen tollen Einstand, nein, man liefert uns mit "Hybris" ein SEHR rundes Werk ab, das unnachgiebig auf den Hörer niederprasselt und trotzdem auch Platz lässt für ein paar "intime" Momente. Sebastian hat hier in Sachen Songwriting ganze Arbeit geleistet und beschenkt nicht nur sich, sondern allen voran uns mit dem wohl ausgereiftesten Werk der Bandgeschichte. Hut ab!



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Sonata (08.07.2016)

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